Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Naturstrom kommt sehr gut an“
Thomas Erbslöher von der BEW spricht über Mischverhältnisse beim Grünen Strom und erklärt, wie man Strom sparen kann.
Wie grün ist der Strom aus der BEW-Steckdose?
THOMAS ERBSLÖHER Die BEW bietet seit fast zehn Jahren Grünstrom an. Mit dem Stromlieferanten Greenpeace Energy gibt es seit 2011 eine Kooperation. Seit 2018 haben wir uns entschlossen, unseren Privatkunden bei Neuabschlüssen nur noch Grünstrom anzubieten – aus Verantwortung für die Umwelt und weil immer mehr Kunden sich dies wünschen. Unser Ziel ist es, unseren Privatkunden zu 100 Prozent Grünstrom zu liefern. Im Moment bekommen das die Haushalte, die die Naturstromangebote der BEW nutzen, auch schon. Im Jahr 2018 betrug der Anteil Erneuerbarer Energien, bezogen auf die Gesamtstromlieferungen der BEW, 60,3 Prozent. Dagegen lag der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Deutschland nur bei 38,2 Prozent.
Wie hoch ist der Anteil an Grünem Strom vom Gesamtverbrauch? ERBSLÖHER Ein Drittel aller Privatkunden erhält schon heute Naturstrom. Ziel ist es, diesen Anteil kontinuierlich zu erhöhen. Daneben legen auch einige Gewerbebetriebe, unsere Stadtverwaltung sowie unsere Autostromkunden großen Wert auf Grünstrom und haben deshalb Naturstromverträge abgeschlossen.
Und was macht Grünen Strom überhaupt aus?
ERBSLÖHER Grüner Strom wird immer aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen, etwa durch Sonne, Wind und Wasser.
Gibt es beim Grünen Strom unterschiedliche Mischverhältnisse? ERBSLÖHER Ja, es gibt durchaus unterschiedliche Grünstromprodukte. Bei den Naturstromprodukten bietet die BEW zum Beispiel zwei Optionen an: Ein Kunde, der einen neuen Vertrag abgeschlossen hat, erhält automatisch ein zertifiziertes Naturstromprodukt aus 100 Prozent Wasserkraft. Mit der Option green bezieht der Kunde ein Stromprodukt mit einem etwas anderen Strommix, das zu 100 Prozent den strengen Kriterien der Umweltorganisation Greenpeace entspricht. Der Ökostrom stammt dabei ausschließlich aus Wind- und Wasserkraftanlagen in Deutschland und Österreich. Noch ein anderer Strommix ergibt sich, wenn man eine eigene PV-Anlage auf dem Dach hat und den produzierten Strom selbst verbraucht. In diesem Fall nutzt man dann zu 100 Prozent Sonnenenergie.
Merken Sie eine vermehrte Nachfrage nach Grünem Storm seitens der Wermelskirchener Kunden? ERBSLÖHER Unser ausschließliches Angebot von Naturstrom kommt bei unseren Kunden überwiegend sehr gut an. Seitdem die CO2-Diskussion öffentlich sehr intensiv geführt wird, merkt man einen klaren
Nachfrageanstieg. Dieser betrifft allerdings nicht nur Wermelskirchen, sondern das gesamte Versorgungsgebiet.
Sind es eher junge Kunden, die sich danach erkundigen? Ist da die Sensibilität für Nachhaltigkeit insgesamt größer?
ERBSLÖHER Nein, das ist keine Frage des Alters. Wir spüren, dass die Sensibilität für Klimaschutz und Nachhaltigkeit sowohl bei jüngeren als auch bei älteren Kunden deutlich zunimmt.
Wie hat sich die Stromnutzung in den vergangenen zehn Jahren verändert?
