Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Real-Verkauf ist greifbar nahe
Nach der Veräußerung der Warenhauskette an ein Investoren-Konsortium wollen die Käufer 50 Filialen für mindestens zwei Jahre weiterbetreiben. Verdi fordert ein klares Konzept für die Beschäftigten und nimmt die Politik in die Pflicht.
DÜSSELDORF Diesmal geht offenbar alles glatt. Also fast, denn kleine Verzögerungen gibt es auch diesmal beim geplanten Verkauf der SB-Warenhauskette Real durch deren Muttergesellschaft Metro. Aber dass wie beim ersten Versuch die Gespräche mit dem Wunschinvestor in letzter Sekunde platzen, steht diesmal nicht zu erwarten. Man habe mit dem Bieterkonsortium aus dem russischen Investor SCP und dem Immobilieninvestor X+bricks „eine kommerzielle Einigung hinsichtlich der Veräußerung des SB-Warenhausgeschäfts und der damit zusammenhängenden Geschäftsaktivitäten erzielt“, teilte die Metro am frühen Dienstagmorgen mit. Einzelne offene Punkte seien noch „in Verhandlung“. Und weil alles ja noch nicht in offiziell trockenen Tüchern ist, war auch beim Käufer X+Bricks die Sprachregelung zurückhaltend: „Wir warten auf die offizielle Zustimmung und werden uns vor einer rechtsverbindlichen Einigung nicht an Spekulationen beteiligen“, so ein Sprecher des Investors.
Bei den Metro-Gremien ist das wohl nur eine Frage von höchstens 48 Stunden. Am Donnerstag veröffentlicht der Konzern seine Geschäftszahlen für das erste Quartal des Geschäftsjahres 2019/20, und man darf davon ausgehen, dass Vorstand und Aufsichtsrat den Deal bis dahin gebilligt haben. Am Freitag findet die Hauptversammlung statt, bei der der Vorstand auch den Anteilseignern den Deal erklären will. Was die Genehmigung durch die Kartellbehörden angeht: X-Bricks und SCP haben die Absicht, Real zu übernehmen, schon am 4. Februar bei den Brüsseler Wettbewerbshütern angemeldet.
Das zwischen der Metro und den Erwerbern vereinbarte Konzept sieht nach Angaben des Düsseldorfer
Konzerns einen Verkauf von Real „zu einem Unternehmenswert von etwa einer Milliarde Euro“vor. Der dürfte vor allem aus den Handelsimmobilien bestehen, erst recht, nachdem sich das operative Geschäft von Real in jüngster Vergangenheit eher schlecht entwickelt haben dürfte. Was den Nettomittelzufluss angeht, hat Metro-Chef Olaf Koch seine Erwartungen zurückschrauben müssen. Statt der früher erwarteten halben Milliarde Euro geht die Metro jetzt nur noch von 300 Millionen Euro aus. Insgesamt würden aus dem Verkauf von Real und der Veräußerung des Mehrheitsanteils am China-Geschäft weiterhin mehr als1,5 Milliarden Euro Nettomittelzuflüsse erwartet, erklärte die Metro.
In Deutschland wird es wohl noch Monate dauern, bis der Real-Verkauf mit seinen Folgen komplett über die Bühne ist. Wenn alles wie geplant läuft, wird der Käufer etwa 50 Filialen behalten und für mindestens zwei Jahre weiterführen, er wiill bis zu 30 Niederlassungen schließen (das geht aus einem Brief von Koch an die Belegschaft hervor) und den Rest der aktuell 277 Häuser in Einzelpaketen an Real-Wettbewerber aus der Handelsbranche weiterreichen. Wie lange sich das hinziehen kann, mag das Beispiel Edeka verdeutlichen. Deutschlands größter Lebensmittelhändler hatte im vergangenen Jahr zu dem Zeitpunkt, als die Metro Real noch an das Redos-Konsortium verkaufen wollte, die Übernahme von 87 Filialen angemeldet. Ein Plan, bei dem das Bundeskartellamt in Bonn aber schließlich im November eine vertiefte Prüfung ankündigte. Das könnte diesmal ähnlich aussehen. Mit Kaufland könnte zudem ein Bieter dabei sein, der bei dem Redos-Plan noch gar nicht mitmischte, weil er zu dem Zeitpunkt exklusiver Partner des damaligen Redos-Konkurrenten X+Bricks war.
Für einen Teil der Mitarbeiter bringt der Deal Jobsicherheit auf Zeit. Die Beschäftigten würden ihre „gültigen Verträge und Rechte auch unter dem neuen Eigentümer behalten“, erklärte Konzernchef Koch. Eine Beruhigungspille für die Belegschaft. In den 50 Filialen, die der Käufer weiter betreiben wolle, sollen die Mitarbeiter „zu den für sie jeweils gültigen Tarifen weiterbeschäftigt werden“.
Die Käufer der Filialpakete sollen verpflichtet werden, die Real-Mitarbeiter zu übernehmen. Sollte es dann doch betriebsbedingte Kündigungen geben, soll es Mindestabfindungen geben. Die Gewerkschaft Verdi forderte den Verzicht auf „Ausgliederungen an selbstständige Kaufleute“. Die Politik müsse „alle Möglichkeiten nutzen, eine sichere Zukunft für 34.000 Beschäftige und ihre Familien zu erreichen“. Es gehe darum, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten.
Der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach sieht auch nach dem Real-Verkauf noch Risiken für die Metro. „Kommt der Deal wie verlautbart zustande, verhagelt es die Metro-Bilanz, denn es kommt zu einem Abschreibungsbedarf. Schließlich ist der mögliche Verkaufspreis kleiner als erwartet. Die Verkaufs- und Weiterreichungskonstruktion, die einer Zerschlagung von Real gleichkommt, dürfte sich X+Bricks mit erheblichen Absicherungen erkaufen, die haftungstechnisch noch auf die Metro zurückfallen könnten“, sagte Heinemann unserer Redaktion. Denkbar seien „mögliche und noch nicht verhandelte Sozialkosten bei den Filialschließungen oder möglicherweise garantierte Mindestwerte für die an Edeka und Kaufland weitergereichten 150 Filialen sowie Rückstellungen für Prozessrisiken“.