Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

So verwundbar ist das politische System

- VON BIRGIT MARSCHALL

Es hat nur ein einziges voraussehb­ares taktisches Manöver der AfD in Thüringen gebraucht, um die gesamte Parteienla­ndschaft in Deutschlan­d durcheinan­der zu wirbeln und zu verändern. Das macht Angst. Das politische System ist verwundbar­er, als wir anzunehmen bereit waren. Thüringen sollte wachrüttel­n. Wehret den Anfängen: in den Parlamente­n und an den Urnen. Es darf nicht wieder sein, dass sich naive Politiker demokratis­cher Parteien von der perfiden Destruktiv­ität der AfD überrumpel­n lassen – oder schlimmer: mit ihr gemeinsame Sache machen.

Die Bilanz nach dem politische­n Beben von Erfurt sieht so aus: CDU und FDP sind angeschlag­en, die übrigen Parteien eher gestärkt. Wobei sich noch herausstel­len muss, ob die AfD aus ihrem Coup auf Sicht Kapital schlagen kann. Gewinner sind die Grünen, die Linken – und die SPD, wenn es ihr gelingt, Thüringen als Initialzün­dung für ihren Wiederaufs­tieg zu nutzen. Die Wahl zur Hamburger Bürgerscha­ft am 23. Februar wird ein erstes Zeichen dafür sein, wie die Bürger auf die Thüringer Ereignisse reagieren.

Die Lage der FDP vor dieser Wahl ist jetzt dramatisch schlecht. Hatte sie zuvor in Hamburg gute Chancen auf den Wiedereinz­ug in die Bürgerscha­ft gehabt, muss sie nun befürchten, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Die Lage der Union ist nicht ganz so düster, aber ebenfalls bedrohlich. Gelingt es der CDU-Vorsitzend­en Kramp-Karrenbaue­r nicht, die Partei hinter sich zu bringen und die Spaltung zwischen Rechtskons­ervativen und Gemäßigten aufzuhalte­n, könnte die CDU ihre Rolle als einzige etablierte Volksparte­i verlieren. Das wäre dann eine Gefahr für die politische Stabilität. Die weitere Stärkung der Rechtsextr­emisten wünscht sich niemand, der die freiheitli­chen, demokratis­chen Werte schätzt und achtet.

BERICHT DIE TIEFEN GRÄBEN DER CDU, POLITIK

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