Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Abschied von „Schwarzwaldmädel“Sonja Ziemann
In den 1950er Jahren war sie der mädchenhafte Star des deutschen Heimatfilms. Später spielte sie auch Charakterrollen.
DÜSSELDORF Sie wurde ein Star in der Zeit, als Deutschland sich in heile Berglandschaften träumen und harmlosen Dreiecksliebesgeschichten bei ihrer Entwirrung zusehen wollte. 1950 spielte Sonja Ziemann die Titelrolle im ersten großen, farbigen Ausstattungsfilm nach dem Zweiten Weltkrieg, in der Operettenschnulze „Schwarzwaldmädel“. Im schicken Dirndl, den Strohhut mit den roten Bollen fest auf dem Kopf, spazierte sie am Arm von Rudolf Prack durch Wiesen und Wälder, gab das vermeintlich schüchterne Mädchen aus den Bergen, bodenständig, aber kokett. Und wenn man den Film heute sieht, die Geigen locken hört, während die Kamera vom zahmen Turtelpaar auf die Klosterkirche im Tal schwenkt, ahnt man, wie schlimm die Zeit war, die so viel Beschaulichkeit, so viel Beharren auf harmloser Heimatverbundenheit nötig gemacht hatte.
Sonja Ziemann mit ihrer unschuldigen Anmut, ihrer hübschen Singstimme, war wie gemacht für die
Rolle des unbescholtenen Mädchens – der Film begründete ihren Ruhm und brachte ihr ihren ersten Bambi ein. Das hatte auch damit zu tun, dass für die Neubestimmung des Heimatfilms nach der Nazi-Zeit größtmöglicher Aufwand getrieben wurde. Es gab im „Schwarzwaldmädel“Bilderbuchlandschaften, feinste Trachten, Chormusik, Volkstanz, Eisrevuen – kulinarisches Kino für ein Land in Trümmern. Doch für Schauspieler, die in solchen Produktionen zu Publikumslieblingen werden, wiegen die Traumrollen schwer wie Blei. Auch die Ziemann ist das „Schwarzwaldmädel“nie losgeworden. Dabei konnte sie natürlich mehr, als ihr Dirndl glatt streichen und Operettenlieder zwitschern. Doch sie hatte nun mal in einer zutiefst erschütterten Zeit die optimale Projektionsfläche dafür geboten, dass alles wieder gut werden kann.
Geboren wurde Sonja Ziemann 1926 nahe Berlin. Schon im Alter von 15 Jahren trat sie als Tänzerin im Berliner „Plaza“und bald darauf als Soubrette in Operetten auf. 1942 folgte der Schritt vor die Kamera, sie bekam erste Rollen in Ufa-Filmen. Nach ihrem Durchbruch mit dem „Schwarzwaldmädel“und Erfolgen in ähnlichen Filmen wie „Grün ist die Heide“, erfuhr die Öffentlichkeit auch von privatem Glück. 1951 heiratete Ziemann den Strumpf-Fabrikanten
Rudolf Hambach. 1953 kam Sohn Pierre zur Welt. Doch die Ehe scheiterte, und Sonja Ziemann suchte nach Möglichkeiten, andere Seiten ihres schauspielerischen Könnens zu zeigen. Sie übernahm eine Charakterrolle in dem polnischen Film „Der achte Wochentag“lernte dabei den polnischen Autor Marek Hlasko kennen, den sie 1961 heiratete. Es folgten weitere Filme mit künstlerischem Anspruch wie „Hunde, wollt ihr ewig leben“(1959), „Menschen im Hotel“(1959) oder „Frühstück mit dem Tod“(1964). Auch arbeitete sie in ausländischen Produktionen wie „Geheime Wege“(1960), „Der Tod fährt mit“(1962) und „Die Brücke von Remagen“(1969).
1962 hatten junge Filmemacher in Oberhausen „Papas Kino“für tot erklärt und damit Nachkriegs-Schnulzen wie das „Schwarzwaldmädel“gemeint. Zu den Unterzeichnern gehörte Edgar Reitz, der später mit seiner Hunsrück-Filmreihe „Heimat“vormachen würde, wie eine wirkliche Neubestimmung des Heimatfilms aussehen könnte.
Sonja Ziemann hatte die Zeichen der Zeit selbst erkannt. Sie zog es inzwischen auch auf die Bühne. Live und vor Publikum bewies sie ihr darstellerisches wie musikalisches Talent. Etwa 1962 als Eliza in „My Fair Lady“in München. Später wurde sie auch für ihren Auftritt in Tennessee Williams‘ Drama „Endstation Sehnsucht“gefeiert und ging mit dieser Produktion ab 1973 zusammen mit Götz George auf Europatournee.
Privat musste sie großes Unglück verkraften. Kurz nach der Scheidung nahm sich ihr zweiter Ehemann Marek Hlasko das Leben. Ein Jahr später starb Ziemanns Sohn kurz vor seinem 17. Geburtstag an einem Tumor. Ihm hat sie ihre Autobiografie „Ein Morgen gibt es immer“gewidmet. Doch lebte sie zuletzt sehr zurückgezogen am Tegernsee.
Im Alter von 94 Jahren ist Sonja Ziemann nun in einem Sift in München gestorben. Sie wird als fröhliches „Schwarzwaldmädel“in Erinnerung bleiben, das vielen Zuschauern über eine schwere Zeit geholfen hat. Vielleicht ist das mehr, als sie selbst zu Lebzeiten dachte.