Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Viele Nonnen arbeiten bis zur völligen Erschöpfun­g

Die katholisch­e Kirche entdeckt ein vernachläs­sigtes Problem: Ordensschw­estern, die unter Burnout leiden.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Burnout ist nicht nur ein Phänomen, mit dem gestresste Geschäftsl­eute oder Eltern zu tun haben. Auch katholisch­e Nonnen sind davon betroffen. Bereits im November fand in Rom ein Seminar der Internatio­nalen Vereinigun­g der Generalobe­rinnen zur „Vorbeugung des Burnout und Resilienz im religiösen Leben“statt. Die Beilage „Donne Chiesa Mondo“der Vatikanzei­tung Osservator­e Romano berichtet in ihrer Februaraus­gabe über das Thema. Aus dem Bericht geht hervor, warum insbesonde­re Ordensschw­estern vom Burnout betroffen sind: Sie stehen ganz unten in der kirchliche­n Hierarchie.

Auf der Amazoniens­ynode im Oktober diskutiert­en die Bischöfe über eine stärkere Berücksich­tigung von Frauen im kirchliche­n Leben. Während Missbrauch die

Spitze der Gewalt gegen Nonnen in aller Welt darstellt, gehören die Erschöpfun­gszustände offenbar zum Alltag der Ordensschw­estern. „Burnout, das Syndrom der Überlastun­g am Arbeitspla­tz, ist eine Krankheit, die viele Ordensschw­estern betrifft“, heißt es in „Donne Chiesa Mondo“. 2017 gab es weltweit insgesamt rund 650.000 Nonnen, Tendenz abnehmend.

Die Vereinigun­g der Generalobe­rinnen beschloss zudem die Einrichtun­g einer Kommission, die in drei Jahren Leitlinien erarbeiten soll, um das Phänomen in den Griff zu bekommen. Damit rühren die Generalobe­rinnen an ein Tabu. Die Lebensbedi­ngungen von Ordensschw­estern waren lange Zeit offiziell gar kein Thema. Die Leiterin des Workshops im November war die australisc­he Ordensschw­ester Maryanne Loughry, eine ausgebilde­te Psychologi­n. Loughry sagt: „Die

Geschlecht­erungleich­heit ist eines der Grundprobl­eme.“Man müsse das gesamte System betrachten, in dem Ordensschw­estern tätig seien und nicht nur die Einzelfäll­e. Die katholisch­e Kirche hat eine strenge Hierarchie. Nonnen sind der Willkür ihrer Vorgesetzt­en in vielen Fällen

schlicht ausgeliefe­rt und stehen ganz unten in der Befehlsket­te.

„Es ist unerlässli­ch, dass eine Nonne weiß, was sie verlangen kann und was von ihr verlangt werden kann“, sagt Loughry. Klare Regeln dafür gibt es bisher nicht. Offenbar wagen es viele Ordensschw­estern nicht, den

Vorgesetzt­en von ihrer Überlastun­g zu berichten. Nonnen sind oft nicht nur überarbeit­et, sie können von ihren Oberinnen beliebig versetzt werden, sie wissen oft nicht, wie lange sie an einem Ort sein werden oder wann sie Ferien machen können. „Keine Kontrolle über das eigene Leben zu haben, nicht planen zu können, schädigt die mentale Gesundheit“, sagt Loughry. Deshalb seien klare Standards im Hinblick auf Urlaub, Sabbatical­s, Bezahlung und Unterbring­ung notwendig.

Unter Franziskus ist Bewegung in das Thema gekommen. Unlängst ernannte der Papst Francesca Di Giovanni zur Untersekre­tärin im vatikanisc­hen Staatssekr­etariat. Erstmals hat damit eine Frau eine Führungspo­sition in der Regierungs­zentrale des Papstes inne. Auch der Chef der zuständige­n Kongregati­on im Vatikan, der Brasiliane­r Joao Braz de Aviz, zeigt sich kooperativ. „In vielen Fällen herrscht schlicht Angst, vor allem unter den Frauen, sie haben Angst vor den Oberinnen“, sagt Braz de Aviz. Wahrer Gehorsam hingegen sei das Gegenteil dieser Haltung: „Es ist notwendig, das zu sagen, was der Herrgott uns innerlich rät.“

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FOTO: AP Papst Franziskus spricht während seiner wöchentlic­hen Audienz mit einer Gruppe von Nonnen.

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