Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
CDU will CDU-Kandidatin in Thüringen nicht einfach mittragen
Die frühere Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht soll nach einem Linken-Vorschlag eine Übergangsregierung anführen. SPD und Grüne sind dafür.
ERFURT/BERLIN Der Schachzug des früheren Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) hat die CDU in Bedrängnis gebracht: Ramelow hatte überraschend vorgeschlagen, seine Vorgängerin Christine Lieberknecht von der CDU zur Chefin einer Übergangsregierung zu machen, um die Regierungskrise in seinem Bundesland zu beenden. Lieberknecht, mit der Ramelow einen freundschaftlichen Kontakt pflegt, solle eine „technische Regierung“anführen, die binnen 70 Tagen Neuwahlen vorbereiten solle.
Während SPD und Grüne den Vorschlag unterstützten, brauchte die CDU viele Stunden, um zu reagieren. Erst am Dienstagnachmittag verkündete CDU-Partei- und Fraktionschef Mike Mohring, man könne sich eine Übergangsregierung unter Lieberknecht nur unter Bedingungen vorstellen. Die aber gehören bisher nicht zum Plan Ramelows.
Die CDU ist anders als die Linke nicht an schnellen Neuwahlen interessiert. Sie würde nach dem Wahldebakel am 5. Februar, als der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, voraussichtlich erheblich verlieren. Die Linke dagegen dürfte gestärkt aus Neuwahlen hervorgehen – zumal Ramelow mit dem Lieberknecht-Vorstoß ein Coup gelungen ist.
„Wir greifen den Vorschlag auf, Christine Lieberknecht zur Ministerpräsidentin zu wählen“, sagte CDU-Landeschef Mohring zwar. Um Stabilität herzustellen, brauche es jedoch eine vollständig besetzte Übergangsregierung. Die demokratischen Parteien sollten jeweils Experten in diese Regierung berufen. Sie solle auch den Landeshaushalt 2021 aufstellen. Erst wenn der Etat im Landtag verabschiedet sei, könne es Neuwahlen geben, so Mohring. Dies dürfte aber Monate dauern.
Ramelow hatte dagegen seine früheren Minister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke, Staatskanzlei), Heike Taubert (SPD, Finanzen) und Dieter Lauinger (Grüne, Justiz) als mögliche Minister einer nur vierköpfigen Lieberknecht-Regierung ins Spiel gebracht. Auch solle der Landeshaushalt nur vorbereitet, nicht bereits verabschiedet werden. Es gehe darum, einen Weg zu finden, bei dem alle erhobenen Hauptes aus der Krise kommen. Die 61-jährige Lieberknecht sei bereit, bei einem
Ausweg aus der Regierungskrise zu helfen, hatte Ramelow zuvor erklärt. Er habe am Dienstag lange mit ihr telefoniert. Lieberknecht war von 2009 bis 2014 Ministerpräsidentin.
Die Thüringer CDU steckt in einem Dilemma. Sie ist an einen Parteitagsbeschluss gebunden, der eine Koalition oder ähnliche Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch der Linken ausschließt. Sie will deshalb den Linken Ramelow nicht zum Ministerpräsidenten wählen – und könnte daher auch keinen Minister der Linken in einer Übergangsregierung unter Lieberknecht akzeptieren.