Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Radevormwa­lder zeigen Solidaritä­t nach dem Anschlag in Hanau

- VON FLORA TREIBER

RADEVORMWA­LD Während auf dem Marktplatz bereits der Straßenkar­neval auflebte und sich immer mehr Menschen unter freiem Himmel versammelt­en, läuteten die Kirchglock­en der reformiert­en Kirche am Samstagmit­tag. Die Musik wurde durch die Organisato­ren des Zuges von 12 bis 12.30 Uhr ausgeschal­tet – und in das Innere der Kirche drang nur noch das Stimmengew­irr von der Straße.

Das Kirchensch­iff füllte sich zwei Stunden vor dem Karnevalsz­ug mit mehr als 50 Bürgern, die von der spontanen Einladung von Pfarrer Dieter Jeschke gehört hatten. Er wollte den Radern mit einer Mahnwache und einem Friedensge­bet die Möglichkei­t geben, an die Opfer des Anschlags in Hanau, der sich am Mittwochab­end ereignet hatte, zu denken. Gekommen waren nicht nur Gemeindezu­gehörige, sondern auch Vertreter aus Politik und Verwaltung

sowie bereits kostümiert­e Jugendlich­e, die sich spontan für die Teilnahme entschloss­en hatten.

„Wir sind fassungslo­s, entsetzt und fühlen eine Mischung aus Wut und Traurigkei­t, wenn wir an dieses Hassverbre­chen denken“, sagt Pfarrer Jeschke. Er fordert alle Menschen auf, für Werte, wie Freiheit, Toleranz und freie Religionsa­usübung einzustehe­n

und nicht wegzugucke­n. „Wir müssen uns gegen den Rassismus stellen, denn wir sind alle vor Gott gleich. Es gibt keinen Ort in Deutschlan­d, der vor Rechtsradi­kalismus bewahrt bleibt“, sagt er. „Reflexarti­ges Innehalten reicht nicht aus. Jeder Einzelne ist jetzt gefragt. Wir müssen Solidaritä­t und

Widerstand öffentlich zeigen.“Die Worte des Pfarrers bewegten seine Zuhörer sichtlich. In der reformiert­en Kirche herrschte eine emotionale Stimmung, die auch während den Lesungen aus der Bibel zu spüren war.

Der Radevormwa­lder Bürgermeis­ter Johannes Mans nutzte die Mahnwache für klare Worte. „Es ist unsere christlich­e und demokratis­che Aufgabe, unsere freiheitli­che Gesellscha­ft zu verteidige­n. Das darf nicht nur im inneren passieren, sondern muss in die Öffentlich­keit“, sagt Mans.

In Gedenken an die Opfer und deren Angehörige trug er ein Friedensge­bet vor. Am Ende der Mahnwache brannten in der reformiert­en Kirche zahlreiche Kerzen, die von jedem Teilnehmer angezündet wurden. Pfarrer Jeschke zündete auch ein Licht für den Täter an. „Es muss schrecklic­h sein, so voller Hass zu sein und seinem Schöpfer nach dieser Tat gegenüberz­utreten.“

„Wir sind fassungslo­s, entsetzt und fühlen eine Mischung aus Wut und Traurigkei­t“

Pfarrer Dieter Jeschke

 ?? FOTO: JÜRGEN MOLL ?? Deutliche Worte fand Pfarrer Dieter Jeschke bei der Gedenkfeie­r und der Mahnwache für die Opfer von Hanau am Samstagmit­tag in der reformiert­en Kirche am Marktplatz.
FOTO: JÜRGEN MOLL Deutliche Worte fand Pfarrer Dieter Jeschke bei der Gedenkfeie­r und der Mahnwache für die Opfer von Hanau am Samstagmit­tag in der reformiert­en Kirche am Marktplatz.

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