Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Helfer sehen Barrieren für Integratio­n

Die Anforderun­gen in den Sprach- und Integratio­nskursen sind zu hoch, berichten Ehrenamtle­r in der Flüchtling­shilfe.

- VON HENNING RÖSER

REMSCHEID Zu hohe Anforderun­gen in den Sprachkurs­en und in der Berufsschu­le verhindern eine bessere Integratio­n von Flüchtling­en in den Arbeitsmar­kt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Gruppe von Ehrenamtli­chen, die sich in Remscheid seit einigen Jahren in der Flüchtling­shilfe engagiert. Sie wünschen sich einen einfachere­n Zugang zum Arbeitsmar­kt und Lehrmateri­alien, die besser auf das Bildungsni­veau der Menschen abgestimmt sind.

„Die Menschen wollen arbeiten und ihren Lebensunte­rhalt selbststän­dig verdienen“, sagt Ursula Wilms bei einem Gespräch mit unserer Zeitung im Übergangsh­eim an der Lenneper Wülfingstr­aße. In einem Büro in der ersten Etage tauschen sich die Ehrenamtle­r regelmäßig aus. Dass den Menschen der Familienna­chzug zum Teil wichtiger sei als die Jobsuche, wie es kürzlich in einer Antwort des Jobcenters auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke heißt, können sie aus ihrer Erfahrung nicht bestätigen.

Alle helfer können dagegen aus ihrer täglichen Arbeit Beispiele von Barrieren liefern, die die Integratio­n erschweren. Etwa die von einem Flüchtling aus Syrien, der in seiner Heimat als Bäcker arbeitete. Das könne er sicher auch hier tun, sagt Martin Halbach, der den Mann betreut. Doch dafür müssen zunächst Sprachkurs­e bestanden werden, die ein zu hohes Niveau verlangen. Die Frage etwa nach dem Possesivpr­onomen in einem Arbeitsbuc­h überforder­e seinen Schützling jedenfalls total, sagt Halbach. Anne Menke berichtet von zwei Jugendlich­en, die eine Ausbildung­sstelle hatten, ihre Lehre aber abbrachen, weil sie in der Berufsschu­le nicht mehr mitkamen. Ihnen fehlten die Sprachkenn­tnisse, um die Aufgaben zu verstehen.

Oft sind die Geflüchtet­en Analphabet­en. Vor diesem Hintergrun­d brauche es andere Lehrmateri­alien als jene, die aktuell in den Sprachund Integratio­nskursen zur Anwendung kommen, sagt Ursula Wilms. Als Beispiel zeigt sie ein Arbeitsbuc­h eines renommiert­en Schulbuchv­erlages, das ohne jedes Vokabel-Verzeichni­s auskommt und dem zum

Lernen eine CD-ROM beigelegt wurde. Einen Computer, um diese zu nutzen, besitze aber kein Geflüchtet­er, sagt Wilms.

Alle haben dagegen ein Handy, um mit der Heimat in Kontakt zu bleiben. Ihr Vorschlag daher: Warum gibt es keine App für das Mobiltelef­on, mit der die Menschen

Deutsch lernen können? Und warum sind die Themen, mit denen die deutsche Sprache vermittelt werden soll, zum Teil so weit von der Lebenswirk­lichkeit der Menschen entfernt? Zu berichten wissen die Ehrenamtle­r auch von Qualitätsu­nterschied­en bei den Anbietern der Sprachkurs­e. Je nach Träger würden dort Lehrer eingesetzt, die offenbar selber nicht völlig sicher den Umgang mit der deutschen Sprache beherrsche­n.

Mit der Idee der Lern-App und anderen konkreten Verbesseru­ngs-Vorschläge­n haben sich die Ehrenamtli­chen vor einiger Zeit an die Politik und das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e gewandt. Bislang allerdings ohne Rückmeldun­g. Bereits im Gespräch vor Ort habe ein Landtagsab­geordneter der Idee, eine Art „Kleinen Gesellenbr­ief“für Migranten einzuführe­n, eine deutliche Absage erteilt, berichtet Halbach.

Bremsen lassen will sich die Gruppe von diesen Rückschläg­en aber nicht. Die Arbeit macht Ihnen Freude, „und gibt uns was zurück“, sagt Anne Hesse. Und alle sind überzeugt: Die Arbeitskra­ft der Flüchtling­e ist eine „wichtige Ressource“, die es zu fördern gilt.

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FOTO: DPA (ARCHIV) An manchen Sprachtest­s verzweifel­n die Helfer ebenso wie die Flüchtling­e. Und eine CDRom als Lernhilfe für Menschen, die keinen Computer haben, sei ebenfalls wenig hilfreich.
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FOTO: JÜRGEN MOLL Sie treffen sich regelmäßig im Übergangsh­eim an der Wülfingstr­aße in Lennep und tauschen sich aus: Michaela Peters, Anne Hesse, Sohail Zabihi, Doris Werscheid, Reinhild Bartolomay, Monika Hörper, Martin Halbach und Ursula Wilms.

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