Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Dauerwerbesendung für die Bundesliga
Bayer Leverkusens 4:3 gegen Borussia Dortmund ist das bislang unterhaltsamste Spiel der Saison. Beide Teams begeistern mit offensivem Fußball.
LEVERKUSEN Jonathan Tah kannte nach dem Schlusspfiff nur noch ein Ziel: die Kabine. Ein TV-Interview beendete der Nationalspieler eilig mit den Worten, dass er es kaum abwarten könne, mit seinen Teamkollegen zu feiern. Gesagt, getan. Nach Leverkusens 4:3 (2:2)-Sieg gegen Dortmund war die Stimmung in der Umkleide trotz geschlossener Türen akustisch deutlich wahrnehmbar gelöst. „Es war ein traumhafter Abend für uns“, sagte Bayers Sportchef Rudi Völler. „So ein Spiel haben wir gebraucht. Es war einfach toll – auch für die Zuschauer.“
Genau genommen glich die Partie am Samstagabend einer gut 90-minütigen Dauerwerbesendung für die Bundesliga. Bis dahin verlief der 21. Spieltag eher zäh. Es gab zwar einige überraschende Ergebnisse, aber für Fußballästheten war nichts dabei. Dann pfiff Schiedsrichter Markus Schmidt das Topspiel im Flutlicht der BayArena an – und das Spektakel nahm seinen Lauf.
Kevin Volland brachte die Gastgeber nach einem sehenswerten Schnittstellenpass von Nadiem Amiri in Führung (20.), Mats Hummels köpfte den BVB nach einer Ecke in formvollendeter Perfektion
zum Ausgleich (22.), und Dortmunds Emre Can ließ ein mögliches Tor des Monats aus über 30 Metern ins rechte obere Eck folgen (33.), ehe Volland den Rückstand erneut egalisierte (43.). Die ersten 45 Minuten waren Fußball auf höchstem Niveau – und auch nach dem Seitenwechsel ging es einfach weiter, immer weiter. Raphael Guerreiro brachte Schwarz-Gelb wieder in Front (65.), doch der eingewechselte Leon Bailey per Abstauber (81.) sowie Kapitän Lars Bender mit einem Kopfballtreffer des puren Willens (82.) drehten die Partie erneut.
Der Siegtorschütze hatte Mitte der zweiten Halbzeit einen Schlag aufs Knie abgekommen und sollte ausgewechselt werden, doch er bat Trainer Peter Bosz um eine weitere Minute. Der 30-Jährige nutzte sie, um zum Helden des Abends zu werden. Davor und danach gab es neben etlichen schönen Spielzügen unter anderem noch ein per Videobeweis aberkanntes Tor von Jadon Sancho, parierte Großchancen von Erling Haaland und Julian Brandt sowie einen Pfostentreffer von Kai Havertz.
Nicht nur Bosz, der 2020 mit seinem Team bislang vier Siege in fünf Partien feierte, geriet angesichts der Dramaturgie des Abends ins Schwärmen. Eine der Prämissen des Niederländers ist, Spiele nicht nur zu gewinnen, sondern dabei auch die Zuschauer zu begeistern. „In diesem Spiel war alles drin: Kampfgeist, guter Fußball und traumhafte Tore. Wenn man Fußball liebt, war das ein Spiel, das man genießen konnte“, sagte der 56-Jährige – mit der Einschränkung: „Wenn man kein Fan
des BVB ist.“Die Partie hätte aber ebenso gut andersherum ausgehen können. „Ich kann den Jungs nur ein Riesenkompliment machen, dass sie den Willen hatten, dieses Spiel zwei Mal zu drehen.“
Sein Gegenüber Lucien Favre war freilich weniger begeistert. „Jeder kann sich vorstellen, wie schwierig dieses Spiel für uns zu verdauen ist“, sagte der 62-Jährige. Unter der Woche war Dortmund im Pokal an Bremen gescheitert (2:3), zudem hat der BVB erneut eklatante Defensivschwächen offenbart. Zehn Gegentore hat Favres Elf nun in den vergangenen drei Auswärtspartien hinnehmen müssen. „Wir haben ein paar Probleme und kriegen zu viele Tore“, sagte der Coach. Bei Balleroberungen müsse sein Team geduldiger und cleverer spielen. „Wir müssen da Fortschritte machen.“
Wie das gelingen soll, ließ er indes offen. Torschütze Emre Can hatte dafür einen für Fußballästheten eher unschönen Ansatz: abgezockter sein, defensiver stehen, auch mal ein Foul spielen und den Ball hinten laufen lassen. Oder kurz gesagt: „Wir müssen dreckiger werden.“