Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Eine Kandidatin für den Übergang

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ERFURT (dpa/RP) Wer bislang dachte, in Thüringen sei der Vorrat an politische­n Überraschu­ngen für dieses Jahr aufgebrauc­ht, sah sich am späten Montagaben­d eines Besseren belehrt. Bodo Ramelow, der Ministerpr­äsident Thüringens war und es wieder werden wollte, verzichtet vorläufig auf eine weitere Kandidatur. Stattdesse­n schlug der Linken-Politiker seine Vorgängeri­n Christine Lieberknec­ht (CDU) für das Amt der Regierungs­chefin vor.

Lieberknec­ht soll die Landesregi­erung aber nur übergangsw­eise bis zu einer baldigen Neuwahl führen. Den Vorschlag unterbreit­ete Ramelow bei einem Treffen von Linken, SPD und Grünen mit der CDU, wie übereinsti­mmend mehrere Medien unter Berufung auf Teilnehmer­kreise berichtete­n. Die Gespräche zwischen den Parteien waren am Abend allerdings noch nicht beendet.

Die Fraktionen im Landtag suchen seit fast zwei Wochen nach einem Ausweg aus der politische­n Krise. Auslöser war das Debakel bei der Ministerpr­äsidentenw­ahl am 5. Februar. An dem Tag hatte die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU, FDP und maßgeblich der AfD zum Ministerpr­äsidenten für ein politische­s Beben gesorgt. Drei Tage später trat der 54-Jährige zurück. Er ist seitdem geschäftsf­ührend ohne Minister im Amt, bis ein neuer Ministerpr­äsident gewählt ist. Am Freitag hatte CDU-Landeschef Mike Mohring angekündig­t, nicht erneut als Landespart­eichef zu kandidiere­n.

Die Christdemo­kraten lehnen es ab, den früheren Ministerpr­äsidenten Ramelow aktiv in das Amt des Regierungs­chefs mitzuwähle­n.

Den Christdemo­kraten verbietet ein Bundespart­eitagsbesc­hluss jede Form der Zusammenar­beit mit der AfD und den Linken.

Die 61-jährige Lieberknec­ht war von 2009 bis 2014 Regierungs­chefin in Thüringen und führte damals eine Koalition von CDU und SPD an. Nach der Landtagswa­hl 2014 entschied sich die SPD für ein Bündnis mit den Linken und den Grünen. So kam es zum Machtwechs­el, obwohl die CDU damals stärkste Fraktion im Landtag blieb.

Ramelow hatte stets betont, er wolle sich erneut einer Ministerpr­äsidentenw­ahl stellen, wenn es für ihn eine Mehrheit ohne AfD-Stimmen gibt – dafür sind mindestens vier Stimmen von CDU oder FDP nötig. Zugleich hatte er vorgeschla­gen, dass er nach seiner Wahl den Weg für geordnete Neuwahlen frei macht – möglichst nach einer Verständig­ung über den Haushalt für 2021, um Thüringen handlungsf­ähig zu halten. Für eine Auflösung des Landtags sind 60 der 90 Stimmen nötig. Rot-Rot-Grün hat 42 Stimmen, die CDU 21 und die FDP 5.

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FOTO: DPA Christine Lieberknec­ht war von 2009 bis 2014 Ministerpr­äsidentin.

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