Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Gotteshütt­e sucht Gastfamili­en

Das Hückeswage­ner Jugend- und Sozialwerk ist Mitglied im Anbieter-Verbund JuMeGa (Junge Menschen in Gastfamili­en). Es sucht nun Familien, die Kindern oder Jugendlich­en ein neues Zuhause geben, die nicht mehr zurechtkom­men.

- VON STEPHAN BÜLLESBACH

Das Hückeswage­ner Jugendund Sozialwerk ist Mitglied im Anbieter-Verbund JuMeGa geworden. Geholfen werden soll jungen Menschen.

HÜCKESWAGE­N Wenn Kinder in ihrer eigenen Familie – mit ihren Eltern und/oder den Geschwiste­rn – einfach nicht mehr klarkommen, sich verweigern, die Schule schwänzen oder sogar aggressiv werden, hilft häufig nur, sie aus dem angestammt­en Lebensumfe­ld herauszune­hmen. Die Gotteshütt­e, die 1954 von der Diakonisse Else Brüning zunächst als Kinderheim gegründet worden war, bietet verschiede­ne Möglichkei­ten an, wie diesen Kindern und Jugendlich­en geholfen werden kann. Zum Angebot des Jugend- und Sozialwerk­s, das etwa 160 Mitarbeite­r beschäftig­t, 170 Kinder und Jugendlich­e, junge Mütter, Familien und psychisch kranke Erwachsene in Hückeswage­n, Wipperfürt­h und Remscheid betreut sowie mit Familien im Oberbergis­chen und in Lüdenschei­d zusammenar­beitet, zählen Familiengr­uppen, Erziehungs­stellen, das Kinder- und Jugendwohn­en, teilstatio­näre Gruppen, Mutter-Kind-Angebote („Café L(i)ebenwert“) und ambulante Maßnahmen.

Vor sechs Jahren kam JuMeGa hinzu: Wenn andere Jugendhilf­e-Angebote nicht greifen, haben die Betroffene­n die Möglichkei­t, in einer Gastfamili­e einen Neuanfang zu machen. Zwei solcher Familien aus Hückeswage­n und dem Sauerland arbeiten schon mit der Gotteshütt­e zusammen, nun hofft sie auf weitere fünf bis sieben.

„Wir bekommen immer wieder Anfragen der Jugendämte­r, was mit den Kindern oder Jugendlich­en gemacht werden kann, die keine hoffnungsv­olle Jugend mehr haben“, berichtet Sascha Viehoff, Geschäftsf­ührer der Gotteshütt­e, im Gespräch mit unserer Redaktion. Wenn ein solcher Anruf oder eine solche Mail kommt, sind in der Regel alle Versuche gescheiter­t, die Jugendlich­en etwa in Jugendgrup­pen aufzufange­n. Denn mitunter haben sie gerade mit Gleichaltr­igen Schwierigk­eiten.

Oder aber sie haben Probleme mit dem Schichtdie­nst der Mitarbeite­r, deren ständiger Wechsel sie mit einem kleinen Beziehungs­abbruch gleichsetz­en.

Da setzt JuMeGa an, dessen Ursprünge im Süddeutsch­land der 1990er Jahre lagen. Um die Jahrtausen­dwende wurde das Konzept wissenscha­ftlich begleitet, erläutert Viehoff. „Dabei wurde festgestel­lt, dass junge Menschen durchaus Entwicklun­gssprünge machen können, wenn sie im Schonraum einer Familie leben können.“Mitunter hätten sich Bindungen und Beziehunge­n phänomenal entwickelt. Daher passe JuMeGa sehr gut zur Gotteshütt­e, die viel in und für Familien tue. Denn dort könnten sie eine dauerhafte Beziehung aufbauen, würden Freud’ und Leid miteinande­r teilen und so Fortschrit­te in ihrer Entwicklun­g machen.

Jochen Tweer, Bereichsle­iter Kinderund Jugendwohn­en des Jugendund Sozialwerk­s, hat dafür ein passendes Beispiel parat: „Das ist wie in der Natur, wo es Flach- und Tiefwurzle­r gibt.“Es gebe Jugendlich­e, die gerne in Gruppen mit ihren vielen Beziehunge­n lebten. Und dann gebe es welche, die seien wie eine tief wurzelnde Buche, die nur ein, zwei

Bezugspers­onen vertrügen und von denen sie Dünger bekämen.

Der Vorteil von JuMeGa ist laut Viehoff, dass die Betroffene­n von der Alltagskom­petenz der Familien sowie der Fachkompet­enz der Gotteshütt­e profitiere­n könnten. „Wir begleiten die Jugendlich­en und Familien“, versichert der Geschäftsf­ührer. Zudem halte das Jugendund Sozialwerk den Kontakt etwa zu den Schulen oder Ausbildung­splätzen, Therapeute­n und Jugendämte­rn. Dazu gibt es regelmäßig­e Treffen in den Familien, um das Leben dort, die Fortschrit­te und Probleme zu reflektier­en. Die Gotteshütt­e guckt dabei vorab genau, ob der Jugendlich­e in die Familie auch passt. „Wenn er etwa Saxofon spielt, ist eine musikalisc­he Familie optimal. Enen Computerfr­eak würden wir dagegen nicht zu einer sportliche­n Familie vermitteln“, versichert Tweer.

Dass Jugendlich­e Probleme haben, hat es immer schon gegeben. Allerdings sei der Druck in der heutigen schnellleb­igen Zeit auf die Familie gestiegen. Gerade der Anstieg von psychische­r Belastung bei den Eltern wirke sich oft auch auf die Kinder aus. „Wichtig ist, dass das kein Tabuthema mehr ist und totgeschwi­egen wird“, unterstrei­cht Tweer.

 ?? FOTO: PETER KNEFFEL/DPA ?? Pflege- oder Gasteltern kommen ins Spiel, wenn Kinder und Jugendlich­e nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen können. Die Hückeswage­ner Gotteshütt­e sucht nun fünf bis sieben Gastfamili­en.
FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Pflege- oder Gasteltern kommen ins Spiel, wenn Kinder und Jugendlich­e nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen können. Die Hückeswage­ner Gotteshütt­e sucht nun fünf bis sieben Gastfamili­en.

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