Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
E-Sports kommt zu kurz
Der Landessportbund (LSB) in NRW kann sich noch immer nicht für eine Aufnahme des virtuellen Sports erwärmen. Die Landesregierung dagegen ist ganz euphorisch – unterstützt werden die Akteure allerdings mit eher finanziell bescheidenen Mitteln.
DÜSSELDORF Es gibt da diese Gretchenfrage. Ist E-Sports nun Sport oder nicht? Es gibt dazu rechtliche Bewertungen und Gutachten. Ganz unterschiedliche Gruppierungen sind um die Klärung dieser Grundsatzfrage bedacht. Das ist vor allem wichtig, um zu wissen, wo die neue Bewegung eine Heimat bekommen könnte. Das Gezanke geht nun schon eine Weile und die Beteiligten wirken zunehmend überfordert, gemeinsam eine Lösung zu finden. Wie auch. Denn es wird immer deutlicher, dass das Feld vielleicht einfach viel zu weit gefasst worden ist. Der Landessportbund NRW bleibt jedenfalls bei seiner kritischen Distanz. Und auch der Dachverband DOSB verspürt wenig Lust, allen Genres von E-Sports, von Sportsimulationen wie Fifa (Fußball) und NBA (Basketball) bis hin zu Strategiespielen, darunter auch sogenannte „Ballerspiele“, wie der Volksmund sagen würde, Platz zu bieten.
Die Politik hat die Hoffnung aufgegeben, dass der organisierte Sport sich mit dem neuen Spieler auf dem Markt anfreundet und nimmt die Sache nun suggsezive Selbst in die Hand. Auf Bundesebene hat man deutliche Signale gesendet – heißt in der Politikersprache: auch E-Sports soll finanziell gefördert werden. Und auch NRW ist in die Offensive gegangen. In Köln ist die „esports player foundation“vorgestellt worden. Im ersten Jahr sichern das Land mit 200.000 Euro und „game“, der Verband der deutschen Spielebranche, die Finanzierung. Zudem ist mit der Telekom schon ein Wirtschaftspartner im Boot. Es würden zunächst vier Millionen Euro benötigt, um die Förderungsziele zu erreichen: 400 Nachwuchsspieler sollen unterstützt werden. Kritiker halten das Engagement für wenig tauglich, um international Eindruck zu schinden. In Skandinavien wird in ganz anderen Größenordnungen investiert, ganz zu schweigen von Asien, wo die Spitzenkräfte der Branche längst zu Superstars aufgestiegen sind. Die NRW-Initiative ist indes mindestens ein mächtiges Zeichen – E-Sports ist selbst im digitalen Schnarchland Deutschland nicht aufzuhalten. Wenngleich man auch die Frage stellen kann: Warum sind überhaupt öffentliche Gelder notwendig? Hinter E-Sports steckt eine gewaltige Industrie. Einzelne Spiele setzen längst mehr Gewinn um, als weltweite Kinoerfolge made in Hollywood.
Die im LSB organisierten Sportarten, vom Yoga-Verein, Fußballklub bis zu den Sportschützen, werden vom Land NRW im Rahmen einer Zielvereinbarung in Höhe von jährlich 42,205 Millionen Euro gefördert. Dazu kommen noch einmal Investitionen in die Infrastruktur. Ehrgeiziges Ziel von Ministerpräsident Armin Laschet: NRW soll Sportland Nummer eins sein. Für seine Initiative hat der Landesvater viel Lob erhalten, auch wenn es immer noch viele offene Baustellen gibt. Schwimmbäder sind so marode, dass sie schließen müssen und auf manchen Laufbahnen, liefern sich maximal Raupen einen Wettstreit. Und doch ist Aufbruch zu spüren. Gleichwohl will NRW auch in Sachen
E-Sports ganz vorne mitspielen.
Nun gibt es tatsächlich nur noch wenige hierzulande, die in Abrede stellen, dass E-Sports früher oder später in die „Sport-Familie“aufgenommen werden sollte. Doch wann? Und von wem? Dieser Schritt obliegt dem DOSB. Doch die Politik hat die Funktionäre schlicht überrumpelt und so in Not gebracht. Wie soll man den altgedienten Mitgliedern vermitteln, was da plötzlich angerollt kommt? Es wurde eigens eine Arbeitsgruppe gegründet, um über das Für und Wider zu beraten. Bisherige Einschätzung der Organisation: Eine Reihe von Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Dachverband des deutschen Sports verweist dazu auf seine Aufnahmeordnung. In der ist von einer „eigenen, sportartbestimmenden motorischen Aktivität“, der „Einhaltung ethischer Werte“und eben „bestimmten Verbandsstrukturen“die Rede.
Die Stiftung in Köln soll erst der Anfang sein. In Düsseldorf denkt man traditionell in viel größeren Dimensionen. Nathanael Liminski, Chef der NRW-Staatskanzlei, wünscht sich eine Aufnahme von E-Sports ins olympische Programm. „Die Dynamik im E-Sports ist gigantisch“, sagte er anlässlich der Vorstellung der Stiftung. „Das IOC wird sich das sehr genau anschauen. Und ich vernehme, dass es vielfach Unterstützung dafür gibt, dass die olympische Idee auch im E-Sports ausgelebt werden soll.“Die Bundesregierung habe sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, „E-Sports eine olympische Perspektive zu eröffnen. Wir als Landesregierung würden uns wünschen, dass E-Sports dann zum olympischen Katalog gehört“, betonte CDU-Politiker Liminski. Die Landesregierung hat noch ein weiteres Ziel: 2032 sollen die Olympischen Spiele in der Region Rhein-Ruhr ausgetragen werden. Im Optimalfall dann mit einem Goldmedaillengewinner im E-Sports – aus NRW.