Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Lehren aus dem Eklat von Münster
In der 3. Liga kommt es zu einem rassistischen Zwischenfall – und ein ganzes Stadion steht auf und vertreibt den Täter. Auch die Strafe folgt auf dem Fuß. In der Summe ein wichtiges Zeichen. Das Problem ist damit längst nicht verschwunden.
Im Fußball gibt es klare Spielregeln, die auch konsequent durchgesetzt werden. Wenn also ein Spieler sein Trikot beim Torjubel auszieht, wird er mit einer Gelben Karte bestraft. Für Fans, die im Stadion Pyrotechnik abbrennen, müssen Vereine finanziell harte Strafen fürchten. Beim Rassismus allerdings sieht die Sache anders aus. Da wird zwar immer wieder eifrig von den internationalen Verbänden betont, man toleriere Anfeindungen nicht. Das Bemühen, derartiges Gedankengut aus dem Stadion zu verbannen, wirkt aber hilflos. Und so sind Homophobie und das Pöbeln gegen Minderheiten in vielen Fankurven Europas verbreitet.
Münster hat gezeigt, wie es auch anders geht. Bei einer Partie in der Dritten Liga zwischen Preußen und den Würzburger Kickers wurde ein Spieler der Gäste aufgrund seiner dunklen Hautfarbe von einem einzelnen Zuschauer rassistisch beleidigt. Leroy Kwadwo hat nicht weggehört, er hat nicht einfach weitergemacht, sondern sich gewehrt. Und er war nicht alleine. Die Schiedsrichterin hat die Situation sofort erkannt. Das Publikum ist aufgestanden und hat mit „Nazis raus“-Rufen verdeutlicht, welches Gedankengut die Mehrzahl vertritt. B4 Der DFB hat den Kontrollausschuss mit dem Fall betraut. In der Regel muss nun Preußen mit einer Strafe rechnen. Ein absoluter Irrsinn. Es wäre deutlich sinnvoller, wenn der Verband aus eigenen Mitteln die Fanarbeit in Münster stärkt, um so ein deutliches Signal zu setzen.
Der FC Schalke 04 musste wegen des Rassismus-Vorfalls beim Pokalspiel gegen Hertha BSC eine Geldstrafe von 50.000 Euro zahlen. Das Sportgericht ahndete mit dem Urteil die rassistischen Beleidigungen
gegen Hertha-Profi Jordan Torunarigha durch Schalker Fans, die Affenlaute gerufen hatten. Schalke kann immerhin bis zu 16.000 Euro der Geldbuße für konkrete Maßnahmen im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung verwenden.
Die Verbände haben sich vor allem darauf beschränkt, Spieler vor Partien „Nein zu Rassismus“aufsagen zu lassen. Es gibt einen sogenannten Drei-Punkte-Plan, nach dem Unparteiische reagieren sollen, wenn es zu Verunglimpfungen kommt. Erstens eine Stadiondurchsage, zweitens das Spiel unterbrechen und die Teams in die Kabine schicken und, drittens, Spielabbruch. Die Show wird dann aber lieber ganz oft doch nicht unterbrochen, wenn mal wieder üble Laute von den Tribünen schallen. Die Schiedsrichter sind in einer misslichen Situation. Sie alleine sollen das managen. Das setzt voraus, dass sie es selbst gehört haben und auch zuordnen können.
In Portugal war der Fall eindeutig und doch lief nichts nach Plan.
Moussa Marega vom FC Porto verließ das Spielfeld, nachdem er mit Affenlauten beleidigt wurde. „Kein Mensch sollte einer solchen Erniedrigung ausgesetzt werden“, twitterte der portugiesische Ministerpräsident Antonio Costa. Marega habe bewiesen, dass er nicht nur ein großer Spieler, sondern auch großer Bürger sei. Staatspräsident Rebelo de Sousa verurteilte den Vorfall ebenfalls scharf. Marega hatte bei dem Auswärtsspiel in der 60. Minute das entscheidende Tor geschossen. Daraufhin beleidigten Fans der gegnerischen Mannschaft den französisch-malischen Spieler unter anderem mit Affengeräuschen. Maregas Teamkollegen zeigten sich wenig solidarisch. Sie versuchten, ihn zum Bleiben zu bewegen. Doch der Spieler marschierte aufgewühlt Richtung Kabine. Für ihn gab es während des Spiels sogar noch eine persönliche Sanktion: Der Schiedsrichter hatte ihn nach dem Tor verwarnt, weil er beim Jubeln einen der Sitze über dem Kopf gehalten hatte, die von Fans aufs Feld geworfen worden waren. „Und ich bedanke mich bei den Schiedsrichtern, dass sie mich nicht verteidigt und mir die Gelbe Karte gezeigt haben, weil ich meine Hautfarbe verteidigt habe.“Den Unparteiischen Luis Miguel Godinho bezeichnete er als „eine Schande“, er wolle ihn „nie wiedersehen“.
Auf Szenen wie in Portugal kann es nur eine Antwort geben: Spielabbruch, Suspendierungen, Geisterspiele. Möglich ist das alles, umgesetzt wird es fast nie. Der Fußball muss sich wehren, damit seine Bühne nicht länger vom rechten Pöbel missbraucht wird. Doch das kann nur der Anfang sein. Die Hetzer werden nicht einfach so verschwinden. Sie sind aber auch nicht einfach so gekommen. Seit Jahren schon versuchen sie sich, in den Fanszenen einzunisten. Um so neue Mitglieder zu rekrutieren und eine Masse unter Kontrolle zu bekommen. Fußball ist ein Milliardengeschäft, die Summen, die aber für Fanarbeit ausgegeben werden, sind vergleichsweise mickrig. Gleichwohl sollte damit der Sport auch nicht alleine gelassen werden. Es ist auch die besondere Aufgabe des Staates, dieses Klientel unter intensiver Beobachtung zu halten. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Viele Vereine sind schon bemüht und machen Angebote. Um wirklich wirkungsvoll arbeiten zu können, müsste einfach noch mehr investiert werden.
In Münster hat sich gezeigt, dass jeder etwas gegen Rassismus im Alltag beitragen kann. Und das es etwas bewirkt. Dass man nicht weghören darf. Egal ob an der Kasse im Supermarkt, beim Kinderarzt, an der Bushaltestelle, im Büro, auf der Kirmes oder eben im Stadion. Rivalität ja, Hass nein. Für die Diskriminierung von anderen gibt es keine Entschuldigung, keine Rechtfertigung. Damit ist nicht nur eine andere Hautfarbe gemeint, sondern auch die sexuelle Ausrichtung oder Religion. Es gibt darauf nur eine Antwort: Null Komma null Toleranz gegen rassistische Krakeeler.