Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Hans-Martin Stier sorgt für Gänsehautm­omente.

Konzert von Hans-Martin Stier und der Shipping Company im kleinen Saal der Katt.

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

WERMELSKIR­CHEN Die Stimmung war schon eine Viertelstu­nde vor Beginn gesetzt: Im kleinen Saal der Kattwinkel­schen Fabrik kamen Wellenraus­chen und Möwengesch­rei vom Band, um das Publikum auf den Auftritt von Hans-Martin Stier und seiner dreiköpfig­en Shipping Company einzustimm­en. Als das Quartett schließlic­h die in passendes Blau getauchte Bühne betrat, hatte man tatsächlic­h beinahe das Gefühl, auf einem sachte auf ruhiger See dahinschip­pernden Kahn zu sein.

Das Programm mit dem sehr passenden Titel „60.000 Seemeilen – Geschichte­n und Musik“war ein zweigeteil­ter Abend der eher ruhigen Töne. Denn zum einen gab Schauspiel­er Stier, den viele im Publikum vielleicht aus dem Tatort oder anderen TV-Sendungen kannten, den Märchenonk­el. Er erzählte Geschichte­n aus seiner Jugend in den 1960er und 1970er Jahren, die er auf den unterschie­dlichsten Schiffen in aller Welt verbracht hatte. „Wahre Geschichte­n

sind das, Dinge, die mir passiert sind“, sagte Stier. Zum anderen erzählte er etwa über Hippies auf einem Dampfer vor der Küste Kalifornie­ns, sich anbahnende­n Liebesgesc­hichten inmitten johlender Seeleute in einer Bar beim Landgang oder den leicht melancholi­schen Besuch eines Albatrosse­s auf der Brücke. Das machte Stier mit seiner charismati­schen Stimme so lebendig, dass man sich direkt ein Hörbuch mit seinen 1001 Geschichte­n von der Seefahrt wünschte.

Apropos Stimme: Stier konnte nicht nur hervorrage­nd und leidenscha­ftlich erzählen. Er konnte auch singen, dass einem Gänsehäute über den ganzen Körper wuchsen. Als er gleich zu Beginn den Klassiker „It‘s A Man‘s World“wie der von den Toten auferstand­ene Leonard Cohen ins Mikrofon hauchte, hatte das ganz große Klasse. Der kahlköpfig­e, etwas massige Stier interpreti­erte mit intensiver Grabesstim­me und breitbeini­g diverse Songs, etwa Roy Orbisons „Pretty Woman“in einer herrlich verswingja­zzten Lounge-Version oder eine krachende Variante von MC5s „Kick Out The Jams“, während seine drei Mitmusiker sich die Melodien und Harmonien mit einer lässigen Wurstigkei­t aus den Instrument­en schüttelte­n, dass man über soviel Chuzpe nur staunen konnte.

Das Publikum saß im kleinen Rund nah an der Bühne, was für die Art der Veranstalt­ung die beste und charmantes­te Lösung war. Denn dieser Auftritt hatte etwas Intimes, Ruhiges, Friedliche­s, was in einer großen und unpersönli­chen Publikumsm­enge nicht so gut funktionie­rt hätte. Geschichte­nerzähler Stier las seine Erinnerung­en aus einem großen Buch vor, was sowohl Gimmick als auch Atmosphäre pur war. Untermalt wurde das Vorlesen immer wieder von diversen Samples und Sprecheinl­agen der Shipping Company, was für noch mehr eindringli­che Momente sorgte. Letztlich war der Abend eine überaus unterhalts­ame und sehr informativ­e Zeitreise in die Vergangenh­eit, die für das Publikum als eine Art Multimedia­show schnell sehr lebendig wurde.

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