Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Ende einer Legende

Mit der Karriere von Plácido Domingo geht es steil bergab. Nach der Entschuldi­gung des Tenors an Frauen wegen sexueller Übergriffe wendet sich die spanische Musikwelt von dem Künstler ab.

- VON EMILIO RAPPOLD

MADRID (dpa) Plácido Domingo laufen nun auch die treuesten Fans und viele Freunde davon. Nach der Entschuldi­gung des spanischen Opernstars an Frauen, die ihm schon vor Monaten sexuelle Übergriffe vorgeworfe­n hatten, überschlug­en sich am Donnerstag vor allem in der Heimat des 79-Jährigen die Ereignisse. In Spanien, wo es bisher (anders als etwa in den USA) nur sehr spärlich Kritik und Konsequenz­en gegeben hatte, kehrt man Domingo jetzt ebenfalls den Rücken. Die Kulturwelt, die Politiker, die Kollegen und auch die Medien. „Plácido Domingo steuert dem Ende seiner Legende zu“, titelte ebenso treffend wie schonungsl­os die renommiert­e Zeitung „El País“.

Ein tragisches, rapides Ende. Nachdem das Madrider Teatro de la Zarzuela die Ikone am Mittwoch ausgeladen hatte, sagte Domingo am Donnerstag per Mitteilung aus Mexiko unter Druck seine fünf für Mai geplanten Auftritte im Teatro Real der spanischen Hauptstadt ab. „La Traviata“muss nun ohne ihn auskommen. Dabei wollte man damit den 50. Jahrestag des Domingo-Debüts im Real feiern.

Auch das Festival von Úbeda im Süden Spaniens sagte am Donnerstag ein für den 3. Mai angesetzte­s Konzert Domingos ab. Der „Tenorissim­o“, die ehemalige Vorzeigefi­gur der spanischen Musikwelt, darf in der Heimat nicht mehr singen. „Alles deutet darauf hin, dass die Karriere Domingos damit zu Ende ist“, stellte auch die Zeitung „Ideal“fest.

Mit seiner Entscheidu­ng, selbst beim Teatro Real abzusagen, wollte Domingo allem Anschein nach kein Zeichen setzen, sondern nur einer „Klatsche“durch das traditions­reiche Opernhaus zuvorkomme­n. Andere Auftritte, etwa in der Hamburger Staatsoper, wo er am 22. und 26. März sowie am 2. April bei „Simon Boccanegra“das Publikum trotz allem begeistern will, und in anderen europäisch­en Städten wie Moskau, Wien und London sagte er nämlich (noch?) nicht ab.

Von Einsicht scheint Domingo unterdesse­n noch weit entfernt zu sein. In seiner jüngsten Mitteilung betont der geborene Madrilene, sein erstes Statement habe „wohl einen falschen Eindruck erweckt“. Seine Entschuldi­gung sei zwar „ehrlich“gewesen und „aus ganzem Herzen gekommen“. Aber: „Ich weiß, was ich nicht getan habe, und das werde ich immer wieder bestreiten.“Er habe sich nie „aggressiv verhalten“und er habe auch „niemals etwas getan, um eine Karriere zu stören oder zu verhindern“. Er werde nur Auftritte

streichen, wenn die organisier­enden Häuser „Probleme“damit hätten.

Der Opernstar konnte beim Teatro Real das Unheil kommen sehen. Das Haus hatte nämlich bereits am Mittwoch eine Dringlichk­eitssitzun­g angekündig­t, um über eine Ausladung Domingos zu beraten. In einer Mitteilung ließ man nach der Absage des Tenors am Donnerstag wissen, man habe „null Toleranz gegenüber jeder Art von Belästigun­g und Missbrauch“– und erkläre sich solidarisc­h mit den Opfern.

Nach Bekanntwer­den der Vorwürfe von zahlreiche­n Frauen hatte Spanien zunächst ganz anders reagiert. In Valencia war Domingo noch im Dezember mit einer auch für ihn ungewöhnli­ch langen Standing Ovation gefeiert worden. Nicht nur Rechtspopu­listen, auch Politiker gemäßigter konservati­ver Parteien, Künstler und Medienkomm­entatoren hatten dem Mann, der auch als Dirigent und Intendant tätig war, die Treue gehalten. Der Tenor über den Tenor war hier: Domingo sei einfach ein Charmeur, der Frauen möge. Das könne doch kein Verbrechen sein.

Nun wechselten die Freunde und Beschützer von einst jäh die Seiten. Oder hüllten sich einfach in Schweigen. „Seine Karriere ist zu Ende, darüber gibt es keine Zweifel. Ich mache mir jetzt nur um seine Gesundheit Sorgen, sein Leben war die Bühne“, sagte der Deutschen Presse-Agentur ein Vertreter der Opernwelt, der anonym bleiben wollte und Domingo sehr gut kennt.

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FOTO: FRANZ NEUMAYR/DPA Operntenor Plácido Domingo bei der Aufführung des Stücks „Luisa Miller“bei den Salzburger Festspiele­n.

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