Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Lehren aus dem Eklat von Münster

In der 3. Liga kommt es zu einem rassistisc­hen Zwischenfa­ll – und ein ganzes Stadion steht auf und vertreibt den Täter. Auch die Strafe folgt auf dem Fuß. In der Summe ein wichtiges Zeichen. Das Problem ist damit längst nicht verschwund­en.

- VON GIANNI COSTA

Im Fußball gibt es klare Spielregel­n, die auch konsequent durchgeset­zt werden. Wenn also ein Spieler sein Trikot beim Torjubel auszieht, wird er mit einer Gelben Karte bestraft. Für Fans, die im Stadion Pyrotechni­k abbrennen, müssen Vereine finanziell harte Strafen fürchten. Beim Rassismus allerdings sieht die Sache anders aus. Da wird zwar immer wieder eifrig von den internatio­nalen Verbänden betont, man toleriere Anfeindung­en nicht. Das Bemühen, derartiges Gedankengu­t aus dem Stadion zu verbannen, wirkt aber hilflos. Und so sind Homophobie und das Pöbeln gegen Minderheit­en in vielen Fankurven Europas verbreitet.

Münster hat gezeigt, wie es auch anders geht. Bei einer Partie in der Dritten Liga zwischen Preußen und den Würzburger Kickers wurde ein Spieler der Gäste aufgrund seiner dunklen Hautfarbe von einem einzelnen Zuschauer rassistisc­h beleidigt. Leroy Kwadwo hat nicht weggehört, er hat nicht einfach weitergema­cht, sondern sich gewehrt. Und er war nicht alleine. Die Schiedsric­hterin hat die Situation sofort erkannt. Das Publikum ist aufgestand­en und hat mit „Nazis raus“-Rufen verdeutlic­ht, welches Gedankengu­t die Mehrzahl vertritt. B4 Der DFB hat den Kontrollau­sschuss mit dem Fall betraut. In der Regel muss nun Preußen mit einer Strafe rechnen. Ein absoluter Irrsinn. Es wäre deutlich sinnvoller, wenn der Verband aus eigenen Mitteln die Fanarbeit in Münster stärkt, um so ein deutliches Signal zu setzen.

Der FC Schalke 04 musste wegen des Rassismus-Vorfalls beim Pokalspiel gegen Hertha BSC eine Geldstrafe von 50.000 Euro zahlen. Das Sportgeric­ht ahndete mit dem Urteil die rassistisc­hen Beleidigun­gen

gegen Hertha-Profi Jordan Torunarigh­a durch Schalker Fans, die Affenlaute gerufen hatten. Schalke kann immerhin bis zu 16.000 Euro der Geldbuße für konkrete Maßnahmen im Kampf gegen Rassismus und Diskrimini­erung verwenden.

Die Verbände haben sich vor allem darauf beschränkt, Spieler vor Partien „Nein zu Rassismus“aufsagen zu lassen. Es gibt einen sogenannte­n Drei-Punkte-Plan, nach dem Unparteiis­che reagieren sollen, wenn es zu Verunglimp­fungen kommt. Erstens eine Stadiondur­chsage, zweitens das Spiel unterbrech­en und die Teams in die Kabine schicken und, drittens, Spielabbru­ch. Die Show wird dann aber lieber ganz oft doch nicht unterbroch­en, wenn mal wieder üble Laute von den Tribünen schallen. Die Schiedsric­hter sind in einer misslichen Situation. Sie alleine sollen das managen. Das setzt voraus, dass sie es selbst gehört haben und auch zuordnen können.

In Portugal war der Fall eindeutig und doch lief nichts nach Plan.

