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NRW-Arbeitsminister schaltet sich in Betriebsrat-Streit bei Flaschenpost ein
DÜSSELDORF Der Konflikt um die Gründung eines Betriebsrats beim Getränke-Lieferdienst Flaschenpost alarmiert auch die Landesregierung. NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kündigte an, zeitnah mit allen Beteiligten das Gespräch zu suchen. „Wenn die Vorwürfe der Gewerkschaft NGG zutreffen, ist das Verhalten der Firma Flaschenpost eine ,Sauerei’“, sagte Laumann unserer Redaktion. Betriebsräte hätten in der sozialen Marktwirtschaft eine wichtige Funktion und dürften in ihrer Arbeit nicht behindert werden.
Flaschenpost-Beschäftigte versuchen momentan am Standort Düsseldorf erstmals einen Betriebsrat zu gründen. Das Start-up hatte daraufhin versucht, die Aufstellung eines Wahlvorstands für ungültig zu erklären, war damit jedoch vor dem Arbeitsgericht zunächst gescheitert. Mehrere Mitarbeiter wurden zeitgleich fristlos gekündigt – angeblich wegen schlechter Leistungen. Die Gewerkschaft NGG sieht jedoch einen Zusammenhang zur bevorstehenden Betriebsratswahl, weil es sich bei den Gekündigten auch um potenzielle Kandidaten für den Betriebsrat handelt. „Flaschenpost stört und behindert die Betriebsratswahl
auf heftigste Weise“, kritisiert Mohamed Boudih, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätte (NGG).
Mitarbeiter, die dem Wahlvorstand angehören, leiden laut der Gewerkschaft unter dem psychischen Druck, dem sie sich ausgesetzt sehen. „Teilweise reden die Wahlvorstandsmitglieder nicht mehr mit ihren Kollegen, weil sie Angst haben, dass die anderen gemaßregelt werden“, sagt Zayde Torun von der Gewerkschaft NGG.
Ralf Köpke DGB
Flaschenpost betont, das Ziel als moderner Arbeitgeber sei es, eine bestmögliche Arbeitsatmosphäre herzustellen, Gewerkschafter Boudih spricht hingegen von einem „Klima der Angst“. Und während Flaschenpost darauf hinweist, dass man Mitarbeitern bereits zahlreiche Möglichkeiten des gegenseitigen Austauschs und der Mitbestimmung biete, sieht Ralf Köpke vom Deutschen Gewerkschaftsbund bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit der NGG genau in dieser Geisteshaltung
das Problem: „Es braucht keine Tarife, keinen Betriebsrat, weil alle per ,Du’ sind. Bei den Start-ups heißt es dann immer: Wir regeln das am Kickertisch. Das hat aber nichts mit den demokratischen Regeln der Mitbestimmung zu tun.“
Köpke sieht einen allgemeinen Trend in der Start-up-Branche: „Bei vielen Unternehmen hört die Demokratie am Werkstor auf.“Laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung werde bei jeder sechsten Betriebsratsgründung Widerstand geleistet. Dabei würden sich speziell Unternehmen der Plattform-Ökonomie wie Flaschenpost oder auch der Lieferdienst Foodora gegen Betriebsräte wehren.
Die Mitarbeiter bei Flaschenpost treiben unterdessen die Gründung eines Betriebsrates weiter voran. Anfang März sollen die Kandidaten vorgestellt werden, knapp einen Monat später soll dann gewählt werden. Die gekündigten Mitarbeiter, die gegen ihre Entlassung gemeinsam mit der NGG gerichtlich vorgehen wollen, dürfen an der Wahl nicht teilnehmen – aber kandidieren, solange der Rechtsstreit nicht entschieden ist. Ein Mitarbeiter hofft unterdessen, dass Flaschenpost doch noch einlenkt: „Wir wollen doch nur einen Arbeitgeber schaffen, der für alle optimal ist.“
„Bei Start-ups heißt es: Wir regeln das am Kickertisch“