Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Familienberatung der Caritas ist auch in der CoronaKrise bei Ratsuchenden sehr beliebt.
Während der Corona-Krise hat die Caritas-Beratungsstelle Herbstmühle die Arbeit auch in Rade aufs Telefon und ins Internet verlegt.
RADEVORMWALD/WIPPERFÜRTH Der Bedarf an psychologischer Familienberatung ist trotz der Kontaktsperre im Zuge der Maßnahmen gegen die Corona-Epidemie nicht geringer geworden. Warum auch? Familien müssen nach Schließung der Schulen und Kindergärten sowie der an vielen Arbeitsplätzen eingerichteten Kurzarbeit wesentlich mehr Zeit zusammen zu Hause verbringen. Das ist durchaus ein potentieller Herd für Konflikte. Dennoch musste auch die Caritas-Beratungsstelle Herbstmühle in Wipperfürth, die auch für Radevormwald
„Es weitet sich aus, es gibt mehr Anrufe – und die dauern auch länger. Die Ratsuchenden nutzen die Zeit“
Ludger Sändker
zuständig ist und hier etwa den Baby-Begrüßungsdienst anbietet, zum 17. März ihren normalen Betrieb einstellen.
„Ein wesentlicher Teil unserer Arbeit sind die Besuche bei den Familien und Gruppenangebote. Es gibt aber im Zuge der Kontaktsperre keine direkten Kontakte mehr“, sagt Leiter Ludger Sändker. Ein Ende sei jetzt, etwa einen Monat nach Ende des normalen Betriebs, noch nicht absehbar. Man habe sich aber direkt zu helfen gewusst, sagt Sändker. „Wir haben unsere Beratungen unmittelbar auf Telefon- und Online-Termine umgestellt. Das ist aber, zumindest zu Beginn bei vielen Hilfesuchenden nicht so gut angekommen. Etwa die Hälfte der Anfragen wurden von den Klienten selbst auf einen späteren Zeitpunkt verschoben“, sagt der Leiter der Beratungsstelle. Wie sich zwischenzeitlich herausgestellt hat, ist das aber nur eine leichte Fremdelei mit den ungewohnten Medien gewesen. Denn mittlerweile hätten sich Telefon und Internet durchaus als die aktuelle Beratungsform etabliert und würden wesentlich besser angenommen. „Es weitet sich aus, es gibt mehr Anrufe – und die dauern auch länger. Die Ratsuchenden nutzen die Zeit“, sagt Sändker. Um die eher unpersönliche Atmosphäre im Chat oder am Telefon zu entschärfen, habe man ganz neu auch die Möglichkeit der Beratung per Video-Chats eingerichtet. „Berater und Klienten sehen sich so – wenn auch nicht in direkter Nähe“, sagt Sändker. Das alles, und auch die Maßnahmen, dass die 26 Mitarbeiter sich auf Homeoffice, die unterschiedlichen Beratungsstellen und verschiedene Schichten verteilten, seien im Moment gangbare Maßnahmen, um die Beratung aufrechterhalten zu können. „Aber das ist kein Zustand, den wir lange haben wollen“, betont Sändker.
Die Stimmung im Team sei positiv. „Unsere Mitarbeiter kommen gut mit der Situation klar. Viele sind daheim, Fall- und Dienstbesprechungen finden zumeist im kleinen Kreis statt.“Auch hier werde derzeit an der Einrichtung von Videokonferenzen
„Die Herbstmühle ist sehr breit aufgestellt, mit manchen Angeboten sind wir in der Region auch einzigartig“
Ludger Sändker
gearbeitet, damit auch das gesamte Team miteinander in Kontakt bleiben könne.
Die Beratungsstelle, die ihren Namen von der Wipperfürther Straße hat, in der sich die Hauptstelle befindet, ist als öffentlich geförderte Stelle der ambulanten Kinder- und Jugendhilfe breit aufgestellt. „Wir können mit Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Familien Gruppen- und Einzelberatungsgespräche machen. Dazu gibt es den Bereich der Frühen Hilfen in den ersten Lebensjahren“, sagt Sändker. Auch Mensch mit Migrationshintergrund können zur Herbstmühle. „Seit 2016 bieten wir Beratungsgespräche mit Dolmetschern an, außerdem haben wir eine Mitarbeiterin in Radevormwald, die muttersprachliche Beratung in Türkisch und Kurdisch anbietet.“
Die Hauptstelle Herbstmühle ist in Wipperfürth, außerdem gibt es Nebenstellen in Radevormwald und Lindlar. „Unser Zuständigkeitsbereich umfasst zudem noch Hückeswagen, Marienheide und Engelskirchen“, sagt Sändker. Die größte Erziehungsberatungsstelle im Erzbistum Köln hat zudem noch Kooperationen mit elf Familienzentren, besucht Schulen in Lindlar und Wipperfürth und bietet Gruppen zu so unterschiedlichen Problemfeldern wie sexualisierte Gewalt und Missbrauch, für Kinder und Jugendliche in Familien mit psychisch erkrankten Eltern oder frisch getrennt lebende Eltern, Elterncafés oder auch einen Gesprächskreis für speziell für türkische Mütter an.
„Die Herbstmühle ist sehr breit aufgestellt, mit manchen Angeboten sind wir in der Region auch einzigartig“, sagt Sändker. Und so gut die provisorischen Methoden auch funktionierten – sie könnten kein Ersatz für den direkten Kontakt bieten. „Beratung lebt von der Nähe zueinander. Deswegen hoffe ich, dass dieser Zustand nicht zu lange dauert“, sagt Sändker.