Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Lizenz zum Flöten
Der Bond-Song ist die Königsdisziplin des Pop. Sein Sound sagt einiges über die Zeit, in der er entsteht. Ein Überblick aus 58 Jahren.
LONDON Seit Jahrzehnten ist das Tradition: Bevor ein Bond-Film ins Kino kommt, wird der Titelsong dazu veröffentlicht. Er soll die Atmosphäre der Produktion vorwegnehmen und die Vorfreude steigern. Der „BondSong“ist ein eigenes Genre. Für die Künstler bedeutet es eine besondere Ehre, das Lied schreiben und singen zu dürfen, und wenige andere Lieder bekommen so viel Aufmerksamkeit. Man kann die vergangenen 58 Jahre an diesen Liedern entlangerzählen. Eine Auflistung von Wolfram Goertz, Kenan Hasic, Philipp Holstein und Klas Libuda.
007 jagt Dr. No (1962)
Am Anfang war das Motiv, und das Motiv stammte von Monty Norman, der es schrieb, und John Barry, der es arrangierte. Das „Bond-Thema“eröffnete die Serie so wuchtig, dass es daneben keinen eigenen Titelsong brauchte.
Liebesgrüße aus Moskau (1963) Der erste Bond-Film, in dem John Barry die Leitung als Komponist übernahm. „From Russia With Love“ist das erste Titellied, gesungen von Matt Monro. Ein verträumter Song über einen Agenten, der Liebe dem Abenteuer vorzieht.
Goldfinger (1964)
Die Mutter aller Bond-Songs, Maßlosigkeit als Prinzip: pompöser Terzfall in den Harmonien, ein Thema mit Sprung nach oben, wie wenn die Musik das Maul aufreißt, Shirley Basseys explosive Stimme. Besser geht es nicht.
Feuerball (1965)
Tom Jones war in England mit einer anderen Nummer auf Platz eins gelandet, da schrieb ihm John Barry „Thunderball“. Hier dringt das Virile wie ein Tiger auch ins Mikrofon. Das „Bond-Thema“schimmert durch.
Man lebt nur zweimal (1967) Eigentlich sollte Aretha Franklin den Titelsong zu dem Film mit Sean Connery singen, aber weil Nancy Sinatra gerade mit „These Boots Are Made For Walkin’“einen so großen Hit hatte, entschied man sich für sie. „You Only Live Twice“ist tatsächlich einer der besten BondSongs. Total sympathisch: Nancy Sinatra war so nervös, dass sie 25 Takes brauchte.
Im Geheimdienst Ihrer Majestät (1969)
Der zweite Bond-Film ohne Titelsong, abermals mit rein orchestraler Stimmungsmache durch John Barry.
Wunderbar das Liebeslied „We have All The Time in the World“– der letzte Song, den Louis Armstrong zu Lebzeiten sang.
Diamantenfieber (1971)
Shirley Bassey liefert mit „Diamonds Are Forever“ihren zweiten BondSong. In Deutschland sang 1972 Tanja Berg mit „Diamanten sind für immer“die Titelmelodie.
Leben und sterben lassen (1973) Linda und Paul McCartney schrieben „Live And Let Die“gemeinsam, klasse Song, sehr dynamisch, eigentlich eine Suite. Er war der erste Bond-Song, der für den Oscar nominiert wurde. Beatles-Produzent George Martin besorgte die Orchester-Arrangements. Das Stück erreichte Platz zwei in den USA. 1991 coverten dann Guns N Roses das Lied.
Der Mann mit dem goldenen Colt (1974)
Lulu singt in „The Man With The Golden Gun“von Macht und Maskulinität, ein Song, der den Zeitgeist der frühen 70er widerspiegeln sollte. Ursprünglich war Alice Coopers gleichnamiges Stück als Titellied vorgesehen.
Der Spion, der mich liebte (1977) Das von den Bee Gees inspirierte „Nobody Does It Better“war ein Riesen-Erfolg für Carly Simon und brachte ihr eine Oscar-Nominierung ein.
Moonraker – Streng geheim (1979) Zum dritten Mal Shirley Bassey. Weniger explosiv als zuvor, dafür umso gefühlvoller.
In tödlicher Mission (1981)
„For Your Eyes Only“ist eine herrlich melodiöse und ausgreifende Popnummer mit Sheena Easton. Oft wurde sie gecovert, etwa von Thomas Anders. Übrigens war Easton im Vorspann des Films zu sehen, eine Rarität.
Octopussy (1983)
„All Time High“brachte Rita Coolidge nur ein vorübergehendes Hoch. Der Song gelangte in Deutschland und vielen weiteren Ländern in vordere Chart-Positionen, an den Erfolg konnte die Sängerin allerdings nie mehr anknüpfen. Geschrieben hat an diesem Lied übrigens Tim Rice, der auch das Musical „Evita“miterfand.
Im Angesicht des Todes (1985) Duran Duran, „A View To A Kill“: Riesenlied. Ehrlich gesagt mehr Duran-Duranals Bond-Song. Ideal aber für den Film mit Roger Moore und Grace Jones. Achtziger-JahreSchulterpolster-Synthie-Pop. Bernard Edwards von der Band Chic produzierte. Herrlich der Videoclip: Duran Duran spielen Agenten. Und Sänger Simon Le Bon stellt sich so vor: „Bon, Simon Le Bon.“Der Lohn: Platz eins in den USA.
Der Hauch des Todes (1987)
Die norwegische Gruppe A-ha soll heftig mit John Barry gestritten haben. Sie wollten ihre eigene Version, also weniger Bond und mehr Band. „The Living Daylights“eröffnete die Ära von Timothy Dalton als Bond. Als Interpreten im Rennen waren auch die Pet Shop Boys. Ihr Vorschlag „This Must Be The Place“wurde aber abgelehnt.
Lizenz zum Töten (1989)
Gladys Knight war die perfekte Wiedergängerin von Shirley Bassey, zumal ihr Song das „Goldfinger“-Motiv zitiert. Ursprünglich sollten den Titelsong Vic Flick, Gitarrist des Bond-Themas, und Eric Clapton gestalten.
Goldeneye (1995)
Die Kollaboration zwischen Bono & The Edge von U2 und Tina Turner startete die Pierce-Brosnan-Ära als Bond-Darsteller. Tina Turner lässt hier an Shirley Bassey erinnern, allerdings weniger energetisch und erinnerungswürdig.
Der Morgen stirbt nie (1997) Sheryl Crow wurde für „Tomorrow Never Dies“nachnominiert, obwohl „Surrender“von KD Lang bereits vorlag, die womöglich bessere Nummer. Aber Crow galt als bekannter. Zwischendurch gibt es Langsames von Beethoven.
Die Welt ist nicht genug (1999) Langweilige Ballade mit orchestraler Begleitung. Im Videoclip zu „The World Is Not Enough“sieht man die Musiker von Garbage ihre E-Gitarren spielen. Davon hört man im Song aber nichts.
Stirb an einem anderen Tag (2002) Man kann nicht sagen, dass Madonna nicht wagemutig gewesen wäre. Gemeinsam mit ihren damaligen Produzenten Mirwais arrangierte sie einen harten Elektro-Song, in dem ihre Stimme so eigenartig zwitschert. „Anti-Bond-Song“nannten manche das Stück „Die Another Day“. Man hatte damals unbedingt Superstar Madonna gewollt, weil der Vorgänger-Titel von Garbage so gefloppt war. Ergebnis: immerhin Platz acht in den USA.
Casino Royale (2006)
„You Know My Name“stammt vom früheren Soundgarden- und Audioslave-Sänger Chris Cornell. Von ein paar Trompeten abgesehen ein richtiger Rocksong. Gab es danach so nie wieder bei Bond. Die Zeit von Jungsrockgruppen war Mitte der 2000er ohnehin vorbei.
Ein Quantum Trost (2008)
Alicia Keys und Jack White sangen „Another Way to Die“. Es heißt, dass eigentlich Amy Winehouse einen Bond-Song beisteuern sollte. Winehouse fiel allerdings aus, so kam es zum ersten Duett der Bond-Musikgeschichte.
Skyfall (2012)
Adele singt eine klassische Bond-Ballade. Das Lied „Skyfall“erlebte am Tag genau 50 Jahre nach der Premiere von Bond Nummer eins seine Erstaufführung – das verpflichtet. Adele setzte sich gegen Lady Gaga und die Killers durch. „Skyfall“hat diesen Old World Glamour. Unzeitgemäß, aber schön.
Spectre (2015)
Sänger und Songwriter Sam Smith gewann für „Writing’s On The Wall“einen Golden Globe und einen Oscar. An den Song erinnert sich heute niemand mehr, an den Sänger auch nicht.
Keine Zeit zu sterben (2020)
Der größte Star des Moments singt den traurigsten Bond-Song aller Zeiten. Billie Eilish und ihr Bruder Finneas als Produzent liefern gemeinsam mit Hans Zimmer den Schwanengesang der Ära Daniel Craig (Kinostart 2. April). Schwermut mit Goldrand.