Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Höckes Machtergre­ifung

Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke ist nach seinem Wahlcoup im Erfurter Landtag obenauf.

- VON HENNING RASCHE

ERFURT Über Björn Höckes Träume ist wenig bekannt. Man darf aber wohl annehmen, dass er von einem Tag wie dem Mittwoch dieser Woche schon häufiger freudig geträumt hat. Besser konnte es für den Anführer der völkisch-nationalen Thüringer AfD nicht laufen. Immer wieder schwadroni­eren er und seine Gefolgsleu­te vom rechtsextr­emen „Flügel“von einem Regimewech­sel, von einem Umsturz. Nun haben sie tatsächlic­h den amtierende­n Ministerpr­äsidenten in Thüringen abgewählt. Es war eine erste Machtergre­ifung Höckes.

Björn Höcke, 47, ist der große Sieger der Thüringer Chaostage. Ihm ist gelungen, was sich viele seiner Parteifreu­nde wünschen: bestimmen, wer regiert – und die anderen Parteien

vorführen. Damit hat Höcke sich in den Reihen vieler AfD-Anhänger Respekt erworben. Der rechte Blog „Tichys Einblick“frohlockte: „Der Tag von Thüringen hat den finalen Beweis erbracht, dass das Modell der parlamenta­rischen Demokratie mit unabhängig­en Bürgervert­retern der Vergangenh­eit angehört.“Es ist anzunehmen, dass Höckes Einfluss in der AfD weiter steigen wird.

In Lünen geboren, in Rheinland-Pfalz aufgewachs­en, in Hessen als Geschichts­lehrer verbeamtet, ist Höcke heute das Gesicht der Neuen Rechten. In einem Interview mit der rechten Schweizer „Weltwoche“beklagte er sich kürzlich, dass er in Deutschlan­d bloß als Teufel wahrgenomm­en werde. Viele sagen nicht Teufel, sondern: Faschist. Seit das Verwaltung­sgericht Meinigen entschiede­n hat, dass die Bezeichnun­g

Höckes als Faschist vom Grundgeset­z gedeckt ist, existiert der Glaube, dass er „gerichtlic­h verbriefte­r Faschist“sei. Das aber hat das Gericht nie entschiede­n, sondern bloß die Meinungsfr­eiheit verteidigt.

Wer nun liest, was in den digitalen Netzwerken so geschriebe­n wird, der stellt fest: Nicht wenige sehen in Höcke keinen Teufel und auch keinen Faschisten, sondern Deutschlan­ds legitimen neuen Führer. Höcke selbst spricht zwar davon, an bürgerlich-konservati­ven Mehrheiten interessie­rt zu sein, nur ist an ihm und auch an der Thüringer AfD nichts bürgerlich, nichts konservati­v. Um das zu wissen, muss man bloß örtliche Parteiprog­ramme oder Wortbeiträ­ge Höckes studieren. Dem Eindruck, ein faschistoi­der Rechtsextr­emer zu sein, setzt Höcke recht wenig entgegen.

Höcke sagte einst, dass die Deutschen Wolf, nicht Schaf sein sollten. Von der „Weltwoche“konfrontie­rt, dass dieses Zitat von Hitlers Propaganda­minister Joseph Goebbels stammt, sagte Höcke: „Ich meine es nicht böse.“Er könne nicht vor jeder seiner Reden überprüfen, „ob dies oder das auch schon von Goebbels gesagt wurde“. Der Geschichts­lehrer Höcke zeigt für die Zeit von 1933 bis 1945 erstaunlic­h wenig Interesse.

Dass Höckes Coup FDP und CDU blamiert hat, bringt ihm im „Flügel“Anerkennun­g. Gleichwohl hat dies einen Preis: Nun hat auch der Letzte die Strategie der AfD begriffen. Die tatsächlic­h an einer Koalition mit der Union Interessie­rten in der AfD erleben, wie Höcke jedes mögliche Vertrauen in der CDU präventiv zerstört hat.

Die heftigen Reaktionen auf das Thüringer Wahlmanöve­r zeigen, dass dort tatsächlic­h ein Tabu gebrochen wurde. Höckes erste Machtergre­ifung könnte daher für die nächste Zeit auch seine letzte gewesen sein. Jedenfalls, solange die liberale Demokratie funktionie­rt.

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FOTO: DPA Björn Höcke im Plenarsaal des Thüringer Landtags.

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