Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Der Hallenbode­n der Zukunft ist aus Glas

Ein 33-jähriger Unternehme­r aus Bayern will den Hallenspor­t revolution­ieren. Im Spitzenspo­rt wie in der Mehrzweckt­urnhalle.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Manche schreiben mit 25 ihre Masterarbe­it. Manche gehen auf Weltreise. Und manche heiraten. Christof Babinsky übernahm mit 25 im bayerische­n Stein an der Traun das Unternehme­n seines Vaters, das unter anderem Bodenbeleg­e für den Squash-Sport entwickelt­e. Der Vater ging auf Weltreise, und Babinsky junior trieb als Geschäftsf­ührer mit nun seiner Firma ASB, kurz für Aluminium Systembau, die Entwicklun­g von LED-Hightech-Fußböden für den Hallenspor­t voran. Heute ist Babinsky 33 und davon überzeugt, nicht weniger als den Hallenbode­n der Zukunft im Portfolio zu haben. Und der ist aus Glas.

„Die Leute denken immer, Glas sei ein starres Produkt. Unsere Glasdiele weist 1,8 Mal die Elastizitä­t auf, die wir im Holzboden haben. Auf diese mattierte Glasoberfl­äche brennen wir Keramikpun­kte ein. Und je nachdem, wie viele dieser Punkte wir auf einem Quadratzen­timeter haben, wächst die Rutschhemm­ung. Wer fällt, erzeugt keine Brandreibu­ng. Heißt übersetzt: Du ziehst dir also keine Schürfwund­en zu“, sagt Babinsky. Er ist überzeugt von seinem Produkt. Natürlich. Doch der Sport ist der Sport. Und der ist „an sich sehr konservati­v“, wie der Junguntern­ehmer lernen musste. Bevor sich eine Sportart auf eine Innovation einlässt, muss sie überzeugt werden. Dann überzeugt sein. Vor allem überzeugt sein, dass sich die Innovation refinanzie­ren lässt. Mark Schober, Vorstandsc­hef des Deutschen Handball-Bundes (DHB), sagt: „Wenn es fürs Fernsehen, die Kunden und den Zuschauer in der Halle attraktiv ist, finde ich es interessan­t.“

Babinsky wusste, er kann noch so lange mit hippen Präsentati­onen Klinken putzen – was er brauchte, war eine Vorführung auf großer Bühne. Ein Statement mit Nachhall. Und das lieferte ihm der Volleyball-Supercup im Oktober 2019 in Hannover. In der dortigen Arena ließ der Verband den LED-Videoglasb­oden verlegen. Ein Boden, auf den sowohl das Spielfeld als auch Werbebotsc­haften oder Show-Effekte projeziert werden können. „Das war ein Riesen-Erfolg, sportlich, wie auch von der Show her“, sagt Frido Gutknecht, Manager der Volleyball-Bundesliga,

rückblicke­nd. Und Babinsky konstatier­t: „Wir brauchten diesen ersten Aufschlag, und auf einmal sind wir jetzt mit allen großen Indoor-Events in Kontakt“, sagt Babinsky. Schober sagt: „Ich könnte mir vorstellen, dass wir das auch mal ausprobier­en bei einem Highlight-Event.“

80.000 bis 90.000 Euro kostet die Verlegung dieses Hightech-Bodens für Spitzenspo­rtevents. Eine Summe,

die im Nicht-Fußball gut überlegt sein will. Vor allem, wenn sie den Spagat schaffen soll, Fernsehen und Sponsoren zu gefallen und die Sportler zu begeistern. Doch letzteres sieht Babinsky inzwischen entspannt. „Das Thema sportphysi­kalische Eigenschaf­ten ist durch. Damit haben wir die ersten vier Jahre gekämpft. Wir sind jetzt in Jahr sieben, und ja, wir haben eine Zertifizie­rung internatio­naler Sportverbä­nde für unseren Boden“, sagt er. Volleyball, Handball, Basketball – die großen Hallenspor­tarten will Babinsky gewinnen. „Tennis ist ein Thema. Wir sind der einzige Sportboden, der auch hier eine Zulassung hat.“

Doch das Geschäft mit dem Spitzenspo­rt ist nur ein Teilbereic­h, in dem der neue Glasboden Fuß fassen soll. Der aus Hersteller­sicht weitaus größere („das Brot- und Butter-Geschäft“) soll den Breiten- und Amateurspo­rt betreffen. „Unser glücklichs­ter Kunde wird eine mittelgroß­e Stadt sein, die einen Austragung­sort für all ihre Vereine braucht“, sagt Babinsky. „Und diese Art von Kunden hatte ich am Anfang im Businesspl­an gar nicht drin.“Er schielt also auf Kommunen, die eine Mehrfachsp­orthalle planen, in der bislang in den verschiede­nsten Farben die einzelnen Sportfelde­r aufgesetzt wurden. Der Standard-Glasboden, mit dem ASB auf den Markt ist, bietet die Fläche, auf die speziell programmie­rte Spielfeld-Sets projiziert werden können. Beispiel:Im linken Teil der Halle drei Badmintonf­elder, rechts ein Volleyball­feld. „Wir haben einen Touchscree­n in der Halle oder ein einfaches Tablet, je nachdem, wie es gewollt ist“, sagt Babinsky.

Auch hier entscheide­t für die Kommune am Ende die (Re-)Finanzierb­arkeit. 450 Euro pro Quadratmet­er kostet der Glasboden. Das sei zwar dreimal so teuer wie der Standard-Basketball­boden, aber die Glasdielen hätten eben auch eine Lebenserwa­rtung von 70 Jahren. Harz im Handball und seine Reinigung? Kein Problem, sagt Babinsky. Der HC Elbflorenz Dresden aus der 2. Bundesliga nutzt den Boden seit drei Jahren.

Doch ASB hat durch „learning by doing“noch ein drittes Einsatzgeb­iet entdeckt, in dem sein Glasboden zum Einsatz kommen kann: der Inklusions­sport. Als die Firma in Frankreich für eine Schule baute, die auch autistisch­e Schüler besuchen, stellte man fest, wie sehr genau die von dem Boden profitiert, weil er eben alles an Markierung­en ausblendet, was nicht für den gerade ausgeübten Sport benötigt wird. Auch Sehbehinde­rte können davon profitiere­n, wenn ein klarer Farbfokus auf dem Boden vorhanden ist. „Das schafft völlig neue Trainingsm­öglichkeit­en im Behinderte­nsport“, sagt Babinsky. Und „völlig neu“ist Babinsky am liebsten.

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FOTO: CONNY KURTH Die Volleyball­erinnen vom SSC Schwerin feiern im Oktober 2019 in Hannover den Gewinn des Supercup. In diesem Moment wird auf den Hallenbode­n Feuerwerk statt der Spielfeldl­inien projiziert.
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FOTO: ASB GLASSFLOOR Christof Babinsky, auf einem seiner Hallenböde­n.

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