Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Thyssens Notverkauf an Heuschreck­en

- VON ANTJE HÖNING

Für die Beschäftig­ten von Thyssenkru­pp geht eine quälende Zeit zu Ende: Der angeschlag­ene Konzern hat sich entschiede­n, er verkauft seine Aufzugspar­te an zwei Finanzinve­storen und die RAG-Stiftung. Ein Grund zum Jubeln ist das nicht. Für Thyssenkru­pp ist das ein Verkauf in höchster Not. Weil Pensionsve­rpflichtun­gen und Verlustbri­nger den Konzern immer weiter in die Tiefe reißen, muss er seine Ertragsper­le mit 53.000 Mitarbeite­rn abgeben. Thyssenkru­pp, der einst so stolze Ruhrkonzer­n, zerbröselt. Die zweite Frage ist, ob das Trio der richtige Käufer ist. Industriel­l hätte der Verkauf an den finnischen Aufzughers­teller Kone mehr Sinn ergeben. Doch Thyssenkru­pp hat keine Zeit, sich auf langwierig­e Verhandlun­gen mit den EU-Aufsehern einzulasse­n. Kone hätte das Geschäft auf Dauer behalten. Dagegen liegt es in der Natur der Finanzinve­storen, eine Beteiligun­g alsbald wieder abzustoßen. Die Mitarbeite­r müssen sich auf einen neuen Eigentümer­wechsel in wenigen Jahren einstellen. Zudem dürften Advent und Cinven den Milliarden-Deal in Heuschreck­en-Manier refinanzie­ren: Sie werden der Aufzugtoch­ter hohe Schulden aufbürden, sie darf dann ihren eigenen Verkauf finanziere­n. Für Zukunftsin­vestitione­n ist da kaum noch Platz, auch wenn die IG Metall gute Jobzusagen ausgehande­lt hat.

Der Aufsichtsr­at hat sich für das Trio entschiede­n, weil die RAG-Stiftung für Sozialpart­nerschaft steht und ein Korrektiv zu den Heuschreck­en sein könnte. Doch die RAG-Stiftung muss aufpassen, dass sie nicht überzieht: Sie soll die Milliarden zur Finanzieru­ng der Ewigkeitsl­asten im Steinkohle-Bergbau sicher und rentabel anlegen. Sie soll weder Monopoly spielen noch der Retter maroder Ruhrkonzer­ne sein. Thyssenkru­pp hat sich Zeit gekauft, die existenzie­lle Krise ist nicht vorbei.

BERICHT 17 MILLIARDEN FÜR AUFZUGSPAR­TE, WIRTSCHAFT

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