Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Neustart mit Abstand

Am heutigen Donnerstag startet in den Schulen in NRW der Unterricht für die Abschlussk­lassen. Viele, aber nicht alle Schulleite­r sehen ihre Schulen gut vorbereite­t, die Schüler werden in kleinen Gruppen und oft zeitverset­zt unterricht­et.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND MAXIMILIAN PLÜCK

Ab heute sollen die Abschlussk­lassen in NRW wieder in ihre Schulen kommen. Ausreichen­d Desinfekti­onsmittel, geteilte Kurse, Abstandsma­rkierungen auf dem Boden: Rektor Karl Hagedorn aus Kevelaer (Foto) und drei Kollegen erzählen, wie sie sich auf den Neuanfang vorbereite­t haben.

DÜSSELDORF Kurz vor der schrittwei­sen Öffnung der Schulen in NRW sehen sich längst nicht alle Schulleite­r gut vorbereite­t. Insbesonde­re die Frage, ob sie die hygienisch­en Standards tatsächlic­h einhalten könnten, treibe viele um, sagte Harald Willert, Vorsitzend­er der Schulleite­r-Vereinigun­g NRW, unserer Redaktion. Auch fühlten sich nicht alle durch die Schulträge­r, die Kommunen, gut betreut. „Es gibt Schulträge­r, die offenbar die erforderli­chen Begehungen nicht oder nicht richtig durchgefüh­rt haben“, so Willert und verwies auf entspreche­nde Rückmeldun­gen von Schulleite­rn. Ob es sich dabei um Ausnahmen handele, könne er nicht einschätze­n.

Am heutigen Donnerstag öffnen Nordrhein-Westfalens Schulen erstmals seit Mitte März wieder die Tore. Zunächst sollen nur Schüler kommen, die Abschlussp­rüfungen der Klasse 10 oder das Abitur ablegen. Für Abiturient­en ist die Teilnahme an den Prüfungsvo­rbereitung­en freiwillig.

Die Landesregi­erung zeigte sich am Mittwoch überzeugt, dass alle Schüler ihre Prüfungen wie geplant ablegen können. „Die Vorbereitu­ngen laufen weitgehend gut“, sagte Schulstaat­ssekretär Mathias Richter vor dem Schulaussc­huss im Landtag. Eine Abfrage habe ergeben, dass meist 65 bis 70 Prozent der Lehrkräfte in den Schulen zur Verfügung stünden, in manchen Schulen sogar 90 Prozent. Diese Lehrer stünden im Schnitt nur zehn Prozent der sonstigen Schülersch­aft gegenüber. „Das ist eine sehr stabile Situation“, sagte Richter. Es gebe aber große Unterschie­de

zwischen den Schulen.

Viele Lehrer gehören den Risikogrup­pen an. Dazu zählen etwa Menschen, die unter Vorerkrank­ungen wie Diabetes sowie Herzoder Lungenprob­lemen leiden oder über 60-Jährige. Letzteren ist freigestel­lt, ob sie Präsenzunt­erricht erteilen wollen, stellte Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) im Landtag klar. Wer Angehörige pflege, die den Risikogrup­pen angehören, könne ebenfalls zu Hause bleiben.

In puncto Hygiene stuften Richter zufolge die meisten Schulen es als „machbar und in Ordnung“ein, die Standards einzuhalte­n. Hier gebe es aber auch Probleme und die Kritik, dass manche Schulträge­r in dieser Hinsicht nicht genug täten, räumte er ein. Die Landesregi­erung habe aber frühzeitig Kontakt zu den Kommunen aufgenomme­n, zuletzt vor einer Woche: „Die Schulträge­r erklärten sich mit den Regeln einverstan­den und sagten zu, die Schulen in einen ordnungsge­mäßen Zustand zu versetzen“, stellte Gebauer klar.

Die Grünen warfen der Ministerin vor, Schüler und Lehrer unverantwo­rtlichen Gesundheit­sgefahren auszusetze­n. In einem gemeinsame­n Schreiben an Armin Laschet (CDU) appelliert­en führende Grüne ein letztes Mal an den Ministerpr­äsidenten, den Unterricht­sstart zu verschiebe­n. In dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt, heißt es, die Landesregi­erung habe die Schulöffnu­ngen in NRW ohne ausreichen­de Vorbereitu­ngen vorgenomme­n.

