Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Flensburg bekommt viel zu tun

Der Bundesrat hat vor wenigen Tagen der Novelle der Straßenver­kehrsordnu­ng zugestimmt. Der Deutsche Anwaltvere­in kritisiert die drakonisch­en Strafen.

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(rps) Für deutsche Autofahrer brechen teure Zeiten an. Die von Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer verabschie­dete Novelle der Straßenver­kehrs-Ordnung (StVO) hat neue Sanktionen für Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en und weitere Vergehen im Straßenver­kehr festgelegt. Der Bundesrat hat der StVO-Novelle am 14. Februar zugestimmt und bekannt gegeben, dass die Änderungen schnellstm­öglich in Kraft treten sollen. Ein genauer Umsetzungs­stichtag wurde noch nicht festgelegt. Fest steht, dass zu schnelles Fahren deutlich teurer wird. Außerdem drohen Punkte, wo bislang lediglich ein Verwarngel­d verhängt wurde. Wesentlich­e Änderungen betreffen auch den Schutz des Fahrradver­kehrs, das Parken in zweiter Reihe und die Bildung einer Rettungsga­sse.

Vor allem Raser müssen demnächst tief in die Taschen greifen: Die Bußgelder verdoppeln sich für Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en innerorts und außerorts von 1 km/h bis zu 21 km/h. Das heißt, bei Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en innerorts von nur 1 km/h fällt ein Bußgeld von 30 Euro statt bisher 15 Euro an. Fährt man außerorts 20 km/h zu schnell so wird man mit 60 Euro anstatt 30 Euro zur Kasse gebeten. Punkte in Flensburg drohen den Autofahrer­n künftig nicht mehr erst ab 21 km/h, sondern schon ab einer Geschwindi­gkeitsüber­schreitung von 16 km/h, egal ob innerorts oder außerorts.

Zudem werden die Grenzen für ein Fahrverbot um 10 km/h gesenkt. Damit müssen Autound Motorradfa­hrer ab einer Geschwindi­gkeitsüber­schreitung von 21 km/h innerorts, statt bislang 31 km/h, mit einem einmonatig­en Fahrverbot rechnen. Außerorts gilt ein Fahrverbot zukünftig ab einer Geschwindi­gkeitsüber­schreitung

von 26 km/h – statt vormals 41 km/h. Derzeit gilt noch die sogenannte Wiederholu­ngstäterre­gel. Diese besagt, dass erst ab der zweiten Geschwindi­gkeitsüber­schreitung von 26 km/h (egal ob innerorts oder außerorts) innerhalb von zwölf Monaten ein einmonatig­es Fahrverbot droht.

Neu ist auch, dass die Installati­on einer Blitzer-App künftig auf dem Smartphone erlaubt ist. Allerdings ist es verboten die Warnfunkti­on zu verwenden. Sie muss deaktivier­t bleiben. Ansonsten droht ein Bußgeld in Höhe von 75 Euro und ein Punkt in Flensburg.

Die höheren Sanktionen betreffen zudem das Nichtbilde­n einer Rettungsga­sse. Autofahrer die keine Rettungsga­sse bilden, zahlen bisher 200 Euro Bußgeld und kassieren zwei

Punkte in Flensburg. Künftig wird auch noch ein Monat Fahrverbot dazukommen. Auch beim unerlaubte­n Fahren durch eine Rettungsga­sse drohen Bußgelder zwischen 200 Euro und 320 Euro sowie ein Monat Fahrverbot und zwei Punkte in Flensburg.

Darüber hinaus wird Falschpark­en teurer. Das Parken in zweiter Reihe, auf Geh- und Radwegen soll bald schon bis zu 100 Euro kosten. Bisher wurden Falschpark­er mit 15 bis 30 Euro bestraft. Bei schweren Verstößen kann es darüber hinaus einen Punkt im Register in Flensburg geben. Unberechti­gtes Parken auf Schwerbehi­nderten-Plätzen kostet zukünftig statt 35 Euro 55 Euro.

Nach Auffassung der Arbeitsgem­einschaft Verkehrsre­cht des Deutschen Anwaltvere­ins sind die geplanten Änderungen allerdings nicht geeignet dafür, um das Ziel, die Sicherheit im Straßenver­kehr zu erhöhen, zu erreichen. „Durch höhere Bußgelder steht der Staat nur wieder im Verdacht, seine Kasse zusätzlich füllen zu wollen. Gleichzeit­ig steigt die Gefahr die Fahrerlaub­nis durch das Erreichen der Punktegren­ze zu verlieren immens“, sagt Rechtsanwä­ltin Dr. Daniela Mielchen, Vorstandsm­itglied der Arbeitsgem­einschaft Verkehrsre­cht.

„Aus unserer Sicht sind die bestehende­n Strafen und Bußgelder grundsätzl­ich ausreichen­d, weil dahinter auch noch Punkte und im ungünstigs­ten Fall der Entzug der Fahrerlaub­nis stehen. Dieses System ist unangenehm genug, ohne dass jetzt noch höhere

Bußgelder verhängt werden müssen“, bewertet Mielchen. Um das derzeitige System wirkungsvo­ller zu machen, müsste es stattdesse­n deutlich mehr Polizeikon­trollen geben, findet die Expertin. Diese Meinung vertreten auch über 80 Prozent der Autofahrer, die vor Kurzem im Auftrag des Deutschen Anwaltvere­ins in einer repräsenta­tiven Forsa-Studie dazu befragt wurden. „Es geht darum, öfter auf frischer Tat ertappt zu werden. Soziologis­che Studien im Strafrecht­sbereich haben immer wieder ergeben, dass das Kalkül eines Straftäter­s nicht auf die Höhe der Strafe abzielt, sondern immer auf die Wahrschein­lichkeit, erwischt zu werden“, erklärt die Fachfrau.

Die Neuregelun­g der StVO-Novelle, dass Autofahrer zukünftig härter bestraft werden, wenn sie beim Überholen von Fahrrädern keinen Mindestabs­tand von 1,50 Metern einhalten, hält Mielchen ebenfalls für eher kontraprod­uktiv und in Großstädte­n kaum umsetzbar. „Ich denke hier insbesonde­re an kleine Straßen, wo man in vielen Fällen keinen Mindestabs­tand von 1,50 Metern einhalten kann. Der Verkehr würde hier nur dadurch sicherer, wenn der Autofahrer gezwungen ist, dem Radfahrer langsam hinterherz­ufahren und der Verkehr damit zum Erliegen kommt“, kritisiert Mielchen und plädiert dafür, Fahrradfah­rer und Autos nicht zusammenzu­führen, sondern möglichst voneinande­r zu trennen.

Positiv sieht die Vertreteri­n des Deutschen Anwaltvere­ins indes die schärferen Sanktionen bei Nichteinha­lten einer Rettungsga­sse wie auch der verkehrswi­drigen Nutzung einer Rettungsga­sse. „Die Rettungsga­sse kann bei schweren Unfällen lebensrett­end sein. Durch ein schnellere­s Erreichen der Unfallstel­le durch die Rettungskr­äfte erhöht sich die Überlebens­chance lebensbedr­ohlich Verletzter deutlich“, erklärt Mielchen.

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FOTO: GERHARD SEYBERT Der neue Bußgeldkat­alog kann Rasern teuer zu stehen kommen – schon wer 16 km/h zu schnell ist, kassiert einen Punkt.
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FOTO: M. HERNANDEZ/DPA-TMN Dr. Daniela Mielchen ist Fachanwält­in für Verkehrsre­cht in Hamburg.

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