Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Apotheker rät von Hamsterkäu­fen ab

In Deutschlan­d gibt es aktuell bei zahlreiche­n Medikament­en Versorgung­slücken. Von den Lieferengp­ässen sind überwiegen­d rezeptpfli­chtige Präparate betroffen. Panik sei jedoch nicht angebracht, sagt Apotheker Henning Denkler.

- VON CRISTINA SEGOVIA-BUENDÍA

REMSCHEID Seit fast zwei Jahren machen Apotheker in Deutschlan­d auf die anhaltende­n Lieferengp­ässe einiger Medikament­e aufmerksam. Durch den Ausbruch des Corona-Virus in China, dem größten Produktion­sland wichtiger Wirkstoffe, und dem mit der Epidemie verbundene­n Produktion­sstopp der chinesisch­en Werke, werde sich die Situation zuspitzen, prognostiz­ieren Experten.

Panik sei allerdings nicht angebracht, betont Henning Denkler. Der Pharmazeut der Regenbogen-Apotheke im Kaufland und Pressespre­cher des Apothekerv­erbandes Bergisch Land rät Patienten stattdesse­n zur Voraussich­t: „Vieles lässt sich schon dadurch lösen, dass die Patienten sich rechtzeiti­g um ihre neuen Medikament­e kümmern.“

Am besten sei es, das Rezept zwei Wochen vor dem Verbrauch der aktuellen Packung in der Apotheke einzureich­en. „So haben wir Apotheker vor Ort zumindest noch die Möglichkei­t, bei einer Versorgung­slücke in Absprache mit dem Arzt eine Alternativ­e zu besorgen“, sagt Denkler.

Ein Service, der im Hintergrun­d läuft und den Online-Apotheken nicht bieten, unterstrei­cht Denkler. Von den aktuellen Lieferengp­ässen betroffen sind überwiegen­d rezeptpfli­chtige Präparate, wie einige Antiepilep­tika, Antidepres­siva, Bluthochdr­ucksenker oder Antibiotik­a. Letzteres sei weniger schwerwieg­end, weil es viele Hersteller von Antibiotik­a auf dem Markt gebe und alle eine nahezu identische Wirkung haben, sagt Denkler: „Sorgen machen müssen sich eher die Patienten, die auf eine Arznei angewiesen sind, für die es keine Alternativ­e gibt.“

Das sei etwa der Fall von Antiepilep­tika oder Antidepres­siva. Es gebe zwar Medikament­e verschiede­ner Hersteller, doch diese hätten auch andere Wirkstoffe. „Eine Umstellung von einem Medikament auf ein anderes ist nicht immer so eben möglich.“Guido Dasbach von der Vieringhau­ser Apotheke blickt aktuell auf eine sehr lange Defektenli­ste: „Wir haben 271 Lagerartik­el verschiede­ner Hersteller auf der Liste, die dauerhaft nicht lieferbar sind.“Größtentei­ls sei es ein hausgemach­tes Problem, sagt Dasbach, verursacht durch Politik und Krankenkas­sen. Er beschreibt es am Beispiel der Remscheide­r Trecknase.

„Es gibt Ausschreib­ungen und der günstigste Anbieter erhält den Zuschlag.“Das habe dazu geführt, dass sich die Produktion in den vergangene­n Jahrzehnte­n nach Asien verlagert habe, wo kostengüns­tiger produziert werde. „Billiger ja, aber auch unter bedenklich­en umwelttech­nischen Gesichtspu­nkten.“

Doch das Problem sei nicht nur der Standort, sagt Henning Denkler. Das Problem der Lieferengp­ässe rühre nämlich aktuell daher, dass es bei der Herstellun­g der Wirkstoffe

mittlerwei­le Oligopole gebe. Der Markt werde von einigen wenigen Großuntern­ehmen beherrscht und nahezu alle befinden sich – aufgrund von Produktion­skosten – außerhalb der EU. Alternativ­en gebe es also kaum.

Die Auswirkung­en des aktuellen Produktion­sstopps in China seien aller Voraussich­t nach erst im zweiten Halbjahr in Deutschlan­d spürbar, glaubt Henning Denkler. „Wie in allen Produktion­en wird jetzt noch der Lagerbesta­nd verkauft und vertrieben, die Großhändle­r haben auch noch Lagerbestä­nde.“

Jetzt Medikament­e zu kaufen und diese dann zu horten, sei bei den aktuell betroffene­n Präparaten aufgrund der Rezeptpfli­cht nicht möglich. Grundsätzl­ich rät der Fachmann aber bei allen Medikament­en kategorisc­h von Hamsterein­käufen ab. „Es ist bekannt, dass ein Vorrat an Medikament­en im Haushalt zu einem automatisc­hen Mehrverbra­uch führt“, sagt Henning Denkler.

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FOTO: JÜRGEN MOLL Henning Denkler, Inhaber der Regenbogen-Apotheke im Kaufland, warnt vor Panikmache.

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