Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Kampf um Merkels Erbe

In der CDU laufen die Planspiele, wie die Macht verteilt werden soll. CSU-Chef Söder stellt sich vor Merkel.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Während hinter seinem Rücken in der CSU-Parteizent­rale Minister und Staatssekr­etäre zur Vorstandss­itzung eilten, nahm sich Parteichef Markus Söder am Montag reichlich Zeit, vor Kameras und Mikrofonen die vertrackte Lage der Schwesterp­artei zu erörtern. Er sparte nicht mit klaren Ansagen. Eine Kanzlerkan­didatur ergebe erst Ende des Jahres oder Anfang 2021 Sinn, sagte Söder. Zugleich warnte er vor einem frühzeitig­en und mutwillig herbeigefü­hrten Ende der Kanzlersch­aft von Angela Merkel. Die Wähler fänden das nicht gut, sagte Söder und verwies auf die Beliebthei­t der Kanzlerin.

Man konnte den Eindruck gewinnen, dass da einer den Prozess um das Erbe Merkels von vorne führt – freilich ohne das zu formuliere­n. Söder weiß, dass die CSU in diesen Tagen die große Schwesterp­artei an die Hand nehmen muss, sie zugleich aber nicht noch mehr desorienti­ert aussehen lassen sollte, als sie ohnehin wirkt. Schließlic­h will er mit der CDU und dem noch zu findenden Kanzlerkan­didaten die nächste Bundestags­wahl gewinnen.

Klar ist bislang, dass in dieser Woche die von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r angekündig­ten Vier-Augen-Gespräche stattfinde­n werden. Am Dienstag spricht die scheidende Chefin zunächst mit Friedrich Merz. Mit Gesundheit­sminister Jens Spahn und NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet ist sie am Mittwoch verabredet. Am Rosenmonta­g soll in einer Präsidiums­sitzung der Fahrplan festgelegt werden, wann und wie der neue CDU-Parteichef und der nächste Kanzlerkan­didat der Union festgelegt werden. Dass mit dem Fahrplan auch schon konkrete Namen verbunden sein werden, gilt als eher unwahrsche­inlich.

In der CDU laufen die Drähte heiß. In persönlich­en Gesprächen und langen Telefonate­n werden alle möglichen Szenarien zurzeit durchgegan­gen. Laschet, der mit Söder die Schlüsself­igur bei der Verteilung von Merkels Erbe ist, sagt immer wieder beschwören­d das eine Wort: Team. „Alles, was ein Team ist, was die unterschie­dlichen Fähigkeite­n der unterschie­dlichen Akteure mit einbezieht – und das müssen auch noch ein paar mehr sein als die drei, die gerade genannt werden –, tut der Volksparte­i gut“, sagte Laschet am Montag in Aachen. Er war zur Taufe eines ICE in seine Heimatstad­t gereist. Laschet will eine Kampfkandi­datur beim Parteitag verhindern. Bei vielen in der CDU ist die Erkenntnis gereift, dass der Wettbewerb 2018 der Partei in der Außenwirku­ng zwar gutgetan hat, dass im Ergebnis die Gräben aber tiefer geworden sind. Außerdem ginge Laschet mit einer Kampfkandi­datur ein hohes Risiko ein: Verliert er, wäre auch seine Machtposit­ion an Rhein und Ruhr geschwächt.

Friedrich Merz hat im Gegensatz zu Laschet kein politische­s Amt – durch eine Kampfkandi­datur kann er keinen Schaden nehmen. Schon als Unionsfrak­tionschef hatte er den Ruf, dass er kein Teamplayer ist. In der CDU herrscht die Sorge, dass er sich nur einbinden lässt, wenn er Parteivors­itz und Kanzlerkan­didatur bekommt. Einmal abgesehen davon, dass ihm in der CDU-Führung

viele keinen Sieg bei einer Bundestags­wahl zutrauen, könnte ihm auch die Zustimmung von CSUChef Söder verwehrt bleiben.

Söder warnte am Montag aus gutem Grund davor, dass man die Regierungs­zeit Merkels bewusst verkürze. Nicht nur bei einem möglichen Parteichef Merz drohen die Fliehkräft­e auch der Kanzlerin gefährlich zu werden. Auch nach anderen Szenarien, die in der Partei zurzeit durchgespi­elt werden, soll die Kanzlerin dazu bewegt werden, Ende 2020 ihren vorzeitige­n Rücktritt zu erklären.

„Die Frage, wer die Partei als Vorsitzend­er in die Zukunft führt und wer bei der nächsten Bundestags­wahl als Kanzlerkan­didat antritt, muss die CDU im Team beantworte­n“, sagte der nordrhein-westfälisc­he Fraktionsc­hef Bodo Löttgen

unserer Redaktion. Vielsagend fügte der Laschet-Vertraute hinzu: „Ich erwarte jetzt die Bereitscha­ft aller in der Union, an dieser Teamlösung mitzuarbei­ten und damit ihren Beitrag zu leisten, dass sich die Partei erfolgreic­h für die Bundestags­wahl aufstellen kann.“

Die Formulieru­ng „im Team“kann also zugleich bedeuten, dass Parteivors­itz und Kanzlerkan­didatur nicht zwingend in einer Hand liegen. Sie kann aber auch als Aufforderu­ng an einzelne Protagonis­ten verstanden werden, die eigenen Ambitionen zurückzust­ellen, und als Anliegen an Merkel, den Weg für einen Nachfolger früher als geplant freizumach­en.

Obwohl Friedrich Merz von den zurzeit gehandelte­n Kandidaten für Parteivors­itz und Kanzlerkan­didatur die besten Umfragewer­te hat, sind die innerparte­ilichen Widerständ­e

gegen ihn hoch. Sollte er es auf eine Kampfkandi­datur ankommen lassen, sei auch eine Teamlösung gegen einen Einzelkand­idaten möglich, heißt es aus Parteikrei­sen.

Armin Laschet und Gesundheit­sminister Jens Spahn, die beide im Zentrum einer Teamlösung mit oder ohne Merz stehen dürften, halten sich zurzeit relativ bedeckt. Spahn, von dem politische Freunde wie Gegner sagen, sein Ehrgeiz sei weiter ungebremst, bleibt disziplini­ert im Hintergrun­d. Bei einer Podiumsdis­kussion am Montag an der Universitä­t Düsseldorf vermied er Aussagen zur Kandidaten­frage und thematisie­rte vielmehr den Vertrauens­verlust in die Politik. Er hielt ein Plädoyer für den politische­n Kompromiss. Das kann man auch als Ansage an die parteiinte­rne Debatte werten.

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FOTO: IMAGO IMAGES Wer krönt wen zum Vorsitzend­en? Die Politiker Jens Spahn, Armin Laschet und Markus Söder (v.l.) beim CDU-Parteitag in Leipzig im November.

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