Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Vorsicht beim Bützen
Die Jecken fangen schon an zu wibbeln: Donnerstag startet der Straßenkarneval. Sollte man in Zeiten von Corona überhaupt noch bützen? Karnevalisten wollen von Abstinenz nichts wissen.
RHEINLAND (bpa, dr, dtm, hsr, siev) Ohne Nähe keine Party: Sich bei Fremden einhaken, schunkeln und singen, in übervollen Räumen tanzen und immer wieder bützen – so wird der Karneval im Rheinland gefeiert. Die ausgelassene Stimmung könnte dieses Jahr allerdings getrübt werden: Das Coronavirus und das Grippevirus, beides Tröpfcheninfektionen, verunsichern viele. Hans-Jürgen Tüllmann weiß als Geschäftsführer des Comitees Düsseldorfer Carneval (CC) aber noch von keiner einzigen Absage. „Alles läuft nach Plan, Corona und Grippe sind bei den Karnevalisten zum Glück außen vor.“Tüllmann ist viel unterwegs, auch bei Sitzungen. „Da wurde gebützt, dass die Heide wackelt“, sagt er. Venetia Jula meint: „Ich bütze alle wie immer, aber sollte zum Beispiel ein Corona-Fall in Düsseldorf bekannt werden, dann würde ich mir durchaus eine andere Taktik überlegen.“Ihr Prinz Axel I. lässt sich auch nicht abhalten. „Ich verfalle generell nicht in solche Hysterien.“
Ähnlich gelassen gehen auch die Kölner mit der Situation um. Auf Anfrage sagte das Kölner Festkomitee: „Derzeit beschäftigt uns das Virus noch nicht so stark, dennoch sind wir als Festkomitee mit der Stadt Köln und dem Gesundheitsamt im engen Austausch.“Natürlich kämen sich im Karneval die Menschen näher als sonst. „Leider wird in der aktuellen Diskussion vergessen, dass man sich gegen den sehr viel wahrscheinlicheren Fall einer normalen Grippe impfen lassen kann – das ist auch mitten in der Session noch ein wirksamer Schutz.“
Auf diesen Schutz setzt auch das Mönchengladbacher Prinzen-Paar Axel I. und Niersius Thorsten. „Nicht in Panik verfallen!“, sagt Axel I. Beide haben sich mit einer Impfung gegen Grippeviren geschützt, immer dabei sind außerdem Spray oder Tücher für die Handdesinfektion. Und in die Armbeuge und nicht in die Hand zu husten, sei für sie ohnehin Standard. Als Prinzen-Paar hätten sie zudem den Vorteil, dass sie qua Protokoll Handschuhe tragen müssen. „Grippe war schon immer Thema im Karneval“, sagt Niersius Thorsten. „Und wir verteilen ja keine Zungenküsse, sondern küssen auf die Wange.“
Sicherheit Mit Betonsperren, Lkw-Fahrverboten und einem Großaufgebot an Einsatzkräften wollen Polizei und Stadt Köln beim Straßenkarneval für Sicherheit sorgen. An Weiberfastnacht, Sonntag und Rosenmontag werden jeweils mehr als 1000 Polizisten im Einsatz sein. Polizeidirektor Michael Tiemann bereitet den Großeinsatz vor und sagt: „Wir gehen frühzeitig und entschlossen gegen all diejenigen vor, die Karneval für Schlägereien, Diebstähle oder andere Straftaten missbrauchen. Gewalttätern werden wir frühzeitig die rote Karte zeigen und sie in Gewahrsam nehmen.“
Die Bundespolizei will die Karnevalisten schon bei der Anreise in Zügen kontrollieren. Wer schon einmal durch Gewaltdelikte aufgefallen ist, bekommt ein sogenanntes Bereichsbetretungsverbot. Die neuen Videokameras am Neumarkt, an den Kölner Ringen und auf dem Ebertplatz sollen Gewalttäter abschrecken – und bei der Aufklärung von Taten helfen.
