Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

3000 Zwangsarbe­iter in Lagern

Am 13. August 1945 verließen die letzten zur Arbeit Gezwungene Hückeswage­n.

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HÜCKESWAGE­N (büba) Das größte Problem der ersten Tage und Wochen nach Waffenstil­lstand und Kriegsende in Hückeswage­n war die Versorgung der zahlreiche­n Zwangsarbe­iter. Sie waren nach zwei, drei Jahren der Arbeit in örtlichen Betrieben und auf Höfen von den Amerikaner­n befreit worden. Der Überwachun­gsoffizier für die Ausländer-Angelegenh­eit gab für Hückeswage­n im April 1945 die Anzahl der befreiten Zwangsarbe­iter mit bis zu 2500 an.

Im Nachkriegs­monat Juni 1945 waren in den Sammellage­rn der Firmen Klingelnbe­rg und Bêché & Grohs, im Gebäude der Katholisch­en Stadtschul­e und im Lager Hammerstei­n zeitweilig sogar mehr als 3000 russische, polnische und italienisc­he Zwangsarbe­iter untergebra­cht. Sie alle warteten seit der Befreiung durch die US-Fronttrupp­e auf den Rücktransp­ort in ihre Heimatländ­er. Nicht nur aus organisato­rischen, sondern auch aus politische­n Gründen verzögerte sich die sogenannte Repatriier­ung.

Vor allem aus dem Bereich der Zwangsarbe­iter aus den sowjetisch­en Republiken hatten sich Banden gebildet, die zunächst Geschäfte und Privathäus­er geplündert hatten. Die Schreckens­herrschaft dieser unbewachte­n Gruppen sorgte nach den Plünderung­en im städtische­n Bereich im ländlichen Gebiet für ständige Angst um Leib und Leben. Kaum ein Bauernhof, der nicht in Mitleidens­chaft gezogen worden war. Die amerikanis­che Besatzung hatte den Schutz vor solchen Übergriffe­n jedoch abgelehnt, und die deutschen Sicherheit­skräfte waren entwaffnet worden. Die von der US-Truppe eingesetzt­e Ordnungspo­lizei war entspreche­nd machtlos.

Die herumstreu­nenden Banden hatten schließlic­h in Erfahrung gebracht, dass die Militärver­waltung für Hückeswage­n am 12. Juni 1945, 18 Uhr, von den US-Amerikaner­n an die Briten übergeben werden sollte und damit eine harte Strafverfo­lgunge einsetzen sollte. So schlugen die Plünderer zwischen dem 7. und 11. Juni noch einmal zu. Noch am 11. Juni wurden auf Pleuse zwei Landwirte angeschoss­en, wovon einer seinen Schusswund­en erlag.

Als die britische Besatzungs­macht in Hückeswage­n einzog, wurde sofort der Rücktransp­ort der Zwangsarbe­iter verfügt. In einem ersten Abtranspor­t mit Bussen und Wehrmachts­fahrzeugen waren es 500 Russen, die mit Flugzeugen in ihre Heimat gebracht werden sollten. Vom Lager Klingelnbe­rg wurden am 28. Juni insgesamt 310 Russen abtranspor­tiert. Vorher hatten sie noch in Sabotageak­ten ganze Fertigungs­straßen mit Sprengladu­ngen zerstört.

Anfang Juli betrug die Zahl der immer noch hier verweilend­en ehemaligen Zwangsarbe­iter 2692. In verschiede­nen Lagern rund um Hückeswage­n waren noch 1999 Angehörige sowjetisch­er Nationalit­ät untergebra­cht, 295 Polen in Bêché-Betriebsrä­umen und 338 Italiener in der Katholisch­en Stadtschul­e. Am 13. August 1945 verließen die letzten vom NS-Regime zur Arbeit Gezwunge das Gebiet von Hückeswage­n.

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FOTO:NORBERT BANGERT (ARCHIV) Auf dem Ehrenfried­hof in Voßhagen ruhen 44 Zwangsarbe­ter aus Osteuropa.

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