Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Dauerwerbe­sendung für die Bundesliga

Bayer Leverkusen­s 4:3 gegen Borussia Dortmund ist das bislang unterhalts­amste Spiel der Saison. Beide Teams begeistern mit offensivem Fußball.

- VON DORIAN AUDERSCH UND SEBASTIAN BERGMANN

LEVERKUSEN Jonathan Tah kannte nach dem Schlusspfi­ff nur noch ein Ziel: die Kabine. Ein TV-Interview beendete der Nationalsp­ieler eilig mit den Worten, dass er es kaum abwarten könne, mit seinen Teamkolleg­en zu feiern. Gesagt, getan. Nach Leverkusen­s 4:3 (2:2)-Sieg gegen Dortmund war die Stimmung in der Umkleide trotz geschlosse­ner Türen akustisch deutlich wahrnehmba­r gelöst. „Es war ein traumhafte­r Abend für uns“, sagte Bayers Sportchef Rudi Völler. „So ein Spiel haben wir gebraucht. Es war einfach toll – auch für die Zuschauer.“

Genau genommen glich die Partie am Samstagabe­nd einer gut 90-minütigen Dauerwerbe­sendung für die Bundesliga. Bis dahin verlief der 21. Spieltag eher zäh. Es gab zwar einige überrasche­nde Ergebnisse, aber für Fußballäst­heten war nichts dabei. Dann pfiff Schiedsric­hter Markus Schmidt das Topspiel im Flutlicht der BayArena an – und das Spektakel nahm seinen Lauf.

Kevin Volland brachte die Gastgeber nach einem sehenswert­en Schnittste­llenpass von Nadiem Amiri in Führung (20.), Mats Hummels köpfte den BVB nach einer Ecke in formvollen­deter Perfektion

zum Ausgleich (22.), und Dortmunds Emre Can ließ ein mögliches Tor des Monats aus über 30 Metern ins rechte obere Eck folgen (33.), ehe Volland den Rückstand erneut egalisiert­e (43.). Die ersten 45 Minuten waren Fußball auf höchstem Niveau – und auch nach dem Seitenwech­sel ging es einfach weiter, immer weiter. Raphael Guerreiro brachte Schwarz-Gelb wieder in Front (65.), doch der eingewechs­elte Leon Bailey per Abstauber (81.) sowie Kapitän Lars Bender mit einem Kopfballtr­effer des puren Willens (82.) drehten die Partie erneut.

Der Siegtorsch­ütze hatte Mitte der zweiten Halbzeit einen Schlag aufs Knie abgekommen und sollte ausgewechs­elt werden, doch er bat Trainer Peter Bosz um eine weitere Minute. Der 30-Jährige nutzte sie, um zum Helden des Abends zu werden. Davor und danach gab es neben etlichen schönen Spielzügen unter anderem noch ein per Videobewei­s aberkannte­s Tor von Jadon Sancho, parierte Großchance­n von Erling Haaland und Julian Brandt sowie einen Pfostentre­ffer von Kai Havertz.

Nicht nur Bosz, der 2020 mit seinem Team bislang vier Siege in fünf Partien feierte, geriet angesichts der Dramaturgi­e des Abends ins Schwärmen. Eine der Prämissen des Niederländ­ers ist, Spiele nicht nur zu gewinnen, sondern dabei auch die Zuschauer zu begeistern. „In diesem Spiel war alles drin: Kampfgeist, guter Fußball und traumhafte Tore. Wenn man Fußball liebt, war das ein Spiel, das man genießen konnte“, sagte der 56-Jährige – mit der Einschränk­ung: „Wenn man kein Fan

des BVB ist.“Die Partie hätte aber ebenso gut andersheru­m ausgehen können. „Ich kann den Jungs nur ein Riesenkomp­liment machen, dass sie den Willen hatten, dieses Spiel zwei Mal zu drehen.“

Sein Gegenüber Lucien Favre war freilich weniger begeistert. „Jeder kann sich vorstellen, wie schwierig dieses Spiel für uns zu verdauen ist“, sagte der 62-Jährige. Unter der Woche war Dortmund im Pokal an Bremen gescheiter­t (2:3), zudem hat der BVB erneut eklatante Defensivsc­hwächen offenbart. Zehn Gegentore hat Favres Elf nun in den vergangene­n drei Auswärtspa­rtien hinnehmen müssen. „Wir haben ein paar Probleme und kriegen zu viele Tore“, sagte der Coach. Bei Ballerober­ungen müsse sein Team geduldiger und cleverer spielen. „Wir müssen da Fortschrit­te machen.“

Wie das gelingen soll, ließ er indes offen. Torschütze Emre Can hatte dafür einen für Fußballäst­heten eher unschönen Ansatz: abgezockte­r sein, defensiver stehen, auch mal ein Foul spielen und den Ball hinten laufen lassen. Oder kurz gesagt: „Wir müssen dreckiger werden.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Leverkusen­s Torhüter Lukas Hradecky (l.) jubelt nach dem Schlusspfi­ff gemeinsam mit seinen Teamkolleg­en über den ersten Sieg des Werksklubs gegen den BVB seit 2016.

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