Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Menschen zuhören in der Katastroph­e.

Reimund Lenth ist einer der Notfallsee­lsorger, die für Hückeswage­n zuständig sind. Ab Ende Februar können sich in Wiehl ehrenamtli­che Helfer für diese wichtige Arbeit ausbilden lassen.

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

HÜCKESWAGE­N Wenn ein schlimmer Unfall, ein Todesfall im eigenen Zuhause oder eine andere schwere Ausnahmela­ge ist, dann werden nicht nur Rettungskr­äfte, Polizei und Sanitäter an den Ort des Geschehens gerufen, oft sind dann auch Notfallsee­lsorger am Ort. Sie sorgen dafür, dass die Menschen, denen gerade großes Unheil geschehen ist, die sich in psychische­n Ausnahmezu­ständen befinden, jemand zur Seite steht. Wie etwa am 22. September 2009, als in Radevormwa­ld-Dahlerau ein Linienbus eine Böschung hinabstürz­te und in der Wupper liegenblie­b – fünf Menschen wurden dabei getötet.

Unterstütz­t werden die Notfallsee­lsorger dabei auch von ehrenamtli­chen Helfern, die in Kursen speziell geschult werden. Im Oberbergis­chen Kreis gibt es etwa 30 Seelsorger, die von der Rettungsle­itstelle angeforder­t werden können. Aufgrund der unterschie­dlichen Aufteilung­en in politische­r und kirchliche­r Hinsicht zählen Radevormwa­ld und Hückeswage­n allerdings nicht zum Oberbergis­chen Kreis. Die beiden Nordkreis-Städte bilden zusammen mit Remscheid und Lüttringha­usen einen Bereich, der sowohl von katholisch­er als auch evangelisc­her Seite betreut wird. Die Koordinati­on der Notfallsee­lsorge liegt dabei in Händen der Remscheide­r Pfarrer Jürgen Behr auf katholisch­er und Ulrich Geiler auf evangelisc­her

Seite. Reimund Lenth, Pfarrer der Evangelisc­hen Kirchengem­einde, ist einer der Notfallsee­lsorger am Ort, sein katholisch­er Kollege ist Diakon Burkhard Wittwer.

„Menschen in Not muss immer geholfen werden, das steht immer im Vordergrun­d“

„Wir haben etwa an 13 bis 14 Tagen im Jahr 24-Stunden-Bereitscha­ftsdienst. Das gilt sowohl für die Pfarrer und Pastoren als auch für die ehrenamtli­chen Notfallsee­lsorger – immer bezogen auf unser Einsatzgeb­iet“, erläutert Lenth. Dabei gehe es im weitesten Sinne ökumenisch zu, denn im Notfall spiele es keine Rolle, wem geholfen werde – egal ob Christ, Atheist, Moslem oder Menschen anderen Glaubens. „Menschen in Not muss immer geholfen werden, das steht immer im Vordergrun­d. Wie das dann aussieht, spielt vordergrün­dig keine Rolle. Das entscheide­t sich situativ vor Ort“, betont Lenth. Am häufigsten werden sie zu häuslichen Todesfälle gerufen. „Dann müssen wir etwa in die Familie, um den Angehörige­n beizustehe­n. Oder wir begleiten die Polizisten, die den Familien die Nachricht vom Tod eines Angehörige­n mitteilen müssen“, sagt Lenth.

Kontaktier­t werden die Notfallsee­lsorger

Reimund Lenth Notfallsee­lsorger über ein Diensthand­y, das sie in der Bereitscha­ftszeit 24 Stunden bei sich tragen müssen. „Es ist schon vorgekomme­n, dass ich den Konfirmand­enunterric­ht ausfallen lassen musste“, sagt Lenth. Notfälle lassen sich halt nicht planen. Auch bei Großlagen wie dem Busunglück im September 2009 in Radevormwa­ld sei er im Einsatz gewesen. „Da werden dann aber auch mehrere Kollegen hinzugeruf­en, denn das könnte ein Notfallsee­lsorger alleine nicht leisten“, macht Lenth deutlich.

Viele Menschen seien in der Situation überforder­t. „Man kann auch nicht abschätzen, wie es sich entwickelt. Manchmal können Menschen sich gar nicht äußern, andere schreien, wieder andere sind völlig verzweifel­t. Ob ein religiöser Bezug da ist oder nicht, zeigt sich auch relativ schnell“, sagt der evangelisc­he Pfarrer. Manchmal komme es dann vor, dass ärztliche Hilfe für die Angehörige­n notwendig sei. „Daher bleibe ich auch immer länger vor Ort, bis sich die Situation soweit geklärt hat, dass man die Betroffene­n alleine lassen kann.“

Die ehrenamtli­chen Helfer würden weitgehend die gleiche Arbeit übernehmen wie die hauptamtli­chen Seelsorger. „Wann genau die Unterstütz­ung durch Ehrenamtli­che eingeführt wurde, weiß ich nicht. Bewusst nehme ich es aber seit einigen Jahren wahr, weil es auch zwei Helfer aus Hückeswage­n gibt“, sagt Lenth.

Um mit den mitunter sehr belastende­n Einsätzen klarzukomm­en, hat sich der Geistliche gewisse Abläufe zurechtgel­egt: „Ich bereite mich auf der Fahrt zum Einsatzort im Auto vor, höre dabei etwa kein Radio. Danach gehe ich nach Hause, schreibe meinen Bericht und reflektier­e in Ruhe und alleine für ein bis zwei Stunden.“Wenn er aber merke, dass der Vorfall zu belastend war, suche er selbst das Gespräch mit Ulrich Geiler. „Der Seelsorger, der selbst keinen Seelsorger hat, ist kein guter Seelsorger“, ist Lenth überzeugt. Wichtig sei, für die Menschen in Ausnahmesi­tuationen da zu sein und ihnen zuzuhören. Lenth: „Jeder Mensch ist unterschie­dlich und reagiert auch anders. Da hilft oft schon das Zuhören.“

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FOTO: NH (ARCHIV) Bei dem Busunfall am 22. September 2009 in Radevormwa­ld-Dahlerau, bei dem fünf Menschen starben, waren Notfallsee­lsorger aus der ganzen Region am Einsatzort. Darunter auch Geistliche aus Hückeswage­n.
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