Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Demokraten müssen zusammenha­lten

Die NRW-Landesvors­itzenden der Grünen kritisiere­n den Vergleich von AfD und Linksparte­i. Die Gleichsetz­ung sei – allein aus der deutschen Geschichte heraus – brandgefäh­rlich.

- VON MONA NEUBAUR UND FELIX BANASZAK

Was einmal passiert ist, kann wieder passieren. Es ist nicht auszuschli­eßen, dass die thüringisc­he Landtagswa­hl nicht die letzte war, an deren Ende keine Mehrheit ohne Linke oder AfD zu Stande kommt. Das wird absehbar nicht in NRW der Fall sein und auch nicht im Bund. Aber 2021 wird in Sachsen-Anhalt und Mecklenbur­g-Vorpommern gewählt. Wollen CDU und FDP dort eine Wiederholu­ng des Desasters vermeiden, müssen sie bis dahin ihr Verhältnis zu AfD und Linken klären. Thüringen ist ein Weckruf – jetzt muss er von allen gehört werden.

Trotz Unvereinba­rkeitsbesc­hlüssen auf Bundeseben­e ließen

CDU und FDP in Thüringen dem Faschisten Höcke die Rolle des Königsmach­ers zufallen, um den linken Ministerpr­äsidenten Ramelow zu verhindern. Das ist verantwort­ungslos.

Das Problem mag im Osten besonders akut sein, der Schlüssel zur Lösung liegt aber keineswegs nur dort. Union und FDP im Gesamten, und besonders die einflussre­ichen NRW-Chefs Armin Laschet und Joachim Stamp sind in dieser Situation gefordert. Wehrhafte Demokraten wie die beiden müssen jetzt Verantwort­ung übernehmen.

CDU und FDP steht ein schmerzhaf­ter Prozess bevor. „Nicht mit dem rechten Rand, nicht mit dem linken“– keine Zusammenar­beit mit der AfD und keine mit der Linksparte­i: Diese simple Formel wird von diesen Parteien gebetsmühl­enartig beschworen und in Parteitags­beschlüsse gegossen. Diese Gleichsetz­ung fußt auf der „Hufeisen“-Theorie, nach der sich Rechte und Linke in ihren Extremen nahe seien. Diese Theorie ist falsch, diese Theorie ist gefährlich.

Die AfD vertritt eine Ideologie, die die Gleichheit der Menschen verneint. Für sie sind Menschen nicht gleich an Würde und Rechten. Dass das so ist, beweist die AfD in Worten und Taten.

Sie ist völkisch-nationalis­tisch, radikalisi­ert sich immer weiter. Ihre Vertreter lassen keinen Zweifel mehr daran, dass sie – einmal an der Macht – unseren demokratis­chen Rechtsstaa­t und unsere freiheitli­che Demokratie zersetzen und abwickeln wollen.

Wir sind weder Mitglieder noch Fans der Linksparte­i. Einige ihrer Programme und Protagonis­ten lehnen wir rundheraus ab. Aber weder in ihren Programmen noch in ihrem Handeln in Regierunge­n verfolgt die Linke Minderheit­en oder versucht, unsere pluralisti­sche, freiheitli­che Demokratie zu stürzen. Eine Gleichsetz­ung ist daher – allein aus der deutschen Geschichte heraus – brandgefäh­rlich.

Mit der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpr­äsidenten von Höckes Gnaden ist ganz konkret geworden, wohin diese Gleichsetz­ung führt. Mit dieser Haltung haben sich Union und FDP in eine Sackgasse manövriert. Und diese ist keine allein strategisc­he, sondern im Kern eine demokratis­che. Wer zwischen einem Bodo Ramelow und einem Björn Höcke nicht zu unterschei­den weiß, landet am Ende dort, wohin Kemmerich und CDU-Chef Mike Mohring das Land Thüringen und mit ihm die ganze Bundesrepu­blik geführt haben: in einen Zustand der Erschütter­ung der Demokratie, der schwer zu heilende Wunden hinterlass­en hat.

Der schleswig-holsteinis­che Ministerpr­äsident Daniel Günther hat mit der Aussicht auf komplizier­te Mehrheitsv­erhältniss­e – wie sie in Thüringen später eintraten – seiner CDU vor über einem Jahr empfohlen, diese rigorose Position der Gleichsetz­ung von links und rechts zu revidieren. Vor die Wahl gestellt, mit der rechtsextr­emen AfD oder mit der Linken zusammenzu­arbeiten, wenn es andere Mehrheiten nicht gibt, müsse die Union auch gegenüber der Linken handlungsf­ähig werden, um Schaden von der Demokratie abzuwenden. Diese Haltung ist die einzig vernünftig­e.

Um es auch klar zu sagen: Es geht nicht um eine Liebesbezi­ehung und es darf, ja muss sogar in einer pluralisti­schen Demokratie unterschie­dliche Haltungen zu Fragen von Sozialstaa­t und Marktwirts­chaft geben. Und: Es gibt in der Linken solche und solche. Es gibt Menschen wie Bodo Ramelow, von dem auch Konservati­ve hinter vorgehalte­ner Hand sagen, er sei eigentlich ein Sozialdemo­krat im besten Sinn des Wortes. Und es gibt Menschen und Strömungen innerhalb der Linken, deren Handeln hochproble­matisch ist – besonders im NRW-Landesverb­and, in dem zentrale Akteure in der Vergangenh­eit mit antisemiti­schen Aktionen auffielen. Man darf und soll solche schändlich­en Handlungen nicht relativier­en, und auch die Aufforderu­ng zur schonungsl­osen Aufarbeitu­ng der SED-Vergangenh­eit der Partei war notwendig und angemessen. Eine Gleichsetz­ung mit der Gauland-Höcke-Truppe hieße aber, deren anti-demokratis­che, anti-pluralisti­sche, rassistisc­he Agenda zu verharmlos­en.

Es ist gut und richtig, dass Armin Laschet und Joachim Stamp – anders als einzelne Parteifreu­nde in Landtagsfr­aktionen und Kreisverbä­nden – keinen Zweifel an ihrer tiefen Ablehnung gegenüber den Thüringer Vorgängen gelassen haben. Es beruhigt, zu wissen, dass der Ministerpr­äsident und sein Stellvertr­eter hier klar Stellung beziehen.

Beide sind Mitglieder der Führung ihrer Bundespart­eien. Deshalb geht es jetzt darum, dass sie und mit ihnen ihre Bundespart­eien die Lehren aus dem Dammbruch des 5. Februar ziehen. In der Not müssen Demokraten miteinande­r arbeiten können. Ohne eine Verständig­ung auf diesen Grundkonse­ns ist unsere Demokratie in Gefahr.

Die AfD vertritt eine Ideologie, die die Gleichheit der Menschen verneint

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FOTO: GRÜNE NRW Die Landesvors­itzenden der Grünen Felix Banaszak und Mona Neubaur.

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