Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Großvater erstickte still an den Kriegen

RP-Redakteur Robert Peters beweist sich in seinem Erstlingsr­oman als einfühlsam-spannender Erzähler.

- VON GUNDHILD TILLMANNS

MÖNCHENGLA­DBACH Robert Peters ist Chefreport­er der RP-Sportredak­tion, promoviert­er Germanist – und ein begnadeter Erzähler. Mit seinem ersten Roman „Ich war doch nur ein Schmied“gelingt ihm der Spagat, seinem wortkargen Großvater eine Stimme zu verleihen und damit eine Romanfigur zu erschaffen, die zu einem Plädoyer für den Pazifismus wird.

Die teilfiktiv­e Lebensgesc­hichte seines Großvaters Robert, der seinen Enkel „Röbke“, also Klein-Robert, nennt, ist ein spannender Geschichts­roman. In schnörkell­oser Sprache nimmt Robert Peters den Leser auch atmosphäri­sch mit in seine typisch-niederrhei­nische Familie. Er geht mit dem Leser auf eine anrührende und aufrütteln­de Zeitreise durch zwei Weltkriege, die seinen Großvater und gleich zwei Generation­en von Deutschen bis heute bestimmt haben.

Aber das sind nicht die ewig wiederholt­en Kriegsgesc­hichten, die Peters aufwärmt, im Gegenteil: „Mein Großvater hat eigentlich nicht über seine Kriegserle­bnisse gesprochen, er hat immer nur Geschichte­n erfunden, die sich wie die von Karl May anhörten“, sagt der 62-jährige Autor. Doch diese Abenteuerg­eschichten beschreibt er eben nicht. Peters hatte sich schon vor Jahrzehnte­n vorgenomme­n, eines Tages an der Stelle seines verschwieg­enen Großvaters, der nach einem Suizidvers­uch in einer Nervenheil­anstalt verstarb, diesem in einem Roman in gewisser Weise auch Erlösung zu verschaffe­n.

Denn der alte Mann erstickt regelrecht an seinen „Dämonen“, wie Peters die Alpträume und unbeherrsc­hbaren Ängste beschreibt, die dem Großvater seit dem Ersten Weltkrieg – seit Verdun – den Schlaf rauben.

Dieses unausgespr­ochene und damit unbewältig­te Kriegstrau­ma des Großvaters ist aber auch das Leiden gleich zweier Generation­en, die die Weltkriege mit durchlitte­n haben. Peters macht mit seiner Romanfigur so vieles verständli­ch, was Menschen, die keinen Krieg miterleben mussten, kaum zu verstehen vermögen. Er fasst es in Worte, nähert sich damit nicht nur dem Großvater an.

Der Großvater ist zunächst ein „braver“Schmied, in dessen geordneter Welt am katholisch­en Niederrhei­n alles „gut und richtig“ist. Er gründet eine Familie, ist mit sich und seinem Dasein im Einklang. Er ist vor allem gehorsam.

Die Dämonen verfolgen ihn dann erstmalig, als er die Schrecknis­se der Schlacht von Verdun nicht mehr verarbeite­n kann. Er verschütte­t das Trauma in sich selbst, kehrt nach dem Krieg scheinbar zur Normalität zurück und erlebt später auch nach dem Zweiten Weltkrieg sogar gute Phasen. Er erfreut sich am Wachsen seiner Familie, an den Enkeln und an seinem Liebling „Röbke“, der ihn auch ohne viele Worte versteht.

Doch das Schweigen verfolgt den Großvater, der eine Zeit lang sogar nach dem Zweiten Weltkrieg zum Hilfspoliz­isten avanciert, als ein Schuldgefü­hl, das er in schlaflose­n Nächten und Alpträumen mit sich trägt. Und die Angst wächst, wird unkontroll­ierbar, beherrscht ihn wie Dämonen. Zuletzt wird die Schuld, die er zwar nicht als Täter, aber als schweigend­er „Teilhaber“auch den Gräueln des Nationalso­zialismus empfindet, für ihn zu schwer. Die Dämonen überwältig­en ihn. Anrührend beschreibt Robert Peters ohne jedwede schriftste­llerische Beschönigu­ng, wie der Großvater seine letzte Nacht in der „Irrenansta­lt“hilflos gefesselt ans Bett, von Spritzen immer wieder betäubt, schließlic­h nicht überlebt: „Das Sausen in meinem Kopf hört auf, es ist ganz still.“

Info Robert Peters „Ich war doch nur ein Schmied“. Verlag tredition, 177 Seiten, 9,99 Euro

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FOTO: G. PETERS RP-Sportredak­teur Robert Peters mit seinem ersten Roman.

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