Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Am Dienstag in Düsseldorf war er noch knapp gescheiter­t, nun springt Armand Duplantis in Polen Weltrekord.

Ausgerechn­et in seiner Heimat Willingen gelingt Skispringe­r Stephan Leyhe der erste Weltcupsie­g seiner Karriere. 23.500 Fans feiern ihn.

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

WILLINGEN Stephan Leyhe steht im Flutlicht auf dem Siegerpode­st im Auslauf der Mühlenkopf­schanze in Willingen, ganz alleine. Nationalhy­mne und Jubelgesän­ge sind bereits verstummt. Dieser Moment gehört nur ihm. Zum ersten Mal steht der 28-Jährige in seiner Karriere bei einem Einzelspri­ngen im Weltcup ganz oben auf dem Podest. Zum ersten Mal in 25 Jahren Weltcup-Geschichte in Willingen gewinnt ein Willinger das Skispringe­n. Das Waldecker-Lied erklingt für Leyhe, die Hymne der Region.

In einem hochklassi­gen Wettkampf hatte sich Leyhe nach zwei Sprüngen gegen den Norweger Marius Lindvik und Kamil Stoch aus Polen durchgeset­zt. Dabei waren die Vorzeichen für den Skisprung-Weltcup im hessischen Willingen alles andere als gut. Bei Sturm lässt es sich nicht unbedingt problemlos von der größten Skisprungs­chanze der Welt, auf der Weiten von 150 Metern möglich sind, springen. Am Ende wurde es zumindest am Samstag doch eine Flugshow und riesige Siegespart­y für Lokalmatad­or Leyhe.

In einem engen Wettkampf, in dem im zweiten Durchgang eine Bestweite nach der anderen gesprungen wurde, behielt der 28-Jährige vor 23.500 Zuschauern die Nerven und sprang 144,5 Meter. Die Stimmung im ausverkauf­ten Skistadion

kochte. Zum ersten Mal nach 25 Jahren Weltcup in Willingen war für „einen von ihnen“der Sieg greifbar nahe. Und die deutschen Fans durften auch nach dem letzten Springer des Tages jubeln. Stoch fiel noch auf Rang drei hinter Leyhe und Lindvik zurück. Die Siegespart­y im Sauerland war perfekt. Leyhes Teamkolleg­en fielen ihm in die Arme. Die Fans sangen „Oh, wie ist das schön.“

Leyhe selbst wirkte bei der Siegerehru­ng entspannt und ergriffen zugleich. Bei der Nationalhy­mne standen vielen der freiwillig­en Helfer und Organisato­ren die Tränen in den Augen. „Ich war hier noch nie so relaxed wie heute“, sagte Leyhe. „Ich wusste einfach, dass ich in Topform bin und habe jeden Moment hier genossen.“Das war ihm schon den ganzen Wettkampf über anzumerken. Der sonst eher zurückhalt­ende Leyhe klatschte nach jedem Sprung mit den Fans ab. Nach dem ersten Durchgang erwiderte er die Welle der Fans.

Am Ende feierte er ausgelasse­n mit ihnen und seinen Teamkolleg­en im Auslauf und ließ sich für den Sieg und die Führung in der Willingen-Five-Wertung feiern. Bei der gehen der Qualifikat­ions-Sprung sowie die jeweils zwei Durchgänge der beiden Einzelspri­ngen am Samstag und Sonntag in die Wertung ein. Der Springer, der nach den fünf Sprüngen vorne liegt, bekommt zusätzlich zu den Weltcuppun­kten 25.000 Euro Preisgeld für den Willingen-Five-Sieg.

In diesem Jahr reichten dafür sogar nur drei Sprünge. Denn die Veranstalt­er kamen Leyhes nicht ganz ernst gemeinter Bitte nach und sagten noch am Samstagabe­nd den für Sonntag geplanten Weltcup wegen des angekündig­ten Orkans ab. „Wenn der zweite Weltcup schon nicht stattfinde­n kann, sollten sie ihn wenigstens schon heute absagen, dann können wir feiern“, hatte Leyhe gesagt. Das Wichtigste sei ohnehin die Sicherheit der Zuschauer, so der Deutsche. „Aber wenn man in so guter Form ist wie ich gerade, will man immer springen“, sagte Leyhe. Daraus wurde nichts, dafür durfte er am Samstagabe­nd noch einmal jubeln und sich über die Siegprämie für den Willingen-Five-Titel freuen.

Am Samstag ließen sich die Zehntausen­den Zuschauer von der schon da schlechten Windprogno­se nicht abschrecke­n. Auch viele Fans aus Nordrhein-Westfalen hatten den Weg ins nahegelege­ne Sauerland auf sich genommen. Immerhin galten mit Leyhe und Karl Geiger gleich zwei Deutsche als Mitfavorit­en auf den Sieg. Leyhe landete beim vergangene­n Weltcup in Sapporo auf Rang zwei und reiste in Topform in seine Heimat Willingen. Die stellte er dann auch direkt unter Beweis. Schon nach der Qualifikat­ion streifte er sich das rote Trikot für den Führenden in der Willingen-Five-Wertung über. Training und Qualifikat­ion waren am Freitag wegen des Windes ausgefalle­n und am Samstag nachgeholt worden.

Es war also alles vorbereite­t für eine Skisprung-Party in Willingen. Der erste Durchgang begann dann auch direkt mit einem Paukenschl­ag. Der erste Springer des Feldes, Ziga Jelar aus Slowenien, sprang 135 Meter und lag damit lange in Führung. Dann war Leyhe an der Reihe. Der Sauerlände­r wurde von den Fans regelrecht die Schanze hinunter gebrüllt: 139,5 Meter. Bestweite vorerst und die Führung. Das Stadion tobte, nochmal als der Norweger Lindvik zwar einen halben Meter weiter sprang, aber nach Punkten doch nur Zweiter war. Dann durften die polnischen Fans zeigen, was in ihnen steckt. Ähnlich lautstark wie zuvor Leyhe wurde Olympiasie­ger Stoch angefeuert. Auch ihm verhalf das zu 139,5 Metern – und 0,8 Punkten mehr als Leyhe. Der Gesamtführ­ende im Weltcup, Stefan Kraft aus Österreich, und Geiger reihten sich noch auf Platz vier und sechs unter den Topplatzie­rten ein. Der zweite Durchgang sollte ein Kopf-an-KopfRennen werden.

Bei weiterhin fairen und guten Bedingunge­n gingen die Flüge im Finale weit hinunter. Der Schanzenre­kord von 152 Metern kam aber nie in Gefahr. Auch nicht, als sich die Top Ten eine wahre Flugshow lieferten und die Führung ständig wechselte. Den Höhepunkt des stimmungsv­ollen Springens bildete der Sprung von Leyhe. „Der Sieg in Willingen hat für mich einen sehr, sehr hohen Stellenwer­t. Jetzt kann alles kommen, mental bin ich vorbereite­t“, sagte er. Das gute deutsche Teamergebn­is rundete Geiger als Fünfter ab. Constantin Schmid wurde 21., Puis Paschke 24. und Markus Eisenbichl­er landete auf Rang 26. Richard Freitag war im ersten Durchgang ausgeschie­den.

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FOTO: SWEN PFÖRTNER/DPA Riesige Freude in Willingen: Stephan Leyhe jubelt nach seinem Weltcup-Sieg im Sauerland und lässt sich von Fans und Famlie feiern.

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