Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Ich traue Jens Spahn viel zu“
Der Chef der Jungen Union gibt für die CDU 35 Prozent als Ziel aus. Nie wieder dürfe sie ihre Politik zu wenig erklären.
BERLIN Die Junge Union ist für jeden CDU-Vorsitzenden wichtig. Annegret Kramp-Karrenbauer kann ein Lied davon singen. Bei ihrem Kongress im Herbst feierte die JU Ex-Fraktionschef Friedrich Merz frenetisch. Da war noch nicht klar, dass bald wieder ein neuer Parteichef gewählt und Merz erneut antreten würde. Befreundet ist Tilman Kuban, der Chef der JU, aber mit Jens Spahn, der für NRW-Ministerpräsident Armin Laschet wirbt. Im Interview übt sich Kuban in Diplomatie. Und doch wird deutlich, wer und was für ihn Zukunft bedeutet.
Herr Kuban, Norbert Röttgen, Friedrich Merz sowie Armin Laschet mit Unterstützung von Jens Spahn treten für den Parteivorsitz an. Sie sind mit Spahn befreundet, werden aber nicht in Laschets Mitte-Lager verortet. Sind Sie im Zwiespalt?
KUBAN Es ist gut, dass wir jetzt Klarheit haben und schnell entscheiden. Wir werden zeigen, dass wir Zukunftsideen für Deutschland haben und unser Land auch in den nächsten Jahren regieren wollen. Ich bin froh und dankbar, dass wir so tolle Kandidaten haben. Diese Auswahl würden sich viele andere Parteien nur wünschen. Jetzt sind wir gespannt auf deren Zukunftsagenda.
Und die Antwort auf meine Frage? Sind Sie persönlich im Zwiespalt? KUBAN Nein, weil es als Vorsitzender der Jungen Union meine Aufgabe ist, die Interessen unserer Mitglieder zu vertreten. Wir werden die Bewerber an ihren Zukunftsideen messen und unsere Mitglieder befragen. Dieses Stimmungsbild trage ich dann auch persönlich in die Partei.
Welchen Eindruck macht das Duo Spahn/Laschet auf Sie? Vater und Sohn? Jung und Alt? Kontinuität und Aufbruch?
KUBAN Jens Spahn hat für sich entschieden, nicht für den Parteivorsitz zu kandidieren. Damit zeigt er, dass ihm die Partei sehr wichtig ist und er sich dafür auch selbst zurücknimmt. Das haben ihm viele nicht zugetraut.
Ja, aber welchen Eindruck macht das Duo auf Sie?
KUBAN Es ist ja bekannt, dass die beiden in der Vergangenheit nicht immer einer Meinung waren. Insofern ist das eine spannende Kombination.
Welches Amt hat Herr Spahn in etwa zehn Jahren?
KUBAN Ich habe gelernt, dass man Politik nicht planen kann. Er wird definitiv eine wesentliche Rolle in der deutschen Politik spielen. Ich traue ihm viel zu.
Hätten sie sich EIN Team aller jetzigen Kandidaten gewünscht? KUBAN Am Ende ist Politik nie eine One-Man- oder One-Woman-Show. Das geht immer nur in einem Team. Und nach 15 Jahren mit unserer
Kanzlerin an der Spitze brauchen wir jetzt eine Formation, die unsere Weichen für die Zukunft stellt. Deshalb ist es gut, dass wir jetzt einen Wettbewerb haben um die besten Ideen, aber für den Tag nach der Wahl alle Bewerber zugesagt haben, im Team der Union mitzuwirken.
Glauben Sie daran? Hat ja unter Annegret Kramp-Karrenbauer auch nicht funktioniert.
KUBAN Ja, denn alle Bewerber sollten wissen, dass es jetzt um unseren Status als Volkspartei geht. Den erhalten wir nur, wenn wir zusammen für Deutschlands Zukunft kämpfen.
Welche Rolle hätten Herr Merz und
Herr Röttgen in einem Team spielen sollen?
KUBAN Da sind viele Rollen denkbar. Klar ist, dass jeder der Kandidaten auch nach der Wahl einen Platz im CDU-Team haben wird. Wir brauchen die klügsten Köpfe in der Partei, und die beiden gehören definitiv dazu.
Sie sind Jurist. Herr Merz hat das Duo Laschet/Spahn mit einer Kartellbildung verglichen. Wie gefährlich ist eine Kartellbildung für den Wettbewerb?
KUBAN Wir sollten fair miteinander umgehen und nicht schlecht über andere reden, sondern die eigenen Vorstellungen herausstellen. Wenn sich alle so angreifen, dass am Ende der Gewählte beschädigt ist, haben wir als Partei gemeinsam nichts gewonnen. Ich rufe daher alle in der Union zu einem Verhalten auf, das für den eigenen Kandidaten wirbt, aber nicht die anderen diffamiert. Wir brauchen keinen Streit und keine Spaltung.
Welche Führungsqualitäten zeichnen einen Parteivorsitzenden aus? KUBAN Ein Parteivorsitzender muss bereit sein, selbst aktiv Themen zu setzen, Diskussionen zu lenken und auch bei Gegenwind weiter Kurs zu halten. Wir brauchen eine Persönlichkeit an der Spitze, die Zusammenhalt vermittelt, Orientierung gibt und Menschen für Politik begeistert. Die Extremen auf allen Seiten mögen laut sein, klug sind sie nicht.
Können das die vier Kandidaten aus NRW gleich gut?
KUBAN Natürlich hat jeder seine individuellen Stärken und Schwächen. Die werden in den kommenden Wochen bestimmt noch etwas deutlicher. Am Ende müssen dann 1001 Delegierte entscheiden, wem sie es am ehesten zutrauen, die CDU als führende politische Kraft in Deutschland zu erhalten.
Schließen Sie eine dritte Wahl des Parteivorsitzes in dieser Legislaturperiode aus?
KUBAN Das ist sehr, sehr unwahrscheinlich, aber in der Politik wird man nie etwas komplett ausschließen können.
Zerlegt sich die Union komplett, wenn Merz Parteichef wird und CSU-Chef Söder dann lieber selbst Kanzlerkandidat werden will? KUBAN Die CSU ist unsere Schwesterpartei und hat immer mitentschieden, wer Kanzlerkandidat wird. Das passiert auf Augenhöhe. Ich bin sicher, dass wir das auch in Zukunft so halten werden, egal wer neuer CDU-Parteichef wird.
Reicht das Ziel 30 Prozent als Volkspartei aus, oder sollte es ein bisschen mehr sein?
KUBAN Wir haben heute deutlich mehr Fraktionen in den deutschen Parlamenten, da wäre es ein großer Erfolg, eine stabile Mitte-30-Prozent-Partei zu sein. Volkspartei sind wir aber vor allem dann, wenn sich bei uns alle Teile der Bevölkerung wiederfinden. Von Jung bis Alt, vom Arbeitnehmer bis zum Unternehmer, vom Silver Surfer bis zum Influencer.
Was darf der CDU nie wieder passieren?
KUBAN Dass wir unsere Politik zu wenig erklären. Wir müssen alle lernen, auch in einer schnelleren und digitaleren Welt aufzuzeigen, warum wir welche Entscheidungen treffen.