Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Der Hallenboden der Zukunft ist aus Glas
Ein 33-jähriger Unternehmer aus Bayern will den Hallensport revolutionieren. Im Spitzensport wie in der Mehrzweckturnhalle.
DÜSSELDORF Manche schreiben mit 25 ihre Masterarbeit. Manche gehen auf Weltreise. Und manche heiraten. Christof Babinsky übernahm mit 25 im bayerischen Stein an der Traun das Unternehmen seines Vaters, das unter anderem Bodenbelege für den Squash-Sport entwickelte. Der Vater ging auf Weltreise, und Babinsky junior trieb als Geschäftsführer mit nun seiner Firma ASB, kurz für Aluminium Systembau, die Entwicklung von LED-Hightech-Fußböden für den Hallensport voran. Heute ist Babinsky 33 und davon überzeugt, nicht weniger als den Hallenboden der Zukunft im Portfolio zu haben. Und der ist aus Glas.
„Die Leute denken immer, Glas sei ein starres Produkt. Unsere Glasdiele weist 1,8 Mal die Elastizität auf, die wir im Holzboden haben. Auf diese mattierte Glasoberfläche brennen wir Keramikpunkte ein. Und je nachdem, wie viele dieser Punkte wir auf einem Quadratzentimeter haben, wächst die Rutschhemmung. Wer fällt, erzeugt keine Brandreibung. Heißt übersetzt: Du ziehst dir also keine Schürfwunden zu“, sagt Babinsky. Er ist überzeugt von seinem Produkt. Natürlich. Doch der Sport ist der Sport. Und der ist „an sich sehr konservativ“, wie der Jungunternehmer lernen musste. Bevor sich eine Sportart auf eine Innovation einlässt, muss sie überzeugt werden. Dann überzeugt sein. Vor allem überzeugt sein, dass sich die Innovation refinanzieren lässt. Mark Schober, Vorstandschef des Deutschen Handball-Bundes (DHB), sagt: „Wenn es fürs Fernsehen, die Kunden und den Zuschauer in der Halle attraktiv ist, finde ich es interessant.“
Babinsky wusste, er kann noch so lange mit hippen Präsentationen Klinken putzen – was er brauchte, war eine Vorführung auf großer Bühne. Ein Statement mit Nachhall. Und das lieferte ihm der Volleyball-Supercup im Oktober 2019 in Hannover. In der dortigen Arena ließ der Verband den LED-Videoglasboden verlegen. Ein Boden, auf den sowohl das Spielfeld als auch Werbebotschaften oder Show-Effekte projeziert werden können. „Das war ein Riesen-Erfolg, sportlich, wie auch von der Show her“, sagt Frido Gutknecht, Manager der Volleyball-Bundesliga,
rückblickend. Und Babinsky konstatiert: „Wir brauchten diesen ersten Aufschlag, und auf einmal sind wir jetzt mit allen großen Indoor-Events in Kontakt“, sagt Babinsky. Schober sagt: „Ich könnte mir vorstellen, dass wir das auch mal ausprobieren bei einem Highlight-Event.“
80.000 bis 90.000 Euro kostet die Verlegung dieses Hightech-Bodens für Spitzensportevents. Eine Summe,
die im Nicht-Fußball gut überlegt sein will. Vor allem, wenn sie den Spagat schaffen soll, Fernsehen und Sponsoren zu gefallen und die Sportler zu begeistern. Doch letzteres sieht Babinsky inzwischen entspannt. „Das Thema sportphysikalische Eigenschaften ist durch. Damit haben wir die ersten vier Jahre gekämpft. Wir sind jetzt in Jahr sieben, und ja, wir haben eine Zertifizierung internationaler Sportverbände für unseren Boden“, sagt er. Volleyball, Handball, Basketball – die großen Hallensportarten will Babinsky gewinnen. „Tennis ist ein Thema. Wir sind der einzige Sportboden, der auch hier eine Zulassung hat.“
Doch das Geschäft mit dem Spitzensport ist nur ein Teilbereich, in dem der neue Glasboden Fuß fassen soll. Der aus Herstellersicht weitaus größere („das Brot- und Butter-Geschäft“) soll den Breiten- und Amateursport betreffen. „Unser glücklichster Kunde wird eine mittelgroße Stadt sein, die einen Austragungsort für all ihre Vereine braucht“, sagt Babinsky. „Und diese Art von Kunden hatte ich am Anfang im Businessplan gar nicht drin.“Er schielt also auf Kommunen, die eine Mehrfachsporthalle planen, in der bislang in den verschiedensten Farben die einzelnen Sportfelder aufgesetzt wurden. Der Standard-Glasboden, mit dem ASB auf den Markt ist, bietet die Fläche, auf die speziell programmierte Spielfeld-Sets projiziert werden können. Beispiel:Im linken Teil der Halle drei Badmintonfelder, rechts ein Volleyballfeld. „Wir haben einen Touchscreen in der Halle oder ein einfaches Tablet, je nachdem, wie es gewollt ist“, sagt Babinsky.
Auch hier entscheidet für die Kommune am Ende die (Re-)Finanzierbarkeit. 450 Euro pro Quadratmeter kostet der Glasboden. Das sei zwar dreimal so teuer wie der Standard-Basketballboden, aber die Glasdielen hätten eben auch eine Lebenserwartung von 70 Jahren. Harz im Handball und seine Reinigung? Kein Problem, sagt Babinsky. Der HC Elbflorenz Dresden aus der 2. Bundesliga nutzt den Boden seit drei Jahren.
Doch ASB hat durch „learning by doing“noch ein drittes Einsatzgebiet entdeckt, in dem sein Glasboden zum Einsatz kommen kann: der Inklusionssport. Als die Firma in Frankreich für eine Schule baute, die auch autistische Schüler besuchen, stellte man fest, wie sehr genau die von dem Boden profitiert, weil er eben alles an Markierungen ausblendet, was nicht für den gerade ausgeübten Sport benötigt wird. Auch Sehbehinderte können davon profitieren, wenn ein klarer Farbfokus auf dem Boden vorhanden ist. „Das schafft völlig neue Trainingsmöglichkeiten im Behindertensport“, sagt Babinsky. Und „völlig neu“ist Babinsky am liebsten.