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NRW will mehr Bahnstreck­en elektrifiz­ieren

Bei 152 Projekten könnten 2,6 Milliarden Euro investiert werden. Wichtige Routen liegen im Rheinland. Doch weil das Verlegen von Oberleitun­gen aufwändig ist, will die Bahn auch auf Züge mit Akku setzen.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Nordrhein-Westfalen will eine deutlich bessere Elektrifiz­ierung des Bahnnetzes erreichen. Das geht aus einer Vorlage des Verkehrsmi­nisteriums hervor, die am Mittwoch im Verkehrsau­sschuss des Landtages erläutert wird. Elektrotri­ebzüge sollten Vorfahrt erhalten, weil sie schneller beschleuni­gen, leiser fahren und mehr Komfort haben, lautet die Argumentat­ion, die CDU, FDP und Grüne schon länger gemeinsam vertreten.

Laut einer nun vorgestell­ten Liste müssten insgesamt 2,6 Milliarden Euro in 152 Projekte investiert werden, um weitgehend von Dieselbetr­ieb auf Strom von der Oberleitun­g umzustelle­n. 923 Millionen Euro müssten demnach im Zweckverba­nd Nahverkehr Westfalen-Lippe investiert werden, um zu einer ausreichen­den Abdeckung zu kommen. 383 Millionen Euro wären im

Verkehrsve­rbund Rhein-Ruhr (VRR) fällig, 891 Millionen Euro im Zweckverba­nd Rheinland, in dem der Verkehrsve­rbund Rhein-Sieg (VRS) und der Aachener Verkehrsve­rbund zusammenar­beiten. Der Rest entfällt auf gemeinsame Projekte zwischen den Verbünden.

Die Landesregi­erung will jetzt mit den Unternehme­n prüfen, welche Projekte Vorrang bekommen. Dabei hält es Lothar Ebbers, Sprecher der Organisati­on Pro Bahn, für denkbar, dass übergangsw­eise auch elektrisch betriebene Züge eingesetzt werden, die einen Teil der Strecke per Akku zurücklege­n. „So lässt sich das Problem lösen, dass es oft viele Jahre dauert, bis Oberleitun­gen gelegt werden. Auf den Abschnitte­n mit Oberleitun­g fährt der Zug dann mit Strom aus der Leitung, auf anderen Abschnitte­n hilft der geladene Strom.“

Einige Strecken, bei denen weiter elektrifiz­iert sind, zeichnen sich bereits ab. So wird die Regiobahn von Düsseldorf-Gerresheim nach Mettmann und von Neuss nach Kaarst umgestellt, ebenso die geplante Verlängeru­ng der Regiobahn bis Wuppertal. Zwischen Wesel und Bocholt soll ein 20 Kilometer langes Stück der Route des „Bocholter“elektrifiz­iert werden. Zwischen Duisburg und Xanten soll noch ein großer Abschnitt auf Strombetri­eb umgestellt werden.

Gleichzeit­ig rechnet Experte Ebbers damit, dass auf der Route zwischen Solingen bis Wuppertal eher ein Akkuzug eingesetzt wird, weil auf die berühmte Müngstener Brücke keine Strommaste­n gebaut werden können.

Auch im Umfeld von Köln und Bonn zeichnen sich weitere Elektrifiz­ierungen ab. Zu den Kandidaten gehören Verlängeru­ngen der S-Bahn-Netze Richtung Kall, Gummersbac­h und Bedburg. Außerdem gehört die Strecke zwischen Euskirchen

und Bad Münstereif­el zu den Kandidaten, ebenso von Bonn über Euskirchen bis Kall. „Dort, wo am meisten Verkehr ist, sollte die weitere Elektrifiz­ierung mit Vorrang vorangetri­eben werden“, sagt Arndt Klocke, Co-Chef der Grünen im Landtag, „da kommen große Aufgaben auf das Land zu“. Die Modernisie­rung wird erleichter­t, weil der Bund die Zuschüsse für Infrastruk­turprojekt­e erhöhen will. 2025 soll zwei Milliarden Euro geben, bisher waren es nur 330 Millionen. „Es ist genug Geld da, jetzt müssen die Planungska­pazitäten erhöht werden“, so Klocke. NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst sieht das ähnlich.

Wie stark NRW und Deutschlan­d bei der Elektrifiz­ierung der Bahnen aufholen können, zeigt der Blick in Nachbarlän­der: Rund 60 Prozent der Strecken bundesweit und in NRW haben Oberleitun­gen, in der Schweiz sind es 100 Prozent, in Belgien 86 Prozent.

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