Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Eintrittskarte zur Sportfamilie
Kickboxen ist die 126. Disziplin, deren Verband vom Landessportbund in NRW als Mitglied aufgenommen wurde. Die Hürden dafür sind vor allem für kleine Sportarten ziemlich hoch. E-Sport hat nach wie vor keine Chance.
DÜSSELDORF Vor ein paar Wochen gab es in Recklinghausen keinen feierlichen Festakt. Es gab eine recht unspektakuläre Mitgliederversammlung. In einem der hinteren Tagesordnungspunkte wurde dennoch etwas beschlossen, was mindestens für die betreffende Sportart als historisch einzuordnen ist. Kickboxen ist der 126. Verband, der in den Landessportbund NRW aufgenommen wurde. Erst im Januar hat die Dachorganisation dafür votiert. Und damit zwei Jahre später als der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der bereits 2017 den deutschen Ableger der World Association of Kickboxing Organizations, kurz Wako, als Mitglied bestätigt hat.
Für in Deutschland verhältnismäßig kleine Sportarten ist das ein Riesenschritt. „Das hat viel mit öffentlicher Anerkennung zu tun“, sagt Martin Albers, sportlicher Leiter der Wako NRW. „Es ist in unserer Sportart recht einfach, sich zum Weltmeister zu machen. Du gründest mit ein paar Leuten einen Verband, veranstaltest einen Kampf und hängst dir dann einen Gürtel um. Die sportliche Aussagekraft dahinter tendiert natürlich gegen null, aber das interessiert viele einfach nicht.“
Durch die Mitgliedschaft im DOSB gibt es für die Wako nun eine ganz andere Legitimation. „Wir sind nun Mitglied der Sportfamilie. Das war immer unser Ziel. Dadurch können wir uns natürlich entscheidend gegenüber allen anderen Verbänden in unserer Sportart absetzen. Wir erhoffen uns dadurch einiges, die Qualität soll sich signifikant steigern“, sagt Albers. „Wir stehen jetzt im Schaufenster und wollen das natürlich auch für uns nutzen.“Es ist ein langer Weg, bis man sich als junge Disziplin im organisierten Sport etabliert hat.
Die Aufnahme ist das eine, doch damit spielt man immer noch nicht per se auf den großen Bühnen. Kickboxen zum Beispiel ist nicht olympische Sportart, sondern „nur“bei den sogenannten World Games vertreten, einem internationalen Wettkampf in Sportarten, die nicht zum Programm der Olympischen Spiele gehören, aber dennoch eine hohe weltweite Verbreitung haben. Wäre es ein Ziel für Albers, 2032 mit einem
Athleten eine Medaille bei möglichen Sommerspielen in NRW zu gewinnen? „Ich würde es mich noch nicht trauen zu träumen, aber ja, es ist natürlich eine Vision, dass wir auch diese Hürde noch überspringen. Wir sind da aber auch realistisch und machen erstmal unsere Hausaufgaben.“
Die Mitgliedschaft im LSB NRW macht sich bezahlt – in welcher exakten Höhe, darüber wollen die beteiligten Parteien lieber nicht intensiver reden. Der LSB ist für seine Mitglieder eine politische Vertretung – Lobbyarbeit in der Politik inklusive. Die Vereinsförderung gehört dazu mit diversen Angeboten für Übungsleiter.
Der nächste Fachverband, der beim Landessportbund NRW in der Warteschlange steht, ist übrigens Frisbee. Bislang scheitert die
Aufnahme an den noch nur geringen Mitgliederzahlen. Zur Aufnahme benötigt der Frisbeesport-Landesverband 50 Mitgliedsvereine und insgesamt 2000 Mitglieder – aktuell sind es 41 Mitgliedsvereine, in denen knapp 1500 Aktive organisiert sind. „Wir haben in diesem Jahr einen Mitgliederwettbewerb ausgeschrieben, da wir spätestens im kommenden Jahr auch diese beiden Aufnahmepunkte erfüllen möchten“, sagt Präsident Werner Szybalski. „Das ist durchaus realistisch, da es noch viele Einzelsportler gibt, die nicht bei uns organisiert sind. Wir streben insbesondere für unsere zwölf reinen Frisbee-Vereine die Aufnahme in den LSB an. Dies hat unter anderem haftungs- und versicherungsrechtliche Hintergründe. Zudem ist es uns besonders wichtig, mit dem beliebten Schulsport Ultimate
möglichst bald auch mit offiziellen Wettkämpfen wie Jugend trainiert für Olympia im Schulbetrieb vertreten zu sein.“
Beim LSB sieht man sich als Dach für möglichst viele Sportarten, die gemeinwohlorientiert organisiert werden. „Wir sind offen für neue Sportarten beziehungsweise Bewegungsformen“, sagt Präsident Stefan Klett. „Es ist gerade für junge Sportarten nicht immer einfach, sich in den Strukturen zurechtzufinden. Da bieten wir gerne unsere Hilfe an und profitieren auch selbst von den neuen Impulsen, die diese Sportarten geben.“
Das gilt indes nicht für alle Lebensbereiche. In Sachen E-Sport ist die Haltung des Verbands nach wie vor ablehnend. Wie lange noch, wird vermutlich auch davon abhängen, wie sich international die Stimmungslage abzeichnet. Denn beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) könnte sich schon bald die Erkenntnis festsetzen, auch im virtuellen Geschäft mitspielen zu wollen – und vor allem mit verdienen zu wollen. In NRW steht man noch auf dem Standpunkt, prüfen zu wollen, in wie weit man das neue Phänomen in das bestehende System integrieren kann. Antwort bisher: Es geht nicht.
Gut möglich, dass sich bis zur nächsten Mitgliederversammlung die Standpunkte aber auch verändert haben. Zunächst ist allerdings Frisbee an der Reihe.