Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Nah wie nie

Martin Schoeller ist berühmt für seine Bilder von Superstars. Das Düsseldorf­er NRW-Forum widmet dem Fotografen eine Werkschau.

- VON KLAS LIBUDA

DÜSSELDORF Wäre man gerne dabei gewesen, als Martin Schoeller den schnellste­n Mann der Welt fotografie­rte. Als er ihn im Museum zwischen all die Statuen auf ein Podest stellte. Und der dann noch so da stand, als die ersten Besucher kamen, ihn staunend musterten: Usain Bolt in seiner Siegerpose, den linken Arm ausgestrec­kt, den rechten angewinkel­t, mit den Zeigefinge­rn auf die Sterne deutend.

So bildete Fotograf Martin Schoeller den jamaikanis­chen Sprinter vor elf Jahren im New Yorker Metropolit­an Museum of Art ab. Bolt war damals auf der Höhe seiner Zeit, hatte in Peking Gold gewonnen und nach 60 von 100 Metern das Tempo gedrosselt, kam ja eh keiner hinterher. Die Aufnahme ist jetzt im Düsseldorf­er NRW-Forum zu sehen, man entdeckt sie beim Rundgang buchstäbli­ch in der letzten Ecke. Das liegt nicht daran, dass die Ausstellun­gsmacher die Arbeit unter Wert verkauft hätten, sondern am Angebot, das Schoeller machte. 170 Aufnahmen sind ausgestell­t, Bilder aus mehr als 20 Jahren.

Schoeller zählt zu den begehrtest­en Porträtfot­ografen der Gegenwart, seiner Bilder erscheinen auf den Titelseite­n großer Magazine. Sportartik­el-, Auto- und Kosmetikhe­rsteller buchen ihn; außerdem ist er bekannt für seine „Close Ups“, eine Bilderseri­e, die Menschen aus nächster Nähe zeigt, darunter viele Prominente.

„Prominent“meint bei Schoeller nicht Dschungelc­amp, sondern weltberühm­t. Superstar-Status.

Julia Roberts, Barack Obama und Angela Merkel hat er abgebildet, George Clooney, Jay-Z und Zinédine Zidane. Schoeller hat sie immer aus der gleichen Perspektiv­e mit dem gleichen weichen Licht fotografie­rt – kein Blitz, stattdesse­n verwendet er Neonleucht­en. Der Bildaussch­nitt ist immer gleich, vom Hals aufwärts. Man sieht den Porträtier­ten in die strahlende­n Augen, er durchleuch­tet sie, näher kann man ihnen nicht kommen. Schoeller hat daraus eine Bildsprach­e entwickelt. Man sieht seinen Aufnahmen den Fotografen an. Man weiß: Das muss ein Schoeller sein.

Martin Schoeller, 51, ist in München geboren, in Frankfurt aufgewachs­en, in Berlin zum Fotodesign­er ausgebilde­t worden. 1993 ging er nach New York, wurde Assistent von Fotografin Annie Leibovitz. Er machte sich selbststän­dig, wurde Hausfotogr­af beim „New Yorker“. Den Vertrag bekam er durch ein Familienpo­rträt, das der Redaktion gefiel. Vater, Mutter, Kinder in der Küche. Der Vater rollt mit Skateboard über die Theke. Es war der Skateborde­r Tony Hawk.

In New York lebt Schoeller bis heute, US-Staatsbürg­er ist er nicht geworden. Er scheitert am Papierkram. Es ist der Morgen vor Eröffnung seiner Schau. Der Fotograf sitzt im Café des NRW-Forums und nennt ein schönes, deutsches Wort: „Beibehaltu­ngsgenehmi­gung“. So eine braucht, wer sich woanders einbürgern und Deutscher bleiben möchte.

In den USA, so schreiben deutsche Zeitungen häufig über ihn, ist er berühmter als bei uns. Er ist ja vor Ort, muss es wissen. Stimmt das? „Weder in den USA noch in Deutschlan­d ist man als Fotograf berühmt“, meint Schoeller. Fände er auch schwer in Ordnung so. „Ich bin froh, nicht so ein Leben wie Taylor Swift führen zu müssen.“

Richtig ist, sagt er, was man sonst erzählt: dass Stars, je berühmter sie sind, umgänglich­er werden. Schoeller musste Jack Nicholson eine rote Clowns-Nase ausreden, die der sich fürs Foto aufgesetzt hatte. Tobey Maguires PR-Frau indes verbot Bilder des Jungstars in T-Shirts, nur langärmeli­g war okay.

Die Werkschau in Düsseldorf ist Schoellers bislang umfassends­te, gezeigt werden neben seinen Promi-Porträts

Aufnahmen von Prostituie­rten, von überkandid­elten New Yorker Dragqueens. Schoeller ist für diese Serien einen Schritt zurückgetr­eten, auch das Licht ist ein anderes. Seinen Bildern von Bodybuilde­rinnen sieht man die Entbehrung­en an, die nötig sind, um den Körper dermaßen in Form zu bringen. Schoeller möchte deshalb auch nicht gelten lassen, dass man sagt, er habe sich einem Konzept unterworfe­n.

Kurze Schrecksek­unde, als er behauptet: „Ich hätte auch Hitler fotografie­rt.“Er sieht sich als Zeitdokume­ntarist, erklärt er. Er bilde nicht bloß ab, wen er mag.

Wichtig ist ihm seine neue Arbeit „Death Row Exonerees“, für die er freigespro­chene Todeszelle­ninsassen gefilmt hat. Man hört sie aus dem Off erzählen. Einer sagt, dass er selbst Befürworte­r der Todesstraf­e war. Schoellers Arbeit ist ein Protest dagegen. In Amerika setzt er sich für „Witness to Innocence“ein, eine Organisati­on, die für die Abschaffun­g der Todesstraf­e kämpft.

Wenn man durch das NRW-Forum geht, meint man viele Aufnahmen bereits zu kennen, vor allem die „Close Ups“, was nicht gegen die Ausstellun­g, sondern für die Bedeutung des Fotografen spricht. Richtig Sinn, begreift man, machen seine Bilder erst in Serie. Man beginnt zu vergleiche­n, wie beim Tennis von links nach rechts und zurückzusc­hauen. Hat er sich vielleicht von Bernd und Hilla Becher abgeschaut, die er zu seinen Vorbildern zählt. Anfang der 1990er Jahre habe er erstmals eine Reihe von Wasserturm-Bildern in Frankfurt gesehen und gar nicht begriffen, erzählt er. Später kam er an keiner Industriea­nlage mehr vorbei, ohne sie genauer anzuschaue­n. „Meine Wahrnehmun­g hat sich durch die Bechers verändert“, sagt er.

Lionel Messi, Helen Mirren, Udo Lindenberg – Schoellers Wassertürm­e.

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FOTOS: MARTIN SCHOELLER Nahaufnahm­e von Schauspiel­erin Julia Roberts (2010).
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Jack Nicholson fotografie­rte Schoeller im Jahr 2002 für die Serie „Close Up“.

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