ERBSLÖHER Der Stromverbrauch der Privathaushalte ist in den letzten zehn Jahren um acht Prozent gesunken. Die spezifischen Stromverbräuche von Elektrogeräten sind geringer geworden, vor allen bei Kühl- und Gefrierschränken, aber auch im Bereich der Beleuchtung (LED). Dagegen hat die Anzahl der Geräte mit Dauerstromverbrauch zugenommen, wie etwa DSL-Modem, Netzwerkgeräte wie Netzwerkspeicher oder WLAN-Repeater. Für die Gebäudebeheizung, vor allem bei Neubauten, ist der Anteil an elektrischen Wärmepumpensystemen stark angestiegen.
Wie wird sich die Stromnutzung in den kommenden zehn Jahren verändern?
ERBSLÖHER Die weitere Entwicklung lässt sich nicht sicher prognostizieren. Klar ist jedoch, dass im Zuge der Energiewende auch in anderen Sektoren ein zusätzlicher Bedarf an Strom entstehen wird, zum Beispiel im Verkehr – hier denken wir vor allem an die Elektromobilität – oder im Wärmesektor. Auch die Digitalisierung führt in vielen Bereichen zu einem erhöhten Strombedarf. Nach Berechnungen der in 2018 veröffentlichten dena-Leitstudie „Integrierte Energiewende“wird der zukünftige Stromverbrauch Deutschlands in 2030 je nach Technologieentwicklung zwischen 699 TWh und 840 TWh liegen.
Wie gut ist die BEW etwa für eine verstärkte Nutzung von E-Autos gewappnet?
ERBSLÖHER Die BEW beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Elektromobilität und hat die Ladesäuleninfrastruktur im Bergischen Land im Vergleich zu vielen anderen Regionen stark ausgebaut. Besonders zugenommen hat die Nachfrage nach Lademöglichkeiten zu Hause. Dies hat natürlich auch Auswirkung auf die Stromnetze. Deshalb beschäftigt sich die BEW Netze permanent mit der Optimierung und Weiterentwicklung der Stromnetze. Netzauslastungen werden beobachtet und analysiert und Netzengpässe auf Basis von Szenarien durchgespielt. Aktuelle und zukünftige Entwicklungen werden bei der Netzplanung berücksichtigt.
Die Welt wird immer abhängiger vom Strom – wie kann man Blackouts wie jüngst in Südamerika verhindern?
ERBSLÖHER Fakt ist: Deutschland hat eine sehr hohe Sicherheit in der Stromversorgung. Aber wir brauchen einen konsequenten Ausbau der Erneuerbaren Energien und mehr Tempo bei Planungs- und Genehmigungsverfahren für den
Netzausbau. Die Politik muss hierzu die richtigen Rahmenbedingungen setzen und bestehende Hemmnisse beseitigen.
Wie kann jeder zu Hause auf einfache Weise Strom sparen? ERBSLÖHER Einfache Tipps sind etwa große Stromfresser mit einem Strommessgerät ausfindig zu machen, bei Neuanschaffungen auf das Energielabel zu achten, mittels abschaltbaren Steckdosenleisten Standby-Verbräuche zu minimieren oder moderne LED-Leuchtmittel einzusetzen. Weitere Tipps gibt es auf zahlreichen Internetseiten, etwa bei www.ganz-einfach-energiesparen.de.
Was sind die größten Stromfresser? Welche Rolle spielt das Internet in all seinen Facetten beim Stromverbrauch?
ERBSLÖHER Rechenzentren verbrauchen in Deutschland schon heute große Strommengen. Es wird erwartet, dass dieser Verbrauch in den kommenden Jahren weiter massiv ansteigen wird. Ausgelöst wird dies unter anderem durch die rasant steigende Datenmenge in allen Informationsund Kommunikationstechnik-Anwendungsbereichen. Im privaten Umfeld spielen vor allem Streaming-Dienste, etwa beim Video on Demand, bei gleichzeitig steigenden Auflösungen, aber auch die zunehmende Nutzung von Social-Media-Plattformen, Cloud-Diensten und Videotelefonie eine Rolle.
WOLFGANG WEITZDÖRFER FÜHRTE DAS INTERVIEW