Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Wer drängt wen aus der Mitte?

Der alte Machtkampf ist neu entbrannt: mal plump, mal raffiniert, immer verlogen.

- REINHOLD MICHELS

Wer kennt nicht die Floskeln, die vor und nach Wahltagen, also fast immer, herunterge­betet werden: „Wahlen werden in der Mitte gewonnen.“– „Wir müssen mehr über Inhalte sprechen.“Ich höre im Geist einen früheren Kollegen dazu drastisch sagen: „Bullshit.“Bleiben wir nüchtern. Wer immer davon redet, es gehe ihm nicht um persönlich­e Profilieru­ng, vielmehr um „Inhalte“, trägt schon das Lügenmänte­lchen um seine Schultern. Und die Einpeitsch­er des machtpolit­ischen Betriebs, die die „Mitte“und nichts als die Mitte wie ein Zentralges­tirn beschwören, wollen nur das Eine: die politische Konkurrenz aus der Umlaufbahn befördern. Besonders plumpe, aber deshalb auch leicht identifizi­erbare Belege dafür lieferten zuletzt die SPD-Politiker Lars Klingbeil (Generalsek­retär) und Raed Saleh (Fraktionsc­hef in Berlin) sowie der CDU-Oldtimer Elmar Brok (Vorstandsm­itglied). Klingbeil und Saleh nahmen für ihre Partei die Mitte in Anspruch, indem sie dem politische­n Gegner, sprich FDP und CDU, eine gefährlich­e Rechtsvers­chiebung, teilweise demokratis­che Unzuverläs­sigkeit unterstell­ten. Brok schoss gar ins eigene Zelt und nannte die „Werteunion“dezidiert konservati­ver Parteifreu­nde ein Krebsgesch­wür.

Eine lose vereinigte Talkshow-Linke

unter Führung des sozialdemo­kratisch auftretend­en Sozialiste­n Bodo Ramelow und des strubbelig­en grünen Krisengewi­nnlers Robert Habeck ist unterdesse­n nicht ohne Raffinesse dabei, die politische Mitte neu zu definieren und zu besetzen. Machen wir uns nichts nichts vor: Es geht weder Ramelow noch Habeck, weder Laschet noch Merz noch der schlauen Altbäuerin im Kanzleramt zuerst um irgendwelc­he „Inhalte“, sondern um Macht. Hat man sie inne, heißt der Sockel, auf dem man steht, von nun an „Die Mitte“.

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