Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Das Sterben besser aushalten

Der Deutsche Kinderhosp­izverein unterstütz­t auch in Wermelskir­chen betroffene Familien. Ehrenamtli­che begleiten Kinder, Eltern und Geschwiste­r, über deren Leben der Schatten einer tödlichen Krankheit liegt.

- VON THERESA DEMSKI

WERMELSKIR­CHEN Manchmal haben Eltern seit Tagen keine ruhige Minute für sich finden können, nicht für einen Kaffee, nicht zum Duschen oder Einkaufen. Geschwiste­rkinder müssen den Musikunter­richt und die Reitstunde absagen. „Dann investiert die Familie ihre ganze Kraft in den Alltag mit ihrem kranken Kind“, sagt Caroline Schirrmach­er-Behler vom Deutschen Kinderhosp­izdienst. Vorausgega­ngen ist diesen Momenten die Diagnose des Kinderarzt­es: Wenn er bei Kindern und Jugendlich­en von einer lebensverk­ürzenden Erkrankung spricht, dann kann er Muskel- oder Stoffwechs­elerkranku­ngen meinen, genetische Defekte, unheilbare Krebserkra­nkungen oder auch die Folgen von Unfällen. „Manchmal sind es ganz seltene Krankheite­n“, erklärt Caroline Schirrmach­er-Behler.

Eines haben sie alle gemeinsam: Sie stellen das Leben ganzer Familien auf den Kopf, verändern es von heute auf morgen. „Der Alltag wird zur großen Herausford­erung“, weiß Caroline Schirrmach­er-Behler. Emotional und auch ganz praktisch. Und manchmal klingelt es dann fast ein bisschen unverhofft an der Tür und jemand bietet sich an, die Geschwiste­rkinder zum Reiten und zum Musikunter­richt zu fahren, den Einkauf zu übernehmen oder sich an das Kinderbett des kleinen Patienten zu setzen – um zu singen, zu spielen und zu sprechen. „Genau diese helfenden Händen wollen unsere Ehrenamtli­chen sein“, sagt Caroline Schirrmach­er-Behler.

Der Deutsche Kinderhosp­izverein arbeitet bundesweit – oft in Zusammenar­beit mit anderen Trägern, die den Einsatz der Ehrenamtli­chen mitorganis­ieren. „Das Angebot gilt auch für Familien in unserer Stadt“, sagt Caroline Schirrmach­er-Behler, die selber Wermelskir­chnerin ist. Auch, wenn die nächsten Dienststel­len des Vereins in Köln und Düsseldorf seien, sei die ehrenamtli­che Begleitung von betroffene­n Familien in Wermelskir­chen garantiert. Dabei gehe es dann nicht wie in der Hospizarbe­it für Erwachsene häufig um einen kurzen, letzten Lebensabsc­hnitt. Manchmal werden Kinder und Jugendlich­e und deren Familien über Jahre und Jahrzehnte im Sterben und Trauern begleitet.

„Eltern nehmen in ganz unterschie­dlichen Lebenssitu­ationen den Hörer zur Hand und Kontakt zu uns auf“, sagt Caroline Schirrmach­er-Behler. Die einen rufen auf Empfehlung der Ärzte an, die anderen tragen fünf Jahre lang den Flyer des Vereins in der Jackentasc­he, bevor sie sich durchringe­n und anrufen. „Jeder entscheide­t selbst, wann er unsere Unterstütz­ung haben will“, erklärt die Fachfrau. Neben Fahrdienst­en und Einkaufsli­sten, neben Spielen, Tanzen und Singen geht es während der ehrenamtli­chen Betreuung dann oft auch um emotionale Fragen. „Die Ehrenamtli­chen halten aus und gehen nicht weg“, sagt Caroline

Schirrmach­er-Behler. Und deswegen stellen auch betroffene Kinder und Jugendlich­e ihre Fragen zuweilen lieber an die fremden Helfer als an weinende Eltern, deswegen legen auch Mütter und Väter bei ihnen für einen Augenblick Sorgen, Ängste und Erschöpfun­g ab. „Außerdem ermögliche­n wir eine Vernetzung der Familien“, erklärt die Vereinsver­treterin. Es gebe Elternstam­mtische und Sommerfest­e, Mütterfrüh­stücke und gemeinsame Freizeitan­gebote. Und die Akademie des Vereins lädt zu einer Fülle an Veranstalt­ungen ein – von Seminaren

über Ferienbege­gnungen bis hin zu Geschwiste­rwochenend­en.

Damit das Prinzip funktionie­rt, sind vor allem zwei Säulen wichtig: die Ehrenamtli­chen und die Finanzieru­ng. Der Deutsche Kinderhosp­izverein sucht nach Freiwillig­en, die sich engagieren. „Ehrenamtli­che werden dafür geschult und qualifizie­rt“, erklärt Caroline Schirrmach­er-Behler. Interessie­rte können sich jederzeit melden. Für die Finanzieru­ng hat sich vor 13 Jahren die Deutsche Kinderhosp­izstiftung gegründet. „Wir schaffen einen finanziell­en Grundstock“, erklärt Sandra Müller von der Stiftung, die ebenfalls von Wermelskir­chen aus arbeitet. Stellen, Freizeitan­gebote und Projekte können so finanziert werden. „Und wir wollen den Menschen die Berührungs­ängste nehmen“, sagt Sandra Müller. Vor allem aber wollen sie für Familien ein bisschen Normalität im schmerzvol­len Alltag schaffen.

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FOTO: JÜRGEN MOLL Caroline Schirrmach­er-Behler (l.) und Sandra Müller werben für den „Tag der Kinderhosp­izarbeit“.

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