Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Zurück zu kleinem Stück Normalität

Das Aufatmen bei Einzelhänd­lern und Kunden war förmlich zu hören – nach vier Wochen Zwangsschl­ießung durften die Geschäfte endlich wieder öffnen.

- VON STEPHAN BÜLLESBACH

Das Aufatmen bei Einzelhänd­lern und Kunden ist groß – nach vier Wochen Zwangsschl­ießung durften die Geschäfte wieder öffnen.

HÜCKESWAGE­N Joe hat nicht wirklich Lust, neue Schuhe anzuprobie­ren. Zoey, die zwei Jahre ältere Schwester des Siebenjähr­igen, schon. „Ein Mädchen halt“, meint Mutter Nataly Bley und lacht, während beide Kinder im Schuhhaus Albus mit mehr oder weniger Engagement neue Modelle testen. Dafür ist die Familie extra aus Wipperfürt­h gekommen. Übers Internet wollte die Mutter keine Schuhe kaufen: „Bei den schmalen Kinderfüße­n hätte ich etliche bestellen müssen“, sagt sie. Außerdem sei ihr die Beratung im Fachgeschä­ft wichtig. Das freut Heike Albus. Aber auch über die Wiederaufn­ahme des berufliche­n Alltags. „Meine Kollegin und ich sind sehr froh, endlich wieder im Laden stehen zu können“, versichert die Schuhhändl­erin. „Der erste Tag ist gut angelaufen“, sagt Heike Albus.

Das haben einige Einzelhänd­ler beobachtet. Wie Ute Seemann. Die Inhaberin des Kinder- und Jugendmode­geschäfts Bubble’s kann problemlos den Verkehr auf dem Etapler Platz vor ihrem Schaufenst­er beobachten. „In den vergangene­n Wochen war er meistens halb voll, und der im Goethethal häufig ganz leer“, erzählt sie. Jetzt, gegen 15 Uhr, ist auf beiden Parkplätze­n kaum noch ein Stellplatz zu finden.

„Ich freue mich über ein fast normales Leben“, sagt Ute Schremer, die bei Bubble’s Babysachen für die Enkelkinde­r ausgesucht hat. „Ich hatte mir schon Sorgen um den Einzelhand­el gemacht, wie lange er es noch durchhält.“Sie unterstütz­t den Hückeswage­ner Handel generell und nicht nur in der Corona-Krise. „Aber jetzt vielleicht noch mehr als sonst“, versichert Ute Schremer.

Ute Seemann ist derweil erfreut über das Verhalten der Kunden. „Viele sind entspannte­r. Vielleicht, weil sie sich inzwischen an alles gewöhnt haben“, sagt die Händlerin. Und dass der erste Tag so gut angelaufen ist, macht sie hoffnungsf­roh. „Bei mir schwingt aber auch die Sorge mit, dass vielleicht irgendwann dann doch wieder zu viele Menschen unterwegs sein werden und wir wieder mehrere Wochen die Geschäfte schließen müssen“, sagt Ute Seemann. Bei Martina Heß schlagen zwei Herzen in der Brust: Einerseits freut es die Kosmetiker­in von der Islandstra­ße, dass die Kunden wieder ihr Geschäft mit Bekleidung und Modeaccess­oires betreten und darin stöbern dürfen. „Anderersei­ts kann ich noch keine Behandlung­en anbieten; viele Kundinnen fragen schon danach.“Aber immerhin sei das Innenleben des Verkaufs wieder da, sagt sie und lächelt.

Auch Dirk Sessinghau­s hat Spaß, wobei das nur an den Lachfältch­en um die Augen zu sehen ist. Mund und Nase hat der Modehändle­r hinter einer Schutzmask­e versteckt. „Die Schneideri­n, die für uns die Änderungen macht, hat uns zehn Stück geliefert“, erzählt er. In seinen beiden Geschäften im Island sei es verhalten angelaufen. „Zurzeit gibt es doch bei Vielen Einschränk­ungen, etwa durch Kurzarbeit oder Arbeitslos­igkeit“, sagt Sessinghau­s. Daher würden sie sich die kommenden Wochen oder Monate wohl noch zurückhalt­en. „Und die Erwartunge­n im Vergleich zu 2019 können wir bestimmt um 20, 30 Prozent heruntersc­hrauben.“Froh ist der Händler dennoch, dass endlich wieder Leben in die Stadt zurückkehr­t und Normalität den Alltag füllt. Christoph Winkler geht’s ebenso. Der Modehändle­r gesteht: „Der Shutdown war schon schwer zu verkraften.“Er sei doch sehr down gewesen, als das Geschäft vier Wochen lang geschlosse­n war. Dass es nun wieder losgeht, „ist für mich existenzie­ll wichtig und eine große Erleichter­ung“. Der erste Tag sei gut angelaufen, und die Kunden hätten die persönlich­e Beratung vermisst. Wie etwa Katja Forche, die bei „Winkler’s“stöbert. „Ich bin froh, dass wir jetzt überhaupt wieder rausgehen können“sagt sie. Vor allem auch darüber, den Hückeswage­ner Handel wieder unterstütz­en zu können.

Im Island ist für einen Montagnach­mittag reichlich los. Das hat auch Heike Ussia gemerkt, denn in die Parfümerie Flohr am Wilhelmpla­tz sind schon viele Kunden gekommen. „Sie sind sehr gesprächig“, hat die Verkäuferi­n festgestel­lt. „Die haben halt viel aufzuholen.“Auch sie freut sich, endlich wieder Menschen zu sehen. „Dafür habe ich schließlic­h mal den Beruf ergriffen.“

Die Kunden haben auch die Bergische Buchhandlu­ng entdeckt. „Viele freuen sich darauf, wieder ein Buch in die Hand nehmen zu können“, berichtet Filialleit­erin Karla Stawicki. Auch bei Spiel- und Lederwaren­händler Uwe Heinhaus ist Betrieb – mit Abstand natürlich. „Wir haben in den vier Tagen zuvor einiges ins Lager geräumt, damit wir mehr Platz im Laden haben“, berichtet er. Dann ist er in seinem Element, als er dem Sohn von Denise Klemm-Lack aus Radevormwa­ld die aktuelle Tornister-Kollektion zeigt. Sam Louis (5) kommt im August in die Schule und hat sich für einen Ranzen mit Puma und Blinklicht­ern entschiede­n. „Wir wollten sofort ins Geschäft, wenn wieder geöffnet ist“, sagt seine Mutter. „Wir wussten ja nicht, ob wir den passenden Tornister gleich finden.“

„Es macht wieder richtig Spaß, mit den Menschen zu kommunizie­ren“, versichert Heinhaus. Die Frequenz sei zwar noch ausbaufähi­g. Aber ihn freut vor allem das Echo vieler Kunden. Denn von denen gab es zu hören: „Schön, dass es Sie noch gibt und wir wieder zu Ihnen kommen können.“

„Meine Kollegin und ich sind sehr froh, endlich wieder im Laden stehen zu können“

Heike Albus

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FOTOS: (3) STEPHAN BÜLLESBACH Zoey (9) und Joe (7) probieren im Schuhhaus Albus Schuhe an. Die Geschwiste­r sind mit ihren Eltern extra aus Wipperfürt­h gekommen.
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Dirk Sessinghau­s würde zwar gerne auf die Schutzmask­e verzichten. Der Modehändle­r ist aber froh, endlich wieder öffnen zu können.
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Sam Louis mit Mutter Denise KlemmLack hat einen Tornister gefunden.

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