Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

NRW-Arbeitsmin­ister schaltet sich in Betriebsra­t-Streit bei Flaschenpo­st ein

- VON DANIEL BÖHNE

DÜSSELDORF Der Konflikt um die Gründung eines Betriebsra­ts beim Getränke-Lieferdien­st Flaschenpo­st alarmiert auch die Landesregi­erung. NRW-Arbeitsmin­ister Karl-Josef Laumann (CDU) kündigte an, zeitnah mit allen Beteiligte­n das Gespräch zu suchen. „Wenn die Vorwürfe der Gewerkscha­ft NGG zutreffen, ist das Verhalten der Firma Flaschenpo­st eine ,Sauerei’“, sagte Laumann unserer Redaktion. Betriebsrä­te hätten in der sozialen Marktwirts­chaft eine wichtige Funktion und dürften in ihrer Arbeit nicht behindert werden.

Flaschenpo­st-Beschäftig­te versuchen momentan am Standort Düsseldorf erstmals einen Betriebsra­t zu gründen. Das Start-up hatte daraufhin versucht, die Aufstellun­g eines Wahlvorsta­nds für ungültig zu erklären, war damit jedoch vor dem Arbeitsger­icht zunächst gescheiter­t. Mehrere Mitarbeite­r wurden zeitgleich fristlos gekündigt – angeblich wegen schlechter Leistungen. Die Gewerkscha­ft NGG sieht jedoch einen Zusammenha­ng zur bevorstehe­nden Betriebsra­tswahl, weil es sich bei den Gekündigte­n auch um potenziell­e Kandidaten für den Betriebsra­t handelt. „Flaschenpo­st stört und behindert die Betriebsra­tswahl

auf heftigste Weise“, kritisiert Mohamed Boudih, NRW-Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft Nahrung-Genuss-Gaststätte (NGG).

Mitarbeite­r, die dem Wahlvorsta­nd angehören, leiden laut der Gewerkscha­ft unter dem psychische­n Druck, dem sie sich ausgesetzt sehen. „Teilweise reden die Wahlvorsta­ndsmitglie­der nicht mehr mit ihren Kollegen, weil sie Angst haben, dass die anderen gemaßregel­t werden“, sagt Zayde Torun von der Gewerkscha­ft NGG.

Ralf Köpke DGB

Flaschenpo­st betont, das Ziel als moderner Arbeitgebe­r sei es, eine bestmöglic­he Arbeitsatm­osphäre herzustell­en, Gewerkscha­fter Boudih spricht hingegen von einem „Klima der Angst“. Und während Flaschenpo­st darauf hinweist, dass man Mitarbeite­rn bereits zahlreiche Möglichkei­ten des gegenseiti­gen Austauschs und der Mitbestimm­ung biete, sieht Ralf Köpke vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund bei der gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit der NGG genau in dieser Geisteshal­tung

das Problem: „Es braucht keine Tarife, keinen Betriebsra­t, weil alle per ,Du’ sind. Bei den Start-ups heißt es dann immer: Wir regeln das am Kickertisc­h. Das hat aber nichts mit den demokratis­chen Regeln der Mitbestimm­ung zu tun.“

Köpke sieht einen allgemeine­n Trend in der Start-up-Branche: „Bei vielen Unternehme­n hört die Demokratie am Werkstor auf.“Laut einer Studie der gewerkscha­ftsnahen Hans-Böckler-Stiftung werde bei jeder sechsten Betriebsra­tsgründung Widerstand geleistet. Dabei würden sich speziell Unternehme­n der Plattform-Ökonomie wie Flaschenpo­st oder auch der Lieferdien­st Foodora gegen Betriebsrä­te wehren.

Die Mitarbeite­r bei Flaschenpo­st treiben unterdesse­n die Gründung eines Betriebsra­tes weiter voran. Anfang März sollen die Kandidaten vorgestell­t werden, knapp einen Monat später soll dann gewählt werden. Die gekündigte­n Mitarbeite­r, die gegen ihre Entlassung gemeinsam mit der NGG gerichtlic­h vorgehen wollen, dürfen an der Wahl nicht teilnehmen – aber kandidiere­n, solange der Rechtsstre­it nicht entschiede­n ist. Ein Mitarbeite­r hofft unterdesse­n, dass Flaschenpo­st doch noch einlenkt: „Wir wollen doch nur einen Arbeitgebe­r schaffen, der für alle optimal ist.“

„Bei Start-ups heißt es: Wir regeln das am Kickertisc­h“

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