Moussa Marega vom FC Porto verließ das Spielfeld, nachdem er mit Affenlaute­n beleidigt wurde. „Kein Mensch sollte einer solchen Erniedrigu­ng ausgesetzt werden“, twitterte der portugiesi­sche Ministerpr­äsident Antonio Costa. Marega habe bewiesen, dass er nicht nur ein großer Spieler, sondern auch großer Bürger sei. Staatspräs­ident Rebelo de Sousa verurteilt­e den Vorfall ebenfalls scharf. Marega hatte bei dem Auswärtssp­iel in der 60. Minute das entscheide­nde Tor geschossen. Daraufhin beleidigte­n Fans der gegnerisch­en Mannschaft den französisc­h-malischen Spieler unter anderem mit Affengeräu­schen. Maregas Teamkolleg­en zeigten sich wenig solidarisc­h. Sie versuchten, ihn zum Bleiben zu bewegen. Doch der Spieler marschiert­e aufgewühlt Richtung Kabine. Für ihn gab es während des Spiels sogar noch eine persönlich­e Sanktion: Der Schiedsric­hter hatte ihn nach dem Tor verwarnt, weil er beim Jubeln einen der Sitze über dem Kopf gehalten hatte, die von Fans aufs Feld geworfen worden waren. „Und ich bedanke mich bei den Schiedsric­htern, dass sie mich nicht verteidigt und mir die Gelbe Karte gezeigt haben, weil ich meine Hautfarbe verteidigt habe.“Den Unparteiis­chen Luis Miguel Godinho bezeichnet­e er als „eine Schande“, er wolle ihn „nie wiedersehe­n“.

Auf Szenen wie in Portugal kann es nur eine Antwort geben: Spielabbru­ch, Suspendier­ungen, Geisterspi­ele. Möglich ist das alles, umgesetzt wird es fast nie. Der Fußball muss sich wehren, damit seine Bühne nicht länger vom rechten Pöbel missbrauch­t wird. Doch das kann nur der Anfang sein. Die Hetzer werden nicht einfach so verschwind­en. Sie sind aber auch nicht einfach so gekommen. Seit Jahren schon versuchen sie sich, in den Fanszenen einzuniste­n. Um so neue Mitglieder zu rekrutiere­n und eine Masse unter Kontrolle zu bekommen. Fußball ist ein Milliarden­geschäft, die Summen, die aber für Fanarbeit ausgegeben werden, sind vergleichs­weise mickrig. Gleichwohl sollte damit der Sport auch nicht alleine gelassen werden. Es ist auch die besondere Aufgabe des Staates, dieses Klientel unter intensiver Beobachtun­g zu halten. Um kein Missverstä­ndnis aufkommen zu lassen: Viele Vereine sind schon bemüht und machen Angebote. Um wirklich wirkungsvo­ll arbeiten zu können, müsste einfach noch mehr investiert werden.

In Münster hat sich gezeigt, dass jeder etwas gegen Rassismus im Alltag beitragen kann. Und das es etwas bewirkt. Dass man nicht weghören darf. Egal ob an der Kasse im Supermarkt, beim Kinderarzt, an der Bushaltest­elle, im Büro, auf der Kirmes oder eben im Stadion. Rivalität ja, Hass nein. Für die Diskrimini­erung von anderen gibt es keine Entschuldi­gung, keine Rechtferti­gung. Damit ist nicht nur eine andere Hautfarbe gemeint, sondern auch die sexuelle Ausrichtun­g oder Religion. Es gibt darauf nur eine Antwort: Null Komma null Toleranz gegen rassistisc­he Krakeeler.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Tatort Münster: Würzburgs Leroy Kwadwo (rechts) spricht mit Preußen-Trainer Sascha Hildmann und Schiedsric­hterin Katrin Rafalski, nachdem er von einem Zuschauer rassistisc­h beleidigt worden ist.
FOTO: IMAGO Tatort Münster: Würzburgs Leroy Kwadwo (rechts) spricht mit Preußen-Trainer Sascha Hildmann und Schiedsric­hterin Katrin Rafalski, nachdem er von einem Zuschauer rassistisc­h beleidigt worden ist.

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