Zudem verhängt die Stadt Köln verhängt an Weiberfastnacht sowie an den beiden Tagen mit großen Karnevalsumzügen, Sonntag und Rosenmontag, ein Fahrverbot für Lkw in der Innenstadt. Wie in den Vorjahren gibt es für bestimmte Viertel und Straßen ein Glasverbot. Es gibt 700 Toilettenanlagen, Wildpinkeln wird mit einem Bußgeld geahndet. Wer erwischt wird, muss bis zu 200 Euro zahlen, in besonders schweren Fällen (etwa Pinkeln auf einem Spielplatz) kann der Betrag auch höher ausfallen.
Die Düsseldorfer Polizei nennt ihre Einsatzstärke nicht. Dem Ordnungsund Servicedienst der Stadt stehen an den tollen Tagen zwischen 70 und 85 Personen zur Verfügung, hinzu kommen 160 externe Security-Kräfte. Wildpinkler müssen mit einem Bußgeld von fast 100 Euro rechnen. Die Stadt stellt für mehr Sauberkeit zusätzlich zu den Toilettenwagen des CCs 463 temporäre öffentliche Toiletteneinrichtungen auf – 180 mehr als im Vorjahr. Zum zehnten Mal gibt es ein Glasverbot: An Altweiber, Karnevalssonntag und Rosenmontag soll die Altstadt scherbenfrei bleiben.
Wetter und Sturm Schon Altweiberdonnerstag müssen die jecken Wiever stark sein. „Es wird wohl sehr wechselhaft“, sagt eine Meteorologin des Deutschen Wettedienstes (DWD). Vor allem vormittags müsse teilweise mit stärkerem Regen in NRW gerechnet werden. zumindest am Nachmittag soll der Himmel aber ein wenig auflockern.
Mit dem Wochenende zieht laut der DWD-Expertin erneut ein Sturmtief auf. Vor allem am Sonntag könnte es stürmisch werden. „Es könnte wieder Böen in Windstärke 8 bis 9 geben“, sagt sie. Wie es am Montag aussieht, dem Tag, an dem zahlreiche Karnevalszüge stattfinden, sei noch unsicher. „Aber der Wind könnte für Rosenmontagszüge zu stark sein“, sagt sie. Zwar sprächen die Modelle eher dafür, dass es vor allem Sonntag ungemütlich werde, aber auch Montag könnte es noch windig sein. Ab Windstärke 8 wird es für die meisten Karnevalswagen kritisch.
Diese unsichere Prognose ruft böse Erinnerungen hervor. Im vergangenen Jahr musste der Düsseldorfer Rosenmontagszug wegen eines drohenden Sturmtiefs nach hinten verlegt werden. 2016 musste er wegen eines Sturms sogar ganz abgesagt werden. In beiden Fällen entschied man sich in Köln gegen eine Absage oder eine Verzögerung. Auch in diesem Jahr könnte Köln besser wegkommen, was die Wetterprognose angeht. „In Köln wird es wohl etwas schwächer“, sagt die Meteorologin. CC-Geschäftsführer Hans-Jürgen Tüllmann will für Düsseldorf mit einer Entscheidung bis zur „allerletzten Sekunde“warten, sollte es darum gehen, den Zug eventuell absagen zu müssen.
Pferde im Zug Die Kölner Karnevalsgesellschaft „Nippeser Bürgerwehr“verzichtet auf ihre Reitpferde. In einem Gestüt, das der Gesellschaft die Tiere zur Verfügung stellt, ist ein Fall der Pferdekrankheit Druse aufgetreten. Zwar seien die eigenen Pferde nicht betroffen, man wolle aber kein Risiko eingehen, so die Gesellschaft. Reiter gingen nun zu Fuß, Kutschen seien nicht betroffen, weil die Pferde aus einem anderen Stall kämen, sagte der Geschäftsführer. Druse gilt als hochansteckend und wird durch Bakterien verursacht. Laut Festkomitee ist die „Nippeser Bürgerwehr“die erste Gesellschaft, die Pferde wegen des Erregers zurückgezogen hat. Andere Gruppen hätten ihre Tiere aber bereits getestet.