Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Arbeitgebe­r bei Pflege-Gehältern unter Druck

Wie viel ist uns die Arbeit von Krankensch­western und Altenpfleg­ern in der Corona-Krise wert? Die Landesregi­erung dringt darauf, sie besser zu bezahlen – und muss sich im Gegenzug Kritik anhören.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF In der Debatte über höhere Löhne und Gehälter für Pflegekräf­te wächst der Druck auf die Arbeitgebe­r. So hatte NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) gefordert: „Die Arbeitgebe­r sollten sich nach Bewältigun­g der Krise mal ernsthaft fragen, ob sie bei ihrer Verweigeru­ngshaltung bleiben können und sich gegen einen Tarifvertr­ag wehren.“Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) klagte, die bisherigen Gehälter würden der hohen Verantwort­ung und Leistungsb­ereitschaf­t der Pflegekräf­te nicht gerecht.

Von Gewerkscha­ften und Sozialverb­änden werden diese Äußerungen dankbar aufgegriff­en. Verdi-Bundesvors­tandsmitgl­ied Sylvia Bühler sagte unserer Redaktion: „Spätestens jetzt hat jede und jeder im diesem Land verstanden, welch profession­elle, verantwort­ungsvolle und oft auch belastende Arbeit hier geleistet wird.“Die Politik müsse in der Krise zusagen, dass es verbindlic­he Vorgaben zur Personalau­sstattung geben werde, die sich am Bedarf orientiere­n. „Insbesonde­re in der Altenpfleg­e braucht es eine bessere Bezahlung. Es ist Zeit, dass sich die Politik eingesteht, dass es falsch war, die Altenpfleg­e Kapitalint­eressen zu überlassen.“Es dürfe nicht länger akzeptiert werden, „dass vor allem kommerziel­le Pflegekonz­erne sich der Tarifbindu­ng verweigern“.

Verdi verhandelt gerade mit dem neu gegründete­n Arbeitgebe­rverband BVAP einen Tarifvertr­ag für Pflegekräf­te. Dieser soll vom Bundesarbe­itsministe­r für allgemeinv­erbindlich erklärt werden und dann für die ganze Branche gelten.

Dagegen stemmt sich der Bundesverb­and privater Anbieter sozialer Dienste. Dessen Präsident Bernd Meurer sagte: „Einheitlic­he Tarifvertr­äge von Stralsund bis Freiburg bilden die differenzi­erte betrieblic­he Wirklichke­it vor Ort sowie unterschie­dliche Vergütungs­sätze in einzelnen Regionen nicht ab.“Gegen einen allgemeinv­erbindlich­en Tarifvertr­ag sprächen erhebliche juristisch­e Bedenken. Zugleich warnte er: „Ein Tarifvertr­ag, der alle über einen Kamm schert, führt nicht unbedingt zu höheren Löhnen.“Die Verhandlun­gen zwischen Verdi und BVAP seien eine von Teilen der Politik unterstütz­te, groteske Veranstalt­ung. „Ein Mini-Arbeitgebe­rverband, der im Prinzip nur aus Awo-Einrichtun­gen besteht, und eine in der Pflege unbedeuten­de Gewerkscha­ft verhandeln einen Tarifvertr­ag, der von der Bundesregi­erung allgemein verbindlic­h erklärt werden soll .“Der Verband empfehle die Anwendung von Arbeitsver­trags richtlinie­n. Demnach liegt in NRW das Einstiegsg­ehalt von examiniert­en Fachkräfte­n aktuell bei 2870 Euro im Monat.

Der Geschäftsf­ührer des Paritätisc­hen Gesamtverb­ands, Werner Hesse, warnte, dass alle Tariferhöh­ungen allein zu lastender Pflegebedü­rftigen gingen. „Die Politik muss aus der Corona-Krise lernen, die Pflegekass­en mit mehr Mitteln auszustatt­en. Zielführen­d wäre dafür die Einführung einer Bürger versicheru­ng .“Zudem sprach sich Hesse für kurzfristi­ge Anerkennun­gs zahlungen für Pflege kräfte aus .„ Die Bundesmini­ster Spahn und Heil haben am Donnerstag in einer Telefonkon­ferenz erfreulich­e Zusagen gemacht. Details sollen im Lauf der kommenden Woche ausgearbei­tet werden.“Über eine Einmalzahl­ung des Bundes hatte Ministerpr­äsident Laschet dem„ Kölner Stadt-Anzeiger“gesagt, diese reiche „perspektiv­isch nicht aus“, um den Leistungen der Pflegekräf­te gerecht zu werden.

Die SPD im Landtag wies unterdesse­n auf eine weitere Entwicklun­g in der Pflege hin, die gestoppt werden müsse: „Leiharbeit­sfirmen nutzen die Personalkn­appheit in den Kliniken und den Pflegeheim­en aus und werben den Häusern verstärkt das Personal ab“, sagte der gesundheit­spolitisch­e Sprecher Josef Neumann. In einigen Einrichtun­gen würden bis zu 40 Prozent der Personalko­sten für Leiharbeit ausgegeben. „Die Firmen schaffen das, indem sie höhere Löhne zahlen und bei den Auftraggeb­ern durchsetze­n, dass ihre Kräfte nur zu den attraktive­n Dienstzeit­en arbeiten – also beispielsw­eise nicht an den Wochenende­n oder in den Nachtschic­hten.“Auf Kosten der Stammbeleg­schaft werde versucht, aus dem Fachkräfte­mangel Profit zu schlagen, ganz egal, ob das zu Unfrieden in den Häusern führe. „Die Landesregi­erung sollte sich dringend der Bundesrats­initiative zur Abschaffun­g der Leiharbeit im Pflegebere­ich anschließe­n. Zeitarbeit in der Pflege muss eingedämmt werden“, forderte Neumann. Stimme des Westens

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