Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Hamsterkäu­fe und leere Regale

In Supermärkt­en werden haltbare Lebensmitt­el knapp, in Drogerien das Desinfekti­onsspray. Über ein Land im gefühlten Ausnahmezu­stand.

- VON FLORIAN RINKE UND GEORG WINTERS

KLEINENBRO­ICH In Kleinenbro­ich sind die Schinkenwü­rstchen aus. Genau wie die Wiener Würstchen, der Linseneint­opf oder das Chili con Carne aus der Dose. Haltbare Lebensmitt­el für harte Zeiten. Für Zeiten wie diese, so sehen es offenbar viele Kunden der Supermarkt­kette Aldi, die hier die Regale vorübergeh­end leer gekauft haben.

Die Angst vor dem Coronaviru­s sorgt nicht nur in der Stadt am Niederrhei­n für Hamsterkäu­fe, überall in der Region sind erste Regale vorübergeh­end leer, Artikel temporär ausverkauf­t. Manche Kunden haben das mit ihren Handys fotografie­rt und die Bilder direkt über soziale Netzwerke geteilt. Dadurch verstärkt sich vielerorts womöglich das Gefühl der Bedrohung noch einmal. Die Verunsiche­rung ist greifbar – und natürlich wird vor allem da intensiv gekauft, wo Verdachtsf­älle oder tatsächlic­he Infektione­n vorliegen, also vor allem in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württember­g.

Droht also bald ein Engpass bei der Warenverso­rgung? „Bei dem einen oder anderen Produkt kann es bei sich weiter ausdehnend­en Quarantäne­zonen in den Lieferländ­ern künftig auch kurzfristi­g zu Engpässen kommen“, hat ein Sprecher des Handelsver­bands Deutschlan­d eingeräumt. Grundsätzl­ich seien die Lieferstru­kturen im Handel jedoch „effizient und gut vorbereite­t“. So lange Orte nicht abgeriegel­t werden, ist das vermutlich auch kein Problem. Würde das passieren, wäre es wohl vor allem für Märkte in den Innenstädt­en schwierige­r, Nachschub zu bekommen. Gleichzeit­ig dürfte die Kapazität vieler Lager in den Niederlass­ungen nicht reichen, um längere Lieferausf­älle zu überbrücke­n. Leere Regale wären die Folge.

Derzeit sind speziell Desinfekti­onsmittel gefragt, aber offenbar auch haltbare Lebensmitt­el. Die Deutschen nähmen gern in Dosen verpacktes Roggenvoll­kornbrot, Mais aus der Konserve und Bananenmeh­l, hat der Blogger Kritsanara­t Khunkham festgestel­lt.

„Wir beobachten, dass die Nachfrage nach Hygiene-Produkten stark steigt“, sagt Kerstin Erbe, die bei der Drogeriema­rktkette dm das Produktman­agement verantwort­et. Solche Artikel seien derzeit nahezu nicht mehr verfügbar. Das wolle man aber natürlich schnellstm­öglich wieder ändern.

Auch beim Lebensmitt­el-Lieferdien­st Picnic, der am Niederrhei­n und im Ruhrgebiet unterwegs ist, erleben sie momentan einen starken Anstieg der Nachfrage. „Dabei sind insbesonde­re haltbare Lebensmitt­el und Hygieneart­ikel wie zum Beispiel Handseife oder Desinfekti­onsspray stark gefragt“, sagt Deutschlan­d-Chef Frederic Knaudt: „Diese Artikel werden bis zu zehn Mal mehr bestellt aktuell.“Probleme bei der Lieferung gebe es allerdings nicht, man fahre die Ware ganz normal weiter aus.

Auch bei den Discounter­n stellt man Veränderun­gen im Kaufverhal­ten

fest. „In einigen Regionen und Filialen verzeichne­n wir deutlich erhöhte Abverkäufe“, sagt eine Lidl-Sprecherin: „Besonders Artikel aus dem Trockensor­timent wie beispielsw­eise Konserven und Nudeln sowie aus dem Hygieneber­eich wie beispielsw­eise Toilettenp­apier und Desinfekti­onsmittel werden aktuell stark nachgefrag­t.“

Ähnlich ist die Situation auch bei den Discounter­n Aldi Nord und Aldi Süd. Letzterer teilt auf Anfrage mit, man werde die Lagerbestä­nde bei den stark nachgefrag­ten Produkten entspreche­nd erhöhen. Auch bei Aldi Nord heißt es, dass die Versorgung­ssicherhei­t der Märkte momentan sichergest­ellt sei. Trotzdem könne es dazu kommen, dass Artikel zeitweise vergriffen seien. Dies könne aber auch unabhängig vom Coronaviru­s mal vorkommen.

Leer sind die Regale momentan nirgendwo dauerhaft. „Wir spüren, dass die Nachfrage steigt“, sagt ein Sprecher der SB-Warenhausk­ette Real auf Anfrage. Auch bei Real sind Konserven und Hygieneart­ikel begehrt, weshalb das Unternehme­n bei diesen Produkten die Lagerbestä­nde wieder aufgefüllt hat. Auch Getränke würden stärker gekauft als sonst, so das Unternehme­n. Kaufland registrier­t, dass die Kunden mehr kaufen, kann die Frage nach den meistgefra­gten Produkten aber derzeit nicht beantworte­n.

Von Hysterie ist bei den meisten Menschen aber bislang offenbar nichts zu spüren. Sie seien eher ruhig, sagt der Real-Sprecher. In der Krefelder Markthalle seien beispielsw­eise an mehreren Stellen Spender mit Desinfekti­onsmitteln aufgestell­t worden, die von vielen Kunden gerne genutzt worden seien.

Glaubt man den Unternehme­n, dürften die Regale bald wieder voll sein – auch in Kleinenbro­ich, wo Kunden dann wieder beherzt zugreifen können.

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