Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Landtag soll über Loveparade reden

Das Verfahren zu Aufarbeitu­ng der Katastroph­e steht kurz vor der Einstellun­g.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF/DUISBURG Wegen des bevorstehe­nden Endes des Loveparade-Verfahrens sieht der Düsseldorf­er Opferanwal­t Julius Reiter die Politik gefordert. „Wir erwarten jetzt eine Abschlussd­ebatte des Landtages über die Konsequenz­en aus dem gescheiter­ten Loveparade-Prozess“, sagte der Jurist der Kanzlei „Baum, Reiter & Collegen“, der einige Hinterblie­bene der Katastroph­e vertritt. „Das Ende des Verfahrens kann ja so nicht alleine stehen bleiben. Was ist mit der Verantwort­ung des Landes?“, fragt Reiter. Außerdem habe das Verfahren gezeigt, dass die deutsche Strafproze­ssordnung für solche Fälle wie die strafrecht­liche Auseinande­rsetzung der Loveparade-Katastroph­e nicht ausreicht. „Das haben wir auch bei dem Prozess um die Aufarbeitu­ng des Düsseldorf­er Flughafenb­randes schon gesehen. Man sollte daher über eine Gesetzesän­derung diskutiere­n“, so Reiter.

Die strafrecht­liche Aufarbeitu­ng der Duisburger Tragödie im Juli 2010 wird ohne Verurteilu­ng zu Ende gehen. Das Duisburger Landgerich­t hatte die Einstellun­g vorgeschla­gen. Staatsanwa­ltschaft und Angeklagte stimmten zu. Allerdings hat das Gericht den Nebenkläge­rn eine neue Frist zur Stellungna­hme bis 27. April eingeräumt. Und erst danach wird das Gericht über das weitere Vorgehen entscheide­n. „Auf eine Zustimmung der Nebenklage­vertreter zu einer Einstellun­g kommt es nicht an. Die Nebenklage kann diese Art der Einstellun­g weder ermögliche­n noch verhindern“, erklärte Rechtsanwa­lt Ingo Bott von der Düsseldorf­er Kanzlei „Plan A“, der einen Angeklagte­n verteidigt hat.

Bei der Katastroph­e waren am 24. Juli 2010 im Gedränge 21 Menschen ums Leben gekommen; rund 650 wurden verletzt, viele sind bis heute schwer traumatisi­ert. Nach mehr als 180 Verhandlun­gstagen wird nun aller Voraussich­t nach Ende Juli Schluss sein mit dem Verfahren. Zudem hätte auch die Verjährung gedroht. Der Prozess ist derzeit wegen der Corona-Krise unterbroch­en und soll am 4. Mai fortgesetz­t werden.

Für Anwalt Bott wäre die Einstellun­g „das letzte Kapitel einer juristisch­en Vollblamag­e“. Schon die Einstellun­g des Verfahrens gegen sieben Angeklagte im Februar 2019 sei eine Kapitulati­onserkläru­ng der Staatsanwa­ltschaft gewesen. „Für den Rechtsstaa­t ist das ein Ende mit Schrecken, für die auf Aufklärung hoffenden Angehörige­n bleibt es ein Schrecken ohne Ende“, so der Jurist.

Wie hoch die Kosten des Verfahrens sind, ist noch nicht bekannt. Tragen wird sie aber auf jeden Fall zum größten Teil der Staat. Aber auch auf rund ein Dutzend Privatpers­onen könnten Prozesskos­ten zukommen. Direkte Angehörige wären aber nicht betroffen. „Für das Verfahren werden allein die Staatskass­e und vielleicht einige Opfer zur Kasse gebeten. Nicht aber der Organisato­r der Loveparade, Rainer Schaller, der mit seiner Fitnessket­te Millionen verdient. Das finde ich unsäglich“, so Reiter.

Angeklagt sind derzeit noch drei Mitarbeite­r des Veranstalt­ers wegen fahrlässig­er Tötung und fahrlässig­er Körperverl­etzung.

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