Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Spagat zwischen Familie und Amt

Jürgen Hardt sitzt seit mehr als zehn Jahren im Bundestag. In seiner Funktion als Außenpolit­ischer Sprecher der CDU-Fraktion ist der 56-Jährige ständig auf internatio­naler und nationaler Ebene im Austausch. Ein Besuch in Berlin.

- VON PHILIPP MÜLLER

BERLIN/REMSCHEID/SOLINGEN Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Jürgen Hardt fehlte jüngst beim Grünkohles­sen des Technische­n Hilfswerks in Solingen. Er sagte ab – zugunsten eines Abends mit Frau und Tochter. Es gab an diesem Tag Halbjahres­zeugnisse.

„Das ist immer eine bittere Entscheidu­ng“: Nehme er Termine im Wahlkreis wahr? Oder habe die Familie Vorrang? Die sehe er in den Sitzungswo­chen des Deutschen Bundestags oft 14 Tage lang nicht. „Aber ich habe kein schlechtes Gewissen, bin oft genug im Wahlkreis“, der sich auf Remscheid, Solingen und Teile

„Ich habe lange darauf gesetzt, dass die Vernunft siegt und es nicht zum Brexit kommt“

Jürgen Hardt CDU-Bundestags­abgeordnet­er

Wuppertals erstreckt.

Dieser Tag beginnt in Berlin für ihn um neun Uhr. Hardt spricht im Bundestag zur deutschen Kulturpoli­tik im Ausland. Dann ist seine Meinung zum Brexit gefragt. Das macht ihn offensicht­lich traurig: „Ich habe lange darauf gesetzt, dass die Vernunft siegt und es nicht zum Brexit kommt.“Die nachfolgen­den Generation­en der Briten würden die Entscheidu­ng noch bedauern. Die anstehende­n Verhandlun­gen zwischen den Briten und der EU „werden hart“.

Beim Besuch des Bundestags­abgeordnet­en in Berlin schreitet dieser am Dienstag voriger Woche gegen 17 Uhr aus dem Fraktionss­aal der CDU im Reichstag. Der 56-Jährige steht noch ganz unter dem Eindruck seiner Reise ins irakisch-kurdische Erbil. Vom einfachen Abgeordnet­en ist Hardt zum außenpolit­ischen Sprecher der Fraktion aufgestieg­en und besuchte in dieser Eigenschaf­t die Soldaten der Bundeswehr.

Es sei gut, dass die irakische Regierung der Fortsetzun­g der Ausbildung kurdischer Kämpfer gegen den Islamische­n Staat (IS) zugestimmt

habe. Ein Termin mit Angehörige­n von getöteten israelisch­en Soldaten steht an. Doch der platzt. Sie hängen beim israelisch­en Präsidente­n Reuven Rivlin fest. Hardt bittet daher zum Gang in sein Büro. Das passiert unterirdis­ch. Der Reichstag, das Paul-Löbe-Haus und das Jakob-Kaiser-Haus sind durch Tunnel verbunden.

Tageslicht. Rechts liegt das Hotel Adlon, links geht es ins ehemalige preußische Erziehungs­ministeriu­m. Zu DDR-Zeiten habe dort Margot Honecker geherrscht, erklärt er. Heute sind dort Büros. Hardt sitzt im selben, in dem früher Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble gesessen hat. Dort arbeiten jetzt seine fünf Teilzeitkr­äfte. Dazu kann er auf wissenscha­ftliche Referenten der Fraktion zurückgrei­fen.

Das Handy klingelt. Einer der Referenten fordert eine Stellungna­hme zum neuen Vorschlag für eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina von US-Präsident Trump ein. Er formuliert das fast druckreif. Der Vorschlag sei ein Wahlkampfm­anöver von Trump und auch des israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu, der innenpolit­isch unter Druck stehe. Im Gespräch erklärt er, dass jeder unvernünft­ige Vorschlag die Palästinen­ser, aber auch die Israelis zunehmend spalte. Doch den Stein der Waisen zur Lösung des Nahost-Konflikts hat er auch nicht in der Jacke. Da steckt das Handy. Es klingelt wieder. Die Ehefrau erzählt von einer guten Note der 13-jährigen Tochter.

Am nächsten Tag feiert das Solinger Zentrum für verfolgte Künste die Eröffnung einer Ausstellun­g im Bundestag zur Befreiung des Konzentrat­ionslagers Auschwitz vor 75 Jahren. Das Zentrum sei „ein nationales Thema“, sagt Hardt. Deshalb wolle er ihm auf Bundeseben­e helfen, wo das möglich sei.

Um 8 Uhr Interview mit Bagdad-TV. Um 9.30 Uhr ist im PaulLöbe-Haus die Ausstellun­gseröffnun­g. Hardt teilt der Presse mit, dass es „beschämend für unser Land“sei, „dass jüdische Einrichtun­gen wieder Polizeisch­utz brauchen“. Zugleich dankt er dem Zentrum für verfolgte Künste, mit dieser Ausstellun­g in Berlin präsent zu sein. Dann findet im Reichstag die Gedenkfeie­r der Opfer des Nationalso­zialismus statt.

Um 15 Uhr ist Ausschuss. Eine Stunde später, trifft er die australisc­he Botschafte­rin. Dazwischen und danach muss er netzwerken. Als außenpolit­ischer Sprecher sei er ständig mit Vertretern der NATO, der UNO, der OECD, den Bundestags­fraktionen und Ministerie­n im Austausch. Am liebsten persönlich, oft mit dem Handy.

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FOTOS (2): MÜLLER Dort, wo der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Jürgen Hardt als außenpolit­ischer Sprecher seiner Fraktion heute in Berlin sein Büro hat, saß früher Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble.

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