Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Spagat zwischen Familie und Amt
Jürgen Hardt sitzt seit mehr als zehn Jahren im Bundestag. In seiner Funktion als Außenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion ist der 56-Jährige ständig auf internationaler und nationaler Ebene im Austausch. Ein Besuch in Berlin.
BERLIN/REMSCHEID/SOLINGEN Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt fehlte jüngst beim Grünkohlessen des Technischen Hilfswerks in Solingen. Er sagte ab – zugunsten eines Abends mit Frau und Tochter. Es gab an diesem Tag Halbjahreszeugnisse.
„Das ist immer eine bittere Entscheidung“: Nehme er Termine im Wahlkreis wahr? Oder habe die Familie Vorrang? Die sehe er in den Sitzungswochen des Deutschen Bundestags oft 14 Tage lang nicht. „Aber ich habe kein schlechtes Gewissen, bin oft genug im Wahlkreis“, der sich auf Remscheid, Solingen und Teile
„Ich habe lange darauf gesetzt, dass die Vernunft siegt und es nicht zum Brexit kommt“
Jürgen Hardt CDU-Bundestagsabgeordneter
Wuppertals erstreckt.
Dieser Tag beginnt in Berlin für ihn um neun Uhr. Hardt spricht im Bundestag zur deutschen Kulturpolitik im Ausland. Dann ist seine Meinung zum Brexit gefragt. Das macht ihn offensichtlich traurig: „Ich habe lange darauf gesetzt, dass die Vernunft siegt und es nicht zum Brexit kommt.“Die nachfolgenden Generationen der Briten würden die Entscheidung noch bedauern. Die anstehenden Verhandlungen zwischen den Briten und der EU „werden hart“.
Beim Besuch des Bundestagsabgeordneten in Berlin schreitet dieser am Dienstag voriger Woche gegen 17 Uhr aus dem Fraktionssaal der CDU im Reichstag. Der 56-Jährige steht noch ganz unter dem Eindruck seiner Reise ins irakisch-kurdische Erbil. Vom einfachen Abgeordneten ist Hardt zum außenpolitischen Sprecher der Fraktion aufgestiegen und besuchte in dieser Eigenschaft die Soldaten der Bundeswehr.
Es sei gut, dass die irakische Regierung der Fortsetzung der Ausbildung kurdischer Kämpfer gegen den Islamischen Staat (IS) zugestimmt
habe. Ein Termin mit Angehörigen von getöteten israelischen Soldaten steht an. Doch der platzt. Sie hängen beim israelischen Präsidenten Reuven Rivlin fest. Hardt bittet daher zum Gang in sein Büro. Das passiert unterirdisch. Der Reichstag, das Paul-Löbe-Haus und das Jakob-Kaiser-Haus sind durch Tunnel verbunden.
Tageslicht. Rechts liegt das Hotel Adlon, links geht es ins ehemalige preußische Erziehungsministerium. Zu DDR-Zeiten habe dort Margot Honecker geherrscht, erklärt er. Heute sind dort Büros. Hardt sitzt im selben, in dem früher Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gesessen hat. Dort arbeiten jetzt seine fünf Teilzeitkräfte. Dazu kann er auf wissenschaftliche Referenten der Fraktion zurückgreifen.
Das Handy klingelt. Einer der Referenten fordert eine Stellungnahme zum neuen Vorschlag für eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina von US-Präsident Trump ein. Er formuliert das fast druckreif. Der Vorschlag sei ein Wahlkampfmanöver von Trump und auch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der innenpolitisch unter Druck stehe. Im Gespräch erklärt er, dass jeder unvernünftige Vorschlag die Palästinenser, aber auch die Israelis zunehmend spalte. Doch den Stein der Waisen zur Lösung des Nahost-Konflikts hat er auch nicht in der Jacke. Da steckt das Handy. Es klingelt wieder. Die Ehefrau erzählt von einer guten Note der 13-jährigen Tochter.
Am nächsten Tag feiert das Solinger Zentrum für verfolgte Künste die Eröffnung einer Ausstellung im Bundestag zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 75 Jahren. Das Zentrum sei „ein nationales Thema“, sagt Hardt. Deshalb wolle er ihm auf Bundesebene helfen, wo das möglich sei.
Um 8 Uhr Interview mit Bagdad-TV. Um 9.30 Uhr ist im PaulLöbe-Haus die Ausstellungseröffnung. Hardt teilt der Presse mit, dass es „beschämend für unser Land“sei, „dass jüdische Einrichtungen wieder Polizeischutz brauchen“. Zugleich dankt er dem Zentrum für verfolgte Künste, mit dieser Ausstellung in Berlin präsent zu sein. Dann findet im Reichstag die Gedenkfeier der Opfer des Nationalsozialismus statt.
Um 15 Uhr ist Ausschuss. Eine Stunde später, trifft er die australische Botschafterin. Dazwischen und danach muss er netzwerken. Als außenpolitischer Sprecher sei er ständig mit Vertretern der NATO, der UNO, der OECD, den Bundestagsfraktionen und Ministerien im Austausch. Am liebsten persönlich, oft mit dem Handy.