Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Freispruch und Festnahme in Gezi-Prozess
Osman Kavala wird überraschend freigesprochen – und gleich danach wieder festgenommen.
ISTANBUL (dpa) Gut sechs Jahre nach den regierungskritischen Gezi-Protesten in der Türkei sind der Intellektuelle Osman Kavala und acht weitere Angeklagte überraschend freigesprochen worden. Allerdings kam Kavala nicht wie erhofft am Dienstagabend frei, weil erneut seine Festnahme angeordnet wurde. Bei einer neuen Ermittlung der Staatsanwaltschaft gehe es um den Putschversuch vom 15. Juli 2016, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur
Anadolu am Dienstagabend. Kavala werde versuchte Abschaffung der verfassungsmäßigen Ordnung vorgeworfen.
Ein Richter hatte Kavala zuvor überraschend freigesprochen und seine Freilassung nach mehr als zwei Jahren Untersuchungshaft angeordnet. Es gebe keine ausreichenden Beweise, begründete der Richter die Entscheidung. Kavala und acht weiteren Angeklagten war ein Umsturzversuch im Zusammenhang
mit den Gezi-Protesten von 2013 vorgeworfen worden.
Diese hatten sich an der Bebauung des Gezi-Parks im Zentrum Istanbuls entzündet. Die Aktion weitete sich aus zu landesweiten Demonstrationen gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der ließ die Proteste brutal niederschlagen.
Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin kommentierte am Dienstagabend das Urteil nicht, sagte aber, man dürfe nicht vergessen, dass die Gezi-Proteste der Türkei geschadet hätten.
Kavala, der mit zahlreichen deutschen Institutionen zusammenarbeitet, war im November 2017 inhaftiert worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte im Dezember Kavalas Freilassung gefordert. Die Türkei hatte das Urteil zunächst nicht umgesetzt.