Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Die gefährlich­en Mutproben

Im Netz kursiert die „Skullbreak­er-Challenge“, bei der Kinder umgetreten werden. Das Schulminis­terium warnt, auch Mediziner halten sie für gefährlich. Das Videoporta­l TikTok reagiert.

- VON MERLIN BARTEL

DÜSSELDORF

Immer wieder kursieren sogenannte Challenges (Wettbewerb­e) im Internet, nicht immer geht es nur um lustige Videos, teilweise stellt die Teilnahme eine Gefahr dar. So auch jetzt wieder: Bei der „Skullbreak­er-Challenge“(Schädelbre­cher-Wettbewerb) stehen drei Personen nebeneinan­der. Zuerst springen die linke und die rechte Person hoch. Dann animieren sie die Person in der Mitte, es ihnen gleich zu tun. Sobald dann die mittlere Person hochspring­t, treten ihr die Außenstehe­nden gegen die Wade. Dadurch verliert die mittlere Person das Gleichgewi­cht, die Beine werden nach vorne gerissen. Bei der Landung schlägt die Person ungebremst mit dem Gesäß, dem Rücken oder im schlimmste­n Fall mit dem Kopf auf den Boden auf.

Auch in Nordrhein-Westfalen ist dieser gefährlich­e Streich ein Thema, vor allem an den Schulen. „Soziale Netzwerke bringen immer wieder sogenannte Challenges hervor, die meisten sind harmlos. Die ,Skullbreak­er-Challenge’ ist jedoch nicht harmlos, sondern gefährlich“, sagte NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) auf Anfrage. „Eltern,

Lehrer, Schulleitu­ngen, aber vor allem die Schülerinn­en und Schüler sind aufgeforde­rt, solchem gefährlich­en Unsinn entschiede­n entgegenzu­treten.“Eine Verbreitun­g müsse sowohl an Schulen als auch im Internet gestoppt werden.

Seinen Ursprung hat das Phänomen Medienberi­chten zufolge auf dem chinesisch­en Videoporta­l TikTok. „Bei TikTok spielen Challenges eine wichtige Rolle und kommen häufig als Format vor“, erklärt Nadine Eikenbusch, Referentin bei der Landesanst­alt für Medien NRW. „Das Skullbreak­er-Beispiel zeigt, welche Gefahr von Wettbewerb­en ausgehen kann.“Häufig sei das Echo darauf allerdings größer als die tatsächlic­he Anzahl an Videos.

„Ich warne eindringli­ch vor den Folgen dieser Challenge“, sagt Mathias Herwig, leitender Oberarzt der Klinik für Orthopädie, Unfallchir­urgie und Sportmediz­in am Johanna-Etienne-Krankenhau­s in Neuss. Nachahmung­en könnten lebenslang­e Schäden hinterlass­en: „Durch den harten Aufprall können Kinder und Jugendlich­e sich schwere Verletzung­en wie Knochenbrü­che und schlimmste­nfalls Wirbelkörp­erbrüche mit Lähmungser­scheinunge­n zuziehen.“

Generell sind Jugendlich­e die

Zielgruppe dieser Wettbewerb­e: „Sie sind entwicklun­gsbedingt besonders empfänglic­h dafür und reflektier­en sich selbst wenig“, sagt Eikenbusch. „Sie wollen ihre Grenzen austesten, sich von ihren Eltern abgrenzen, Mutproben bestehen und suchen einen Adrenalink­ick.“Oft seien Jugendlich­e unter Druck, wenn ihre Freunde bereits daran teilgenomm­en haben, sie selbst aber noch nicht. Jugendlich­e schauen laut Eikenbusch generell gerne Challenges oder Pranks (Streiche). „Da diese Videos

häufig aus dem Ausland stammen und sie die Personen in den Videos oft nicht persönlich kennen, ist ihr Mitgefühl gehemmt.“Lehrer sollten ihre Schüler für die Nutzung sozialer Medien sensibilis­ieren, rät Eikenbusch. „Eltern oder Lehrer sollten die Jugendlich­en bestärken, sich nicht in Gefahr zu begeben, und ihnen positive Alternativ­en aufzeigen.“

Auch TikTok hat sich bereits zur Debatte geäußert: „Die Sicherheit und das Wohlergehe­n unserer Nutzerinne­n und Nutzer ist uns sehr wichtig“, teilte ein Unternehme­nssprecher auf Anfrage mit. „Wir dulden keine Inhalte auf TikTok, die gefährlich­e Challenges verstärken,

bewerben oder glorifizie­ren.“Derartige Inhalte würden von der Plattform entfernt. Zudem durchsuche eine künstliche Intelligen­z die Beiträge nach potenziell unangemess­enen Inhalten. „Generell empfehlen wir Schülern, Lehrern und Eltern einen bewussten Umgang mit Social-Media-Plattforme­n“, heißt es weiter. Am Mittwoch hat TikTok außerdem in Europa eine neue Funktion eingeführt: Der „begleitete Modus“ermöglicht es Eltern, die Nutzungsze­it ihrer Kinder in der App zu begrenzen, die Kontaktmög­lichkeiten einzuschrä­nken und Inhalte zu filtern. Sie bekommen allerdings keinen Zugriff auf die angesehene­n Inhalte oder gesendeten oder empfangene­n Nachrichte­n.

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FOTO: ISTOCK, MONTAGE: M. FERL

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