Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Der Vierte im Bunde
Friedrich Merz, Jens Spahn und Armin Laschet – das waren bislang die möglichen Anwärter auf den CDU-Vorsitz. Als Erster aus der Deckung gewagt hat sich jetzt aber ein anderer.
Ausgerechnet an dem Tag, an dem die noch amtierende CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer Einzelgespräche mit ihren potenziellen Nachfolgern aufnehmen wollte, hat ein weiterer katholischer Mann aus Nordrhein-Westfalen seinen Hut in den Ring geworfen. Der Außenpolitiker, frühere Umweltminister und einstige Spitzenkandidat im NRW-Wahlkampf 2012, Norbert Röttgen, schickte am Dienstagmorgen eine E-Mail ins Adenauer-Haus, in der er seine Bewerbung um den Parteivorsitz ankündigte.
Er sei der festen Überzeugung, dass es um weit mehr gehe als den Parteivorsitz, und schon gar nicht um die Interessen Einzelner, argumentiert der 54-Jährige nach eigenen Angaben in dem Schreiben an Kramp-Karrenbauer. „Die Lage ist so ernst, dass es um die Zukunft der CDU geht und darum, was sie für die Stabilität Deutschlands bedeutet“, sagte Röttgen. Dies wolle er in einem offenen Prozess in die CDU einbringen.
Röttgen war von 2009 bis 2012 Bundesumweltminister und setzte sich 2010 in einer Mitgliederbefragung um den NRW-Landesvorsitz gegen Armin Laschet durch. Die Landtagswahlen 2012 verlor er, worauf Bundeskanzlerin Angela Merkel ihn aus dem Kabinett entließ. Als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages konnte er sich danach neu profilieren.
Auch wenn die anderen möglichen Kandidaten ihre Bewerbung noch nicht offiziell erklärt haben, stehen nun doch vier mögliche Aspiranten auf Merkels Erbe in Konkurrenz: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Gesundheitsminister Jens Spahn, der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz – und Norbert Röttgen.
Vor der Berliner Presse legte Röttgen am Dienstagvormittag nach. Aus seiner Sicht wurde der Prozess, wer künftig die CDU führen will, falsch begonnen – „wie eine Jacke, bei der man schon den ersten Knopf falsch knöpft“. Er referierte sechs inhaltliche Punkte, mit denen er seine Bewerbung unterfüttern wollte. Dazu gehörten die Abgrenzung zur AfD, das Versprechen einer Politik der Mitte und die Betonung von Umwelt- und Klimapolitik.
Kurz nach Röttgens Pressekonferenz sprachen Kramp-Karrenbauer und Merz miteinander. Der Ex-Fraktionschef sagte hinterher, es sei ein „sehr gutes Gespräch“gewesen. Sein Sprecher betonte, Merz stimme sich nun weiter mit allen Beteiligten ab und werde sich zu gegebener Zeit äußern.
Mit seiner Kandidatur hat Röttgen die CDU ganz offensichtlich überrumpelt. Auch jene, die ihn achten, missbilligten seine Kandidatur. Eckhardt
Rehberg (CDU), Chef-Haushälter der Unionsfraktion, sagte: „Ich schätze Norbert Röttgen persönlich sehr. Ich halte aber nichts davon, jetzt in einen Überbietungswettbewerb ,offizieller’ und ,noch nicht offizieller’ Kandidaten einzutreten.“Auch aus NRW kamen kritische Stimmen. „Wir hier in NRW haben unsere persönlichen Erfahrungen mit Norbert Röttgen“, hieß es aus hochrangigen Parteikreisen. „Im Landtagswahlkampf 2012 desavouierte er NRW, indem er sich nicht klar dazu bekannte, hier zu bleiben: Instinktlosigkeit ist kein Beleg dafür, eine Partei führen zu können.“
Zugleich spielten auch taktische Überlegungen bei Röttgens Parteifreunden eine Rolle. Eine Teamlösung sei mit der Ankündigung Röttgens zwar erschwert, aber nicht von vornherein ausgeschlossen. Röttgen plädierte dafür, die Nachfolge Kramp-Karrenbauers als Parteichefin bei einem Sonderparteitag „deutlich vor der Sommerpause“zu entscheiden – die Frage der Kanzlerkandidatur könne hingegen bis Ende des Jahres warten. Dafür hatte zuletzt auch die CSU plädiert.