Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Wer drängt wen aus der Mitte?
Der alte Machtkampf ist neu entbrannt: mal plump, mal raffiniert, immer verlogen.
Wer kennt nicht die Floskeln, die vor und nach Wahltagen, also fast immer, heruntergebetet werden: „Wahlen werden in der Mitte gewonnen.“– „Wir müssen mehr über Inhalte sprechen.“Ich höre im Geist einen früheren Kollegen dazu drastisch sagen: „Bullshit.“Bleiben wir nüchtern. Wer immer davon redet, es gehe ihm nicht um persönliche Profilierung, vielmehr um „Inhalte“, trägt schon das Lügenmäntelchen um seine Schultern. Und die Einpeitscher des machtpolitischen Betriebs, die die „Mitte“und nichts als die Mitte wie ein Zentralgestirn beschwören, wollen nur das Eine: die politische Konkurrenz aus der Umlaufbahn befördern. Besonders plumpe, aber deshalb auch leicht identifizierbare Belege dafür lieferten zuletzt die SPD-Politiker Lars Klingbeil (Generalsekretär) und Raed Saleh (Fraktionschef in Berlin) sowie der CDU-Oldtimer Elmar Brok (Vorstandsmitglied). Klingbeil und Saleh nahmen für ihre Partei die Mitte in Anspruch, indem sie dem politischen Gegner, sprich FDP und CDU, eine gefährliche Rechtsverschiebung, teilweise demokratische Unzuverlässigkeit unterstellten. Brok schoss gar ins eigene Zelt und nannte die „Werteunion“dezidiert konservativer Parteifreunde ein Krebsgeschwür.
Eine lose vereinigte Talkshow-Linke
unter Führung des sozialdemokratisch auftretenden Sozialisten Bodo Ramelow und des strubbeligen grünen Krisengewinnlers Robert Habeck ist unterdessen nicht ohne Raffinesse dabei, die politische Mitte neu zu definieren und zu besetzen. Machen wir uns nichts nichts vor: Es geht weder Ramelow noch Habeck, weder Laschet noch Merz noch der schlauen Altbäuerin im Kanzleramt zuerst um irgendwelche „Inhalte“, sondern um Macht. Hat man sie inne, heißt der Sockel, auf dem man steht, von nun an „Die Mitte“.
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