Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
So funktioniert die neue Grundrente
Nach Jahren des Streits hat die Koalition einen Kompromiss verabschiedet. Vermögen wird nicht geprüft, der Anspruch aufwendig ermittelt. 1,3 Millionen Rentner sollen profitieren. Im Schnitt gibt es 83 Euro im Monat extra.
DÜSSELDORF Fast hätte das Projekt die große Koalition zerrissen, doch nun hat man sich zusammen gerauft: Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch die Einführung einer Grundrente ab 2021. Offiziell heißt sie „Grundrente für langjährig Versicherte mit unterdurchschnittlichem Einkommen“. Bei genauem Hinsehen ist das wenig Geld für viel Aufwand.
Wer soll die Grundrente bekommen?
Die neue Leistung steht Menschen zu, die Jahre lang gearbeitet haben, aber trotzdem nur wenig Rente bekommen – etwa weil sie viele Jahre Kinder erzogen haben oder gering entlohnt wurden. Konkret müssen die Nutznießer mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten vorweisen. Das sind Zeiten, in denen sie gearbeitet und Pflichtbeiträge gezahlt oder in denen sie Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben (Pflichtbeitragszeiten und Berücksichtigungszeiten), oder in denen sie krank waren oder Wehrdienst geleistet haben. Zeiten, in denen man im Minijob gearbeitet oder Arbeitslosengeld I oder II erhalten hat, werden dagegen nicht anerkannt.
Wie hoch muss das eigene Einkommen gewesen sein?
Anspruch auf die Grundrente hat nur, wer auf eine Beitragsleistung in der Rentenversicherung von mindestens 30 Prozent des Durchschnittsverdienstes kommt. Jahre, in denen man weniger als 30 Prozent des Durchschnittsverdienstes bekommen hat, bleiben unberücksichtigt. Ein gewaltiger Haken, denn damit haben die wirklich Bedürftigen auch weiter keinen Anspruch. Derzeit liegt der monatliche Durchschnittsverdienst bei 3379 Euro. „Der monatliche Bruttoverdienst müsste 2020 bei mindestens 1013 Euro liegen, damit diese Zeit für die Berechnung eines Zuschlags berücksichtigt werden kann“, betont die Deutsche Rentenversicherung.
Wie hoch ist die Grundrente?
Die indviduelle Höhe der Grundrente wird nach einem komplizierten Verfahren berechnet. „Für höchstens 35 Jahre wird der erworbene Rentenanspruch verdoppelt, allerdings gegebenenfalls begrenzt auf 80 Prozent des Durchschnittsverdienstes“, so die Rentenversicherung. Am Ende wird der Zuschlag nochmal pauschal um 12,5 Prozent gemindert. Unterm Strich kommt dabei nicht viel heraus: Im Startjahr 2021 soll es im Schnitt einen Zuschlag von 83 Euro im Monat geben. Ein Beispiel: Eine Sekretärin mit zwei Kindern, viel Teilzeit und 38 Versicherungsjahren, die eine Rente von 754 Euro hat, erhält einen Grundrentenzuschlag von 75 Euro.
Wird die Bedürftigkeit geprüft?
Darüber hat die Koalition lange gestritten. Nun wird das Vermögen zwar nicht berücksichtigt, aber das Einkommen. Dabei rechnet die Deutsche Rentenversicherung die Nettorente
des Antragstellers, weiteres zu versteuerndes Einkommen, Auslandsrenten und mögliche Kapitaleinkünfte zusammen. Wer damit insgesamt weniger als 1250 Euro im Monat hat (1950 Euro für Ehepaare), hat Anspruch auf die volle Grundrente. „Wird der Freibetrag überschritten, werden 60 Prozent des darüber liegenden Einkommens angerechnet. Einkommen über 1600 Euro werden in voller Höhe angerechnet“, so die Rentenversicherung. Dies bedeutet auch ziemlich viel Bürokratie: Das Finanzamt muss der Rentenversicherung das zu versteuernde Einkommen mitteilen, der Rentner übermittelt seine Kapitaleinkünfte. Die Versicherung muss dies prüfen, sie sieht den Zeitplan zur Umsetzung der Grundrente „sehr kritisch“, so die Behörde.
Wie wird die Grundrente finanziert?
Immerhin hier hat die Koalition der Versuchung widerstanden, Wohltaten zu Lasten der Sozialversicherung zu verteilen. Die Grundrente wird voll aus Steuermitteln finanziert. Im Startjahr 2021 werden hierfür 1,3 Milliarden Euro angesetzt.
Was müssen Betroffene tun?
Die Grundrente soll automatisch geprüft und ausgezahlt werden. „Für Rentner besteht kein Handlungsbedarf, ein Antrag ist nicht erforderlich“, erklärte die Rentenversicherung. Allerdings könne die derzeit noch keine individuellen Auskünfte über einen möglichen Anspruch geben.