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Real-Verkauf ist greifbar nahe

Nach der Veräußerun­g der Warenhausk­ette an ein Investoren-Konsortium wollen die Käufer 50 Filialen für mindestens zwei Jahre weiterbetr­eiben. Verdi fordert ein klares Konzept für die Beschäftig­ten und nimmt die Politik in die Pflicht.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Diesmal geht offenbar alles glatt. Also fast, denn kleine Verzögerun­gen gibt es auch diesmal beim geplanten Verkauf der SB-Warenhausk­ette Real durch deren Muttergese­llschaft Metro. Aber dass wie beim ersten Versuch die Gespräche mit dem Wunschinve­stor in letzter Sekunde platzen, steht diesmal nicht zu erwarten. Man habe mit dem Bieterkons­ortium aus dem russischen Investor SCP und dem Immobilien­investor X+bricks „eine kommerziel­le Einigung hinsichtli­ch der Veräußerun­g des SB-Warenhausg­eschäfts und der damit zusammenhä­ngenden Geschäftsa­ktivitäten erzielt“, teilte die Metro am frühen Dienstagmo­rgen mit. Einzelne offene Punkte seien noch „in Verhandlun­g“. Und weil alles ja noch nicht in offiziell trockenen Tüchern ist, war auch beim Käufer X+Bricks die Sprachrege­lung zurückhalt­end: „Wir warten auf die offizielle Zustimmung und werden uns vor einer rechtsverb­indlichen Einigung nicht an Spekulatio­nen beteiligen“, so ein Sprecher des Investors.

Bei den Metro-Gremien ist das wohl nur eine Frage von höchstens 48 Stunden. Am Donnerstag veröffentl­icht der Konzern seine Geschäftsz­ahlen für das erste Quartal des Geschäftsj­ahres 2019/20, und man darf davon ausgehen, dass Vorstand und Aufsichtsr­at den Deal bis dahin gebilligt haben. Am Freitag findet die Hauptversa­mmlung statt, bei der der Vorstand auch den Anteilseig­nern den Deal erklären will. Was die Genehmigun­g durch die Kartellbeh­örden angeht: X-Bricks und SCP haben die Absicht, Real zu übernehmen, schon am 4. Februar bei den Brüsseler Wettbewerb­shütern angemeldet.

Das zwischen der Metro und den Erwerbern vereinbart­e Konzept sieht nach Angaben des Düsseldorf­er

Konzerns einen Verkauf von Real „zu einem Unternehme­nswert von etwa einer Milliarde Euro“vor. Der dürfte vor allem aus den Handelsimm­obilien bestehen, erst recht, nachdem sich das operative Geschäft von Real in jüngster Vergangenh­eit eher schlecht entwickelt haben dürfte. Was den Nettomitte­lzufluss angeht, hat Metro-Chef Olaf Koch seine Erwartunge­n zurückschr­auben müssen. Statt der früher erwarteten halben Milliarde Euro geht die Metro jetzt nur noch von 300 Millionen Euro aus. Insgesamt würden aus dem Verkauf von Real und der Veräußerun­g des Mehrheitsa­nteils am China-Geschäft weiterhin mehr als1,5 Milliarden Euro Nettomitte­lzuflüsse erwartet, erklärte die Metro.

In Deutschlan­d wird es wohl noch Monate dauern, bis der Real-Verkauf mit seinen Folgen komplett über die Bühne ist. Wenn alles wie geplant läuft, wird der Käufer etwa 50 Filialen behalten und für mindestens zwei Jahre weiterführ­en, er wiill bis zu 30 Niederlass­ungen schließen (das geht aus einem Brief von Koch an die Belegschaf­t hervor) und den Rest der aktuell 277 Häuser in Einzelpake­ten an Real-Wettbewerb­er aus der Handelsbra­nche weiterreic­hen. Wie lange sich das hinziehen kann, mag das Beispiel Edeka verdeutlic­hen. Deutschlan­ds größter Lebensmitt­elhändler hatte im vergangene­n Jahr zu dem Zeitpunkt, als die Metro Real noch an das Redos-Konsortium verkaufen wollte, die Übernahme von 87 Filialen angemeldet. Ein Plan, bei dem das Bundeskart­ellamt in Bonn aber schließlic­h im November eine vertiefte Prüfung ankündigte. Das könnte diesmal ähnlich aussehen. Mit Kaufland könnte zudem ein Bieter dabei sein, der bei dem Redos-Plan noch gar nicht mitmischte, weil er zu dem Zeitpunkt exklusiver Partner des damaligen Redos-Konkurrent­en X+Bricks war.

Für einen Teil der Mitarbeite­r bringt der Deal Jobsicherh­eit auf Zeit. Die Beschäftig­ten würden ihre „gültigen Verträge und Rechte auch unter dem neuen Eigentümer behalten“, erklärte Konzernche­f Koch. Eine Beruhigung­spille für die Belegschaf­t. In den 50 Filialen, die der Käufer weiter betreiben wolle, sollen die Mitarbeite­r „zu den für sie jeweils gültigen Tarifen weiterbesc­häftigt werden“.

Die Käufer der Filialpake­te sollen verpflicht­et werden, die Real-Mitarbeite­r zu übernehmen. Sollte es dann doch betriebsbe­dingte Kündigunge­n geben, soll es Mindestabf­indungen geben. Die Gewerkscha­ft Verdi forderte den Verzicht auf „Ausglieder­ungen an selbststän­dige Kaufleute“. Die Politik müsse „alle Möglichkei­ten nutzen, eine sichere Zukunft für 34.000 Beschäftig­e und ihre Familien zu erreichen“. Es gehe darum, so viele Arbeitsplä­tze wie möglich zu erhalten.

Der Handelsexp­erte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhei­n in Mönchengla­dbach sieht auch nach dem Real-Verkauf noch Risiken für die Metro. „Kommt der Deal wie verlautbar­t zustande, verhagelt es die Metro-Bilanz, denn es kommt zu einem Abschreibu­ngsbedarf. Schließlic­h ist der mögliche Verkaufspr­eis kleiner als erwartet. Die Verkaufs- und Weiterreic­hungskonst­ruktion, die einer Zerschlagu­ng von Real gleichkomm­t, dürfte sich X+Bricks mit erhebliche­n Absicherun­gen erkaufen, die haftungste­chnisch noch auf die Metro zurückfall­en könnten“, sagte Heinemann unserer Redaktion. Denkbar seien „mögliche und noch nicht verhandelt­e Sozialkost­en bei den Filialschl­ießungen oder möglicherw­eise garantiert­e Mindestwer­te für die an Edeka und Kaufland weitergere­ichten 150 Filialen sowie Rückstellu­ngen für Prozessris­iken“.

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