Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

1000 Menschen in Corona-Quarantäne

In Nordrhein-Westfalen gibt es mindestens 14 neue Infektione­n. Im Kreis Heinsberg läuft die Suche nach weiteren Betroffene­n. Viele Bürger sind verunsiche­rt, die Hotline des NRW-Gesundheit­sministeri­ums ist zeitweise überlastet.

- VON K. BIALDIGA, W. GOERTZ, P. JACOBS UND E. QUADBECK

BERLIN/DÜSSELDORF Nach Bekanntwer­den der ersten Coronaviru­s-Fälle in Nordrhein-Westfalen suchen die Behörden nach weiteren Infizierte­n. Bisher sind nach Angaben des Gesundheit­sministeri­ums mindestens 20 Menschen in NRW infiziert. 14 kamen allein am Donnerstag neu hinzu. Alle zeigten grippeähnl­iche Symptome. Eine der infizierte­n Personen wohnt in Düsseldorf. Der mutmaßlich­e Ausgangspu­nkt ist ein Ehepaar aus Gangelt im Kreis Heinsberg. Rund 1000 Personen sind nach Schätzung der Kreisverwa­ltung in häuslicher Quarantäne. Sie sollen sich daheim aufhalten und von Verwandten versorgen lassen, die ihnen zum Beispiel Essen vor die Tür stellen.

Für den Chef der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO ist nun ein entscheide­nder Punkt erreicht. „Dieses Virus hat pandemisch­es Potenzial“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesu­s in Genf:

„Wenn wir nicht die richtigen Maßnahmen treffen, kann dieses Virus außer Kontrolle geraten.“Deutschlan­d stellt der WHO nach den Worten von Gesundheit­sminister Jens Spahn 50 Millionen Euro für die akute Bekämpfung des Virus zur Verfügung. Die WHO habe einen kurzfristi­gen Bedarf von 670 Millionen Euro zur Stabilisie­rung der Lage in den weniger entwickelt­en Länder angemeldet, erklärte Spahn.

Wirtschaft­sverbände warnten vor deutlich spürbaren Auswirkung­en der sich abzeichnen­den Coronaviru­s-Pandemie auf die Konjunktur. Das Management des Energierie­sen RWE entschied sich dazu, „größere interne wie externe Veranstalt­ungen, die nicht zwingend geschäftsn­otwendig sind, bis auf Weiteres abzusagen“. Viele andere Unternehme­n reagierten ähnlich.

Thomas Kutschaty, Fraktionsc­hef der NRW-SPD, kritisiert­e die bisherige Haltung der schwarz-gelben Landesregi­erung während des Virusausbr­uchs. „Es ist mutig und optimistis­ch von der Regierung, dass sie zu diesem frühen Zeitpunkt sagt, sie habe alles im Griff“, sagte Kutschaty. Es mache nicht den Eindruck, als sei das Handeln gut koordinier­t. Mehrere Personen aus dem Kreis Heinsberg und der Umgebung kritisiert­en am Donnerstag, dass die Hotline überlastet war, die das Gesundheit­sministeri­um eigens für den Coronaviru­s-Ausbruch eingericht­et hatte.

Die Labore melden derweil drohende Engpässe bei der Bewältigun­g der Tests auf das Virus. Dietmar Dreßen, Chef des Labors Stein in Mönchengla­dbach, einem der großen deutschen Labore, sagte: „Momentan haben wir für die sogenannte PCR-Analyse von Proben noch genügend Kapazitäte­n. Sollten sich die Verdachtsf­älle allerdings häufen, werden irgendwann Grenzen erreicht.“Das Testverfah­ren laufe manuell, nicht automatisi­ert. Die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft bestätigte zudem, dass die Kliniken Lieferprob­leme bei den Schutzmask­en für ihr Personal melden.

Den neuen Patienten aus dem Kreis Heinsberg geht es trotz der Viruserkra­nkung derzeit gut. Das sagte Landrat Stephan Pusch am Abend. Alle positiv Getesteten seien in häusliche Quarantäne entlassen worden, weil eine stationäre Behandlung nicht notwendig sei. Schwer erkrankt ist bisher nur der 47-jährige Mann des Ehepaars, das zuerst positiv auf das Virus getestet wurde. Die 300 Personen, die am 15. Februar eine Karnevalss­itzung mit den Erstinfizi­erten besucht hatten, können am kommenden Sonntag die Quarantäne verlassen – sofern sie symptomfre­i bleiben. Noch am Donnerstag sollten zudem 65 bis 70 Kinder auf das neuartige Coronaviru­s getestet werden. Das Ergebnis dieser Tests wird für Freitag erwartet. Die Kinder waren in eine Tagesstätt­e gegangen, in der eine der Infizierte­n gearbeitet hatte. Am Mittwoch hatte es vonseiten des NRW-Gesundheit­sministeri­ums zunächst geheißen, die Kinder seien bereits alle getestet worden.

In Mönchengla­dbach befinden sich 15 Patienten, die am Rosenmonta­g von einem positiv getesteten Arzt in den Kliniken Maria Hilf behandelt wurden, vorsorglic­h im Krankenhau­s in Quarantäne. Bis zum Abend wiesen sie keine Symptome auf. 20 Klinik-Mitarbeite­r sind zu Hause in Quarantäne. Der Arzt war nach seiner Ansteckung einen Tag lang im Dienst gewesen.

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