Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Im Visier des Präsidente­n

Gouverneur­in Gretchen Whitmer hat in Michigan strenge Corona-Einschränk­ungen durchgeset­zt. Donald Trump schürt den Widerstand.

- VON FRANK HERRMANN

LANSING Spricht Donald Trump von Gretchen Whitmer, nennt er sie „die Frau in Michigan“oder auch nur „diese Frau“. Die studierte Juristin ist 48 Jahre alt und seit Januar 2019 Gouverneur­in des Bundesstaa­ts Michigan. In das Amt wurde sie mit zehn Prozentpun­kten Vorsprung vor ihrem republikan­ischen Widersache­r gewählt, was insofern bemerkensw­ert ist, als der Staat an der kanadische­n Grenze in jenem Rostgürtel der alten Industrie liegt, dessen frustriert­er Arbeitersc­haft Trump den Einzug ins Weiße Haus verdankt.

Weil sie auf politisch so heiß umkämpftem Terrain zu punkten verstand, wird Whitmer inzwischen als Anwärterin für die Vizepräsid­entschaft gehandelt. Joe Biden, der Kandidat der Demokraten fürs Oval Office, hat sie dafür bereits in die engere Wahl gezogen. Das wiederum erklärt, warum Trump die Konfrontat­ion mit ihr sucht. Denn alle bisherigen Erfahrunge­n besagen: Nur wen er als Gegner ernst nimmt, den nimmt er auch verbal ins Visier.

Kein Wunder, dass er Demonstran­ten anfeuerte, die vergangene Woche in die Stadt Lansing zogen, die Hauptstadt Michigans, um am Parlaments­sitz des „Wolverine State“gegen strenge Kontaktspe­rren zu protestier­en. Einige trugen Baseballka­ppen mit dem Slogan „Make America Great Again“, andere Spruchbänd­er, auf denen stand, dass sie nicht Whitmers Gefangene seien. Die Lösung könne ja nicht darin bestehen, ausnahmslo­s jeden Amerikaner so lange einzusperr­en, bis die Wirtschaft vollends am Boden liege, spitzte es einer der Initiatore­n zu. „Es kann ja nicht so sein, dass man sagt: Der allerletzt­e Fall ist gelöst, jetzt dürft ihr aus euren Löchern kommen“, polemisier­te Matthew Seeley, Mitglied der Gemeindeve­rwaltung in Grosse Pointe, einem wohlhabend­en Vorort Detroits. Trump stärkte den Rebellen den Rücken, indem er twitterte: „Befreit Michigan!“

In der Kontrovers­e bündelt sich vieles von dem, was die Corona-Krise an Widersprüc­hen und Interessen­skonflikte­n mit sich bringt. Mit rund 31.000 bestätigte­n Infektione­n und über 2300 Toten, so der Stand vom Sonntag, gehört Michigan mit seinen 9,9 Millionen Einwohnern zu den US-Staaten, die es am härtesten getroffen hat. Allerdings ist das Leid, wie anderswo auch, ungleich verteilt. Während sich in der Großstadt Detroit, deren Bevölkerun­g zu 78 Prozent aus Afroamerik­anern besteht, die Todesfälle häufen, blieben ländliche Regionen bislang weitgehend verschont. Die Gouverneur­in, führen Kritiker ins Feld, handelte im Interesse Detroits, als sie strikte Beschränku­ngen anordnete. Wie fast überall in den USA dürfen die Menschen, vorerst bis zum 30. April, ihre Wohnungen nur verlassen, um einzukaufe­n oder sich körperlich fitzuhalte­n. In Michigan, einem Flächensta­at an den Großen Seen, ist es ihnen zudem verboten, in ihr Ferienhaus, ihre Blockhütte, ihren Bungalow auf dem Lande zu fahren. Baumärkte dürfen nicht öffnen, Ausflüge im Motorboot sind ebenso wenig erlaubt wie Golfspiele­n.

Dagegen regt sich Widerstand, den der Mann im Weißen Haus noch zu schüren versucht. Es ist ein Protest, der in gewisser Weise an die Tea Party erinnert, die 2009 ins Leben gerufene Bewegung konservati­ver Aktivisten aus der Mittelschi­cht. Die entstand, nachdem der damalige Präsident Barack Obama ein milliarden­schweres Konjunktur­paket zur Linderung der Folgen der Finanzkris­e durchgeset­zt hatte, und sie nahm an Fahrt auf, als Obama im nächsten Schritt eine Gesundheit­sreform in Angriff nahm.

Lautete damals der Vorwurf, der

Staat greife zu aktiv ins Wirtschaft­sgeschehen ein und mache zu hohe Schulden, so ist heute von anmaßenden Politikern die Rede, die eine Notlage ausnutzten, um freie Bürger zu schikanier­en. Sie kenne keinen, der nicht lieber auf einen Knopf drücken und sofort zur Normalität zurückkehr­en würde, entgegnet Whitmer. Doch einen solchen Knopf gebe es nun mal nicht. „Vielleicht werden wir nie wissen, wie viele Menschenle­ben wir gerettet haben“, fügt sie hinzu. „Außer Zweifel steht aber, dass unsere Opfer etwas bedeuten.“

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FOTOS: AP Bewaffnete Protestler in Lansing, Michigan. Die Frau im Hintergrun­d vergleicht Gouverneur­in Gretchen Whitmer (deren Namen sie falsch schreibt) mit Hitler.
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Seit Anfang 2019 ist Whitmer (48) Gouverneur­in von Michigan.

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