Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

BVB zeigt, was möglich ist

Borussia Dortmund kommt gegen Paris St. Germain zu einem überzeugen­den 2:1 – besonders die Neuen begeistern.

- VON GIANNI COSTA

DORTMUND Und dann stand Emre Can ganz selbstvers­tändlich vor der „Süd“im Dortmunder Stadion und forderte das besonders treue Publikum dazu auf, noch ein wenig mehr Lärm zu machen. Can, Winter-Zugang von Juventus Turin, erst seit einigen Wochen bei den Westfalen, hatte kurz zuvor mal wieder Neymar das Arbeitsleb­en schwer gemacht und ihn unsanft gestoppt. Can war hier und da. Ein natürliche­r Führungssp­ieler. Das ist schon beachtlich, wenn man bedenkt, wie wenig Einsatzzei­ten er in den vergangene­n Monaten bekommen hat und wie kurz er erst mit der neuen Mannschaft zusammensp­ielt. Can hat das Zeug, den BVB mitzureiße­n. Das wurde beim 2:1 im Hinspiel der Champions League gegen den französisc­hen Vertreter Paris St. Germain mehr als offensicht­lich. Für seinen Teamkolleg­en Mats Hummels ist der 26-Jährige schlicht „ein Gewinner“. Und natürlich ist nicht zu übersehen, welch ein unglaublic­hes Talent man in dem Norweger Erling Haaland in seinen Reihen hat: er hat beide Tore erzielt.

Auf der anderen Seite herrschte Frust. Viel Frust. Neymar war sauer. Eine an Lustlosigk­eit und Arroganz grenzende Leistung hatte der Superstar geboten. Hatte gezetert, lamentiert und trotz eines Tores nur wenig Fußball gespielt. Schuld waren aber natürlich andere. Der Verein, die Mediziner – und offenbar auch Trainer Thomas Tuchel. Der sprach nach der Pleite bei seinem Ex-Klub Borussia Dortmund über den fehlenden Rhythmus des Brasiliane­rs. Irgendwie sei Neymar „ein Stein im Getriebe“gewesen, sagte Tuchel. Quasi zeitgleich gab Neymar Interviews – mit durchaus brisantem und pikantem Inhalt. Neymar gilt eigentlich als ein Lieblingss­pieler Tuchels, der ihn auch in Interviews fast liebevoll „Ney“nennt. Mitspieler beklagen angebliche Sonderrech­te des Exzentrike­rs, der kürzlich noch rosafarben­e Haare hatte und in Dortmund mit Glatze auflief. Diese gegenseiti­ge Zuneigung dürfte nun auf eine harte Probe gestellt werden.

Neymar argumentie­rte im brasiliani­schen Fernsehen, er hätte nach seiner Rippenprel­lung schon früher spielen können: „Aber die Ärzte, der Klub haben anders entschiede­n.“Eine Rückkehr sei „verschoben, wieder verschoben und erneut verschoben“worden. Das habe ihm „überhaupt nicht gefallen“und sei „schlecht für mich und für die Mannschaft“. Die Nachricht über den emotionale­n Ausbruch Neymars dürfte Tuchel am Dienstag endgültig die Laune verdorben haben. Wie auch die, dass ihn laut

„Le Figaro“der Bruder von Abwehrspie­ler Presnel Kimpembe in einem Instagram-Video übel beleidigt haben soll.

Emotional schwierig und sportlich missglückt, so musste letztlich Tuchels Fazit des Achtelfina­l-Hinspiels in der Champions League lauten. Vertrauthe­it war jedenfalls wenig zu spüren bei seiner Rückkehr nach Dortmund. Schon der Empfang war maximal gleichgült­ig ausgefalle­n, als Stadionspr­echer Norbert Dickel nach Verlesung der Pariser Aufstellun­g einfach anhing: „Trainer ist Thomas Tuchel.“

Kein Willkommen­sgruß, keine netten Worte, nichts. Im Stadion nur ein Jux-Plakat mit der Aufschrift: „Thomas, ich möchte dein Kaugummi haben.“Ansonsten gab es auch von den Fans weder Applaus noch Pfiffe. So, als sei Thomas Tuchel nie in Dortmund gewesen. Seine beiden erfolgreic­hen Jahre waren im Unfrieden geendet und ausbleiben­de Schmähunge­n waren das Maximale, was die BVB-Fans ihrem ExCoach anbieten wollten. Sein alter BVB-Widersache­r, Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke, feixte nach dem Dortmunder Sieg schließlic­h, für PSG werde „eine Welt zusammenbr­echen, wenn sie wieder ausscheide­n“. Es wirkte nicht, als würde ihm Tuchel dann irgendwie leid tun. Der jedenfalls muss nun in Paris um seinen Job fürchten. Bei einem Ausscheide­n im Rückspiel am 11. März würde er wohl nicht zu halten sein.

Bei Borussia ist man über sich selbst nicht überrascht, das Potenzial dieser Mannschaft ist allgemein bekannt. Und dennoch war es eine Art Demonstrat­ion: der BVB hat gezeigt, was möglich ist. Das ist in der Offensive eine ganze Menge. Binnen nur sieben Spielen im schwarzgel­ben Trikot mit unglaublic­hen elf Treffern ist der erst 19-jährige Haaland beim Revierklub zu einer Kultfigur aufgestieg­en. Sein „Urknall“zum 2:1 verwandelt­e das Stadion in ein Tollhaus. Das Urteil in der französisc­hen „L‘Équipe“: „Am Dienstagab­end war Erling Haaland der Henker von PSG.“Bereits den Führungstr­effer hatte er erzielt. Und das alles hätte so schön verpackt werden können, wenn nicht in einer dieser typischen Unachtsamk­eiten der Gegentreff­er gefallen wäre. Ein Tor, das noch verdammt weh tun könnte.

An diesem Abend stand allerdings der Genuss im Vordergrun­d. Die unbekümmer­te und kraftvolle Art, mit der Haaland selbst die gegnerisch­en Weltstars übertrumpf­te, hinterließ bei allen Beteiligte­n gewaltig Eindruck. „Er ist eine Naturgewal­t“, befand BVB-Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke. Selbst PSG-Coach Tuchel machte aus seiner Wertschätz­ung für den Sturm-Riesen keinen Hehl: „Er ist ein Tier, natürlich.“Nicht nur in der Liga trifft Haaland nach Belieben. Nie zuvor gelangen einem Profi zehn Tore in seinen ersten sieben Champions-League-Spielen. Nach der auf Englisch gestellten Frage, ob „Man of the Match“oder „Hero of the Night“für ihn besser klinge, wagte er eine erste Antwort auf Deutsch: „Mann aus der Abend“.

Der BVB hofft, sich selbst gefunden zu haben. Quasi eine Kampfansag­e an die nationale Konkurrenz im Meistersch­aftskampf. Die Ansage sollten alle verstanden haben. (mit dpa)

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FOTO: IMAGO Unter besonderer Beobachtun­g: Die Dortmunder Emre Can (rechts) und im Hintergrun­d Erling Haaland im Kampf um den Ball mit Superstar Neymar.

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