Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Hamsterkäufe und leere Regale
In Supermärkten werden haltbare Lebensmittel knapp, in Drogerien das Desinfektionsspray. Über ein Land im gefühlten Ausnahmezustand.
KLEINENBROICH In Kleinenbroich sind die Schinkenwürstchen aus. Genau wie die Wiener Würstchen, der Linseneintopf oder das Chili con Carne aus der Dose. Haltbare Lebensmittel für harte Zeiten. Für Zeiten wie diese, so sehen es offenbar viele Kunden der Supermarktkette Aldi, die hier die Regale vorübergehend leer gekauft haben.
Die Angst vor dem Coronavirus sorgt nicht nur in der Stadt am Niederrhein für Hamsterkäufe, überall in der Region sind erste Regale vorübergehend leer, Artikel temporär ausverkauft. Manche Kunden haben das mit ihren Handys fotografiert und die Bilder direkt über soziale Netzwerke geteilt. Dadurch verstärkt sich vielerorts womöglich das Gefühl der Bedrohung noch einmal. Die Verunsicherung ist greifbar – und natürlich wird vor allem da intensiv gekauft, wo Verdachtsfälle oder tatsächliche Infektionen vorliegen, also vor allem in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.
Droht also bald ein Engpass bei der Warenversorgung? „Bei dem einen oder anderen Produkt kann es bei sich weiter ausdehnenden Quarantänezonen in den Lieferländern künftig auch kurzfristig zu Engpässen kommen“, hat ein Sprecher des Handelsverbands Deutschland eingeräumt. Grundsätzlich seien die Lieferstrukturen im Handel jedoch „effizient und gut vorbereitet“. So lange Orte nicht abgeriegelt werden, ist das vermutlich auch kein Problem. Würde das passieren, wäre es wohl vor allem für Märkte in den Innenstädten schwieriger, Nachschub zu bekommen. Gleichzeitig dürfte die Kapazität vieler Lager in den Niederlassungen nicht reichen, um längere Lieferausfälle zu überbrücken. Leere Regale wären die Folge.
Derzeit sind speziell Desinfektionsmittel gefragt, aber offenbar auch haltbare Lebensmittel. Die Deutschen nähmen gern in Dosen verpacktes Roggenvollkornbrot, Mais aus der Konserve und Bananenmehl, hat der Blogger Kritsanarat Khunkham festgestellt.
„Wir beobachten, dass die Nachfrage nach Hygiene-Produkten stark steigt“, sagt Kerstin Erbe, die bei der Drogeriemarktkette dm das Produktmanagement verantwortet. Solche Artikel seien derzeit nahezu nicht mehr verfügbar. Das wolle man aber natürlich schnellstmöglich wieder ändern.
Auch beim Lebensmittel-Lieferdienst Picnic, der am Niederrhein und im Ruhrgebiet unterwegs ist, erleben sie momentan einen starken Anstieg der Nachfrage. „Dabei sind insbesondere haltbare Lebensmittel und Hygieneartikel wie zum Beispiel Handseife oder Desinfektionsspray stark gefragt“, sagt Deutschland-Chef Frederic Knaudt: „Diese Artikel werden bis zu zehn Mal mehr bestellt aktuell.“Probleme bei der Lieferung gebe es allerdings nicht, man fahre die Ware ganz normal weiter aus.
Auch bei den Discountern stellt man Veränderungen im Kaufverhalten
fest. „In einigen Regionen und Filialen verzeichnen wir deutlich erhöhte Abverkäufe“, sagt eine Lidl-Sprecherin: „Besonders Artikel aus dem Trockensortiment wie beispielsweise Konserven und Nudeln sowie aus dem Hygienebereich wie beispielsweise Toilettenpapier und Desinfektionsmittel werden aktuell stark nachgefragt.“
Ähnlich ist die Situation auch bei den Discountern Aldi Nord und Aldi Süd. Letzterer teilt auf Anfrage mit, man werde die Lagerbestände bei den stark nachgefragten Produkten entsprechend erhöhen. Auch bei Aldi Nord heißt es, dass die Versorgungssicherheit der Märkte momentan sichergestellt sei. Trotzdem könne es dazu kommen, dass Artikel zeitweise vergriffen seien. Dies könne aber auch unabhängig vom Coronavirus mal vorkommen.
Leer sind die Regale momentan nirgendwo dauerhaft. „Wir spüren, dass die Nachfrage steigt“, sagt ein Sprecher der SB-Warenhauskette Real auf Anfrage. Auch bei Real sind Konserven und Hygieneartikel begehrt, weshalb das Unternehmen bei diesen Produkten die Lagerbestände wieder aufgefüllt hat. Auch Getränke würden stärker gekauft als sonst, so das Unternehmen. Kaufland registriert, dass die Kunden mehr kaufen, kann die Frage nach den meistgefragten Produkten aber derzeit nicht beantworten.
Von Hysterie ist bei den meisten Menschen aber bislang offenbar nichts zu spüren. Sie seien eher ruhig, sagt der Real-Sprecher. In der Krefelder Markthalle seien beispielsweise an mehreren Stellen Spender mit Desinfektionsmitteln aufgestellt worden, die von vielen Kunden gerne genutzt worden seien.
Glaubt man den Unternehmen, dürften die Regale bald wieder voll sein – auch in Kleinenbroich, wo Kunden dann wieder beherzt zugreifen können.