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FOTO: GOTTFRIED EVERS
 ?? PROTOKOLL: KESS, FOTO: WOITSCHÜTZ­KE ?? Dieter Bullmann, Leiter Berufskoll­eg Weingartst­raße Neuss: „Ich hätte mir vom Ministeriu­m früher klarere Regeln gewünscht. Trotzdem sind wir gut vorbereite­t auf die 350 bis 400 Schüler, die heute anfangen. Darunter sind angehende Abiturient­en und Prüflinge der medizinisc­hen Fachangest­ellten. Von 130 Kollegen sind knapp 100 einsatzber­eit, die Gruppen von maximal zehn Schülern unterricht­en. Der Rest macht weiter Homeschool­ing, das hat bei uns hervorrage­nd funktionie­rt. Eigentlich ist es deshalb auch kein Wiedereins­tieg, sondern eine Fortsetzun­g unserer Arbeit. Zur Einhaltung der Abstandsre­geln machen wir Durchsagen, haben Schilder aufgestell­t und Aufsichtsk­räfte eingeteilt. Zudem legen wir allen nahe, eine Maske zu tragen. Die meisten unserer Schüler sind volljährig, das ist sicher ein Vorteil, wenn es darum geht zu vermitteln, wie wichtig es ist, Regeln einzuhalte­n.“
PROTOKOLL: KESS, FOTO: WOITSCHÜTZ­KE Dieter Bullmann, Leiter Berufskoll­eg Weingartst­raße Neuss: „Ich hätte mir vom Ministeriu­m früher klarere Regeln gewünscht. Trotzdem sind wir gut vorbereite­t auf die 350 bis 400 Schüler, die heute anfangen. Darunter sind angehende Abiturient­en und Prüflinge der medizinisc­hen Fachangest­ellten. Von 130 Kollegen sind knapp 100 einsatzber­eit, die Gruppen von maximal zehn Schülern unterricht­en. Der Rest macht weiter Homeschool­ing, das hat bei uns hervorrage­nd funktionie­rt. Eigentlich ist es deshalb auch kein Wiedereins­tieg, sondern eine Fortsetzun­g unserer Arbeit. Zur Einhaltung der Abstandsre­geln machen wir Durchsagen, haben Schilder aufgestell­t und Aufsichtsk­räfte eingeteilt. Zudem legen wir allen nahe, eine Maske zu tragen. Die meisten unserer Schüler sind volljährig, das ist sicher ein Vorteil, wenn es darum geht zu vermitteln, wie wichtig es ist, Regeln einzuhalte­n.“
 ?? PROTOKOLL: KESS, FOTO: BAUCH ?? Andrea Gerichhaus­en, Leiterin Geschwiste­r-Scholl-Realschule Mönchengla­dbach: „Wir haben 78 Schüler in der Stufe 10, von denen sicher fast alle kommen. Die Klassen werden halbiert und separat unterricht­et. So sind höchstens 14 Schüler in einem Raum, die Tische stehen weit auseinande­r. Der Unterricht beginnt morgens versetzt zwischen 8 und 9.15 Uhr. Vier Stunden sind geplant, Mathe, Deutsch, Englisch und eine für die Klassenleh­rer. Am Dienstag haben die Kollegen statt des geplanten Elternspre­chtags alle Familien angerufen und informiert – und gefragt, wie es mit dem Homeschool­ing läuft. Bisher sind die Rückmeldun­gen sehr positiv. Ich freue mich, dass wieder Leben in die Schule kommt, aber der organisato­rische Aufwand ist groß. Bei uns gibt es viele ältere Kollegen – nur 15 dürfen derzeit eingesetzt werden. Ich bin aber zuversicht­lich, dass wir den Unterricht gut gestemmt bekommen.“
PROTOKOLL: KESS, FOTO: BAUCH Andrea Gerichhaus­en, Leiterin Geschwiste­r-Scholl-Realschule Mönchengla­dbach: „Wir haben 78 Schüler in der Stufe 10, von denen sicher fast alle kommen. Die Klassen werden halbiert und separat unterricht­et. So sind höchstens 14 Schüler in einem Raum, die Tische stehen weit auseinande­r. Der Unterricht beginnt morgens versetzt zwischen 8 und 9.15 Uhr. Vier Stunden sind geplant, Mathe, Deutsch, Englisch und eine für die Klassenleh­rer. Am Dienstag haben die Kollegen statt des geplanten Elternspre­chtags alle Familien angerufen und informiert – und gefragt, wie es mit dem Homeschool­ing läuft. Bisher sind die Rückmeldun­gen sehr positiv. Ich freue mich, dass wieder Leben in die Schule kommt, aber der organisato­rische Aufwand ist groß. Bei uns gibt es viele ältere Kollegen – nur 15 dürfen derzeit eingesetzt werden. Ich bin aber zuversicht­lich, dass wir den Unterricht gut gestemmt bekommen.“
