Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Wozu Blutverdünner?
Viele Menschen sind nicht optimal informiert, warum sie blutverdünnende Medikamente nehmen müssen. Das muss sich ändern.
Unser Leser Paul G. (74) aus Viersen fragt: „Mich hat ein Medikamentenberater meiner Krankenkasse angerufen und gefragt, warum ich Blutverdünner nehme. Diese würden zu Komplikationen wie Blutungen führen und hätten auch Wechselwirkungen zu anderen Medikamenten. Ich habe einen Ausdruck einer ABDA-Datenbank bekommen. Kann ich diese Tabletten nicht einfach absetzen?“Klaus Dominick Es gibt drei Sorten von Realitätsverzerrung: „Habe ich gehört“, „man sagt“und „habe ich im Internet gelesen“. Alle drei haben die Gemeinsamkeit, dass in der Regel keine Risiko-Nutzen-Bewertung durchgeführt wird. Als Arzt mit 25-jähriger Erfahrung sehe ich Risiken wie Blutungen bei Blutverdünnern, Nierenbelastungen bei Schmerzmitteln, Allergien bei Antibiotika oder Magenschmerzen bei Plättchenhemmern und dann auch Wechselwirkungen zu anderen Medikamenten, so dass ich bestimmte Kombinationen vermeide oder die Dosis anpasse. Dann wäge ich Vor- und Nachteile gegeneinander ab.
Aktuell werden vor allem die negativen Seiten von Medikamentenberatern, Internetapotheken oder Beipackzetteln aufgelistet. Patienten spüren, dass eine Negativnachricht einen zehnmal stärkeren Effekt hat als eine positive. Wird unser Gehirn mit Aussagen konfrontiert und werden sie möglichst häufig wiederholt, dann klingt plötzlich Falsches vertraut und wirkt daher auf einmal richtig. Da ist es dann nicht mehr möglich, gute Medizin umzusetzen.
Blutverdünner führen zu einer Blutverdünnung. Trotzdem sind sie so dosiert, dass eine gesunde Schleimhaut nicht blutet. Manchmal fällt ein bösartiger Dickdarmkrebs erst nach Gabe einer Blutverdünnung durch Darmbluten und
Blut im Stuhlgang auf. Das ist dann aber ein Segen, da dieser Krebs erkannt wird – hoffentlich noch in einem Frühstadium. Andere Formen der Blutungen sind in der Regel harmlos und sollten Sie als Patienten nicht abhalten, die Medikamente einzunehmen. Alternativ müssten Sie das Risiko eines Schlaganfalles mit Halbseitenlähmung und Rollstuhl in Kauf nehmen. Etwa 40 Prozent der Schlaganfälle sind durch Gerinnsel des Herzens verursacht.
Manchem ist nicht bewusst, dass ein Nicht-Handeln eine viel größere Gefahr ist als ein Handeln. Führt man eine Blutverdünnung etwa mit Marcumar durch, so muss durch eine Blutentnahme der INR-Wert bestimmt werden. Je nach Situation sollten die INR-Werte bei 2,5 oder höher liegen. Bei Kunstklappenpatienten mit einer künstlichen Mitralklappe etwa bei 3,0 bis 4,0. Verschiedene Medikamente beeinflussen die Wirkung von Marcumar – aber eben auch Nahrungsergänzungsmittel und pflanzliche Therapien. Bitte legen Sie Ihrem Arzt daher immer eine Liste aller Tabletten vor, die Sie einnehmen. Auch die Präparate aus dem Reformhaus gehören hierzu.
Gleiches gilt für die Blutverdünner, bei denen keine Laborkontrollen mehr erfolgen müssen. Hier sind die Präparate Edoxoban, Dabigatran, Apixaban und Rivaroxaban auf dem Markt (Wirkstoffnamen). Auch hier ist es wichtig, dass Sie dem Hausarzt alle Tabletten mitteilen, die Sie einnehmen. Hat eine Blutverdünnung begonnen, so sollten alle sechs Monate die Nierenwerte bestimmt werden. Wenn die richtige Dosis gegeben und auch eingenommen wird, dann haben Sie einen guten Schutz vor Blutgerinnseln und somit vor einem Schlaganfall.