Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Demokraten müssen zusammenhalten
Die NRW-Landesvorsitzenden der Grünen kritisieren den Vergleich von AfD und Linkspartei. Die Gleichsetzung sei – allein aus der deutschen Geschichte heraus – brandgefährlich.
Was einmal passiert ist, kann wieder passieren. Es ist nicht auszuschließen, dass die thüringische Landtagswahl nicht die letzte war, an deren Ende keine Mehrheit ohne Linke oder AfD zu Stande kommt. Das wird absehbar nicht in NRW der Fall sein und auch nicht im Bund. Aber 2021 wird in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Wollen CDU und FDP dort eine Wiederholung des Desasters vermeiden, müssen sie bis dahin ihr Verhältnis zu AfD und Linken klären. Thüringen ist ein Weckruf – jetzt muss er von allen gehört werden.
Trotz Unvereinbarkeitsbeschlüssen auf Bundesebene ließen
CDU und FDP in Thüringen dem Faschisten Höcke die Rolle des Königsmachers zufallen, um den linken Ministerpräsidenten Ramelow zu verhindern. Das ist verantwortungslos.
Das Problem mag im Osten besonders akut sein, der Schlüssel zur Lösung liegt aber keineswegs nur dort. Union und FDP im Gesamten, und besonders die einflussreichen NRW-Chefs Armin Laschet und Joachim Stamp sind in dieser Situation gefordert. Wehrhafte Demokraten wie die beiden müssen jetzt Verantwortung übernehmen.
CDU und FDP steht ein schmerzhafter Prozess bevor. „Nicht mit dem rechten Rand, nicht mit dem linken“– keine Zusammenarbeit mit der AfD und keine mit der Linkspartei: Diese simple Formel wird von diesen Parteien gebetsmühlenartig beschworen und in Parteitagsbeschlüsse gegossen. Diese Gleichsetzung fußt auf der „Hufeisen“-Theorie, nach der sich Rechte und Linke in ihren Extremen nahe seien. Diese Theorie ist falsch, diese Theorie ist gefährlich.
Die AfD vertritt eine Ideologie, die die Gleichheit der Menschen verneint. Für sie sind Menschen nicht gleich an Würde und Rechten. Dass das so ist, beweist die AfD in Worten und Taten.
Sie ist völkisch-nationalistisch, radikalisiert sich immer weiter. Ihre Vertreter lassen keinen Zweifel mehr daran, dass sie – einmal an der Macht – unseren demokratischen Rechtsstaat und unsere freiheitliche Demokratie zersetzen und abwickeln wollen.
Wir sind weder Mitglieder noch Fans der Linkspartei. Einige ihrer Programme und Protagonisten lehnen wir rundheraus ab. Aber weder in ihren Programmen noch in ihrem Handeln in Regierungen verfolgt die Linke Minderheiten oder versucht, unsere pluralistische, freiheitliche Demokratie zu stürzen. Eine Gleichsetzung ist daher – allein aus der deutschen Geschichte heraus – brandgefährlich.
Mit der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Höckes Gnaden ist ganz konkret geworden, wohin diese Gleichsetzung führt. Mit dieser Haltung haben sich Union und FDP in eine Sackgasse manövriert. Und diese ist keine allein strategische, sondern im Kern eine demokratische. Wer zwischen einem Bodo Ramelow und einem Björn Höcke nicht zu unterscheiden weiß, landet am Ende dort, wohin Kemmerich und CDU-Chef Mike Mohring das Land Thüringen und mit ihm die ganze Bundesrepublik geführt haben: in einen Zustand der Erschütterung der Demokratie, der schwer zu heilende Wunden hinterlassen hat.
Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther hat mit der Aussicht auf komplizierte Mehrheitsverhältnisse – wie sie in Thüringen später eintraten – seiner CDU vor über einem Jahr empfohlen, diese rigorose Position der Gleichsetzung von links und rechts zu revidieren. Vor die Wahl gestellt, mit der rechtsextremen AfD oder mit der Linken zusammenzuarbeiten, wenn es andere Mehrheiten nicht gibt, müsse die Union auch gegenüber der Linken handlungsfähig werden, um Schaden von der Demokratie abzuwenden. Diese Haltung ist die einzig vernünftige.
Um es auch klar zu sagen: Es geht nicht um eine Liebesbeziehung und es darf, ja muss sogar in einer pluralistischen Demokratie unterschiedliche Haltungen zu Fragen von Sozialstaat und Marktwirtschaft geben. Und: Es gibt in der Linken solche und solche. Es gibt Menschen wie Bodo Ramelow, von dem auch Konservative hinter vorgehaltener Hand sagen, er sei eigentlich ein Sozialdemokrat im besten Sinn des Wortes. Und es gibt Menschen und Strömungen innerhalb der Linken, deren Handeln hochproblematisch ist – besonders im NRW-Landesverband, in dem zentrale Akteure in der Vergangenheit mit antisemitischen Aktionen auffielen. Man darf und soll solche schändlichen Handlungen nicht relativieren, und auch die Aufforderung zur schonungslosen Aufarbeitung der SED-Vergangenheit der Partei war notwendig und angemessen. Eine Gleichsetzung mit der Gauland-Höcke-Truppe hieße aber, deren anti-demokratische, anti-pluralistische, rassistische Agenda zu verharmlosen.
Es ist gut und richtig, dass Armin Laschet und Joachim Stamp – anders als einzelne Parteifreunde in Landtagsfraktionen und Kreisverbänden – keinen Zweifel an ihrer tiefen Ablehnung gegenüber den Thüringer Vorgängen gelassen haben. Es beruhigt, zu wissen, dass der Ministerpräsident und sein Stellvertreter hier klar Stellung beziehen.
Beide sind Mitglieder der Führung ihrer Bundesparteien. Deshalb geht es jetzt darum, dass sie und mit ihnen ihre Bundesparteien die Lehren aus dem Dammbruch des 5. Februar ziehen. In der Not müssen Demokraten miteinander arbeiten können. Ohne eine Verständigung auf diesen Grundkonsens ist unsere Demokratie in Gefahr.
Die AfD vertritt eine Ideologie, die die Gleichheit der Menschen verneint