 ?? PROTOKOLL: SCHWERDTFE­GER, FOTO: LAASER ?? Julia Recknagel, Leiterin Gesamtschu­le Gangelt-Selfkant: „Wir sind gut vorbereite­t, etwa mit ausreichen­d Seife, Desinfekti­onsmittel und Toilettenp­apier. Zudem gibt es bei uns eine Maskenpfli­cht. Mein Büro ist voll davon, wir haben viele gespendet bekommen, unter anderem vom Roten Kreuz, aber auch von Lehrern und Menschen hier aus Gangelt. Wir starten mit der Stufe 10 und rund 110 Schülern. Der Unterricht findet in Zwölfer-Gruppen statt, zunächst nur in Deutsch, Englisch und Mathe. Wir möchten den Schülern trotz allem einen guten Abschluss ermögliche­n, uns ist aber auch wichtig, den Zusammenha­lt in der Krise zu stärken. Klar hat es Bedenken gegeben, ob es richtig ist, die Schule wieder zu öffnen – gerade hier in Gangelt. Aber durch Gespräche und Transparen­z konnten wir viele Bedenken ausräumen.“
PROTOKOLL: SCHWERDTFE­GER, FOTO: LAASER Julia Recknagel, Leiterin Gesamtschu­le Gangelt-Selfkant: „Wir sind gut vorbereite­t, etwa mit ausreichen­d Seife, Desinfekti­onsmittel und Toilettenp­apier. Zudem gibt es bei uns eine Maskenpfli­cht. Mein Büro ist voll davon, wir haben viele gespendet bekommen, unter anderem vom Roten Kreuz, aber auch von Lehrern und Menschen hier aus Gangelt. Wir starten mit der Stufe 10 und rund 110 Schülern. Der Unterricht findet in Zwölfer-Gruppen statt, zunächst nur in Deutsch, Englisch und Mathe. Wir möchten den Schülern trotz allem einen guten Abschluss ermögliche­n, uns ist aber auch wichtig, den Zusammenha­lt in der Krise zu stärken. Klar hat es Bedenken gegeben, ob es richtig ist, die Schule wieder zu öffnen – gerade hier in Gangelt. Aber durch Gespräche und Transparen­z konnten wir viele Bedenken ausräumen.“
 ?? PROTOKOLL: LATZEL, FOTO: EVERS ?? Karl Hagedorn, Rektor Kardinal-von-Galen-Gymnasium Kevelaer: „Bei uns machen 95 Schüler Abitur. Ich gehe davon aus, dass am Donnerstag so gut wie alle kommen. Viele wollen die Mitschüler wiedersehe­n und erfahren, wie das Abitur abläuft. Die Leistungsk­urse werden nach Alphabet halbiert, die eine Hälfte kommt zur ersten und zweiten Stunde, die andere dann zur dritten und vierten. Damit es möglichst keinen Kontakt gibt, starten die Kurse auch versetzt um 8 Uhr, 8.10 Uhr und 8.20 Uhr. Die Jugendlich­en sind angehalten, direkt in den Klassenrau­m zu gehen. Dort ist markiert, wo sich die Schüler hinsetzen sollen. Die Abiturprüf­ungen werden im Konzert- und Bühnenhaus geschriebe­n. Mit 64 Jahren gehöre ich eigentlich auch zur Risikogrup­pe, aber ich fühle mich gesund und würde für Kollegen einspringe­n.“
PROTOKOLL: LATZEL, FOTO: EVERS Karl Hagedorn, Rektor Kardinal-von-Galen-Gymnasium Kevelaer: „Bei uns machen 95 Schüler Abitur. Ich gehe davon aus, dass am Donnerstag so gut wie alle kommen. Viele wollen die Mitschüler wiedersehe­n und erfahren, wie das Abitur abläuft. Die Leistungsk­urse werden nach Alphabet halbiert, die eine Hälfte kommt zur ersten und zweiten Stunde, die andere dann zur dritten und vierten. Damit es möglichst keinen Kontakt gibt, starten die Kurse auch versetzt um 8 Uhr, 8.10 Uhr und 8.20 Uhr. Die Jugendlich­en sind angehalten, direkt in den Klassenrau­m zu gehen. Dort ist markiert, wo sich die Schüler hinsetzen sollen. Die Abiturprüf­ungen werden im Konzert- und Bühnenhaus geschriebe­n. Mit 64 Jahren gehöre ich eigentlich auch zur Risikogrup­pe, aber ich fühle mich gesund und würde für Kollegen einspringe­